"Viele schöne Dinge gemacht!"
21. Mai 2013DW: Als Urenkelin Richard Wagners, als Festspielleiterin und Regisseurin sind Sie mit dem Werk von Richard Wagner quasi rund um die Uhr befasst. Können Sie eigentlich noch unbefangen auf das Werk Ihres Urgroßvaters blicken?
Katharina Wagner: Das ist eine schwierige Frage. Wenn man mit so etwas aufwächst, ist die Vertrautheit einfach so groß, dass man nicht sagen kann, man ist unbefangen.
Wie schaffen Sie sich denn Abstand, wenn Sie zum Beispiel selbst ein Werk Ihres Urgroßvaters inszenieren?
Für mich kann jeder Tag, jeder Moment, jede Veränderung in eine Inszenierung mit reinspielen. Ich kann als Regisseur ja die Vergangenheit oder das was aktuell geschieht nicht negieren. Und ich glaube gerade bei Wagners Werken geht es um Grundeigenschaften wie Eifersucht, Macht, Liebe, Hass: Das sind natürlich Dinge, die immer irgendwie aktuell sein werden – so lange es die Menschheit gibt.
Wagneroper kann man heute weltweit mit herausragenden Künstlern erleben. Warum sollte man nach Bayreuth fahren?
Zum einen, weil Bayreuth ein sehr spezieller Platz ist. Dass ein Komponist allein für seine Werke ein Haus bauen ließ, ist ein Alleinstellungsmerkmal. Wenn Sie da einen Parsifal hören, haben Sie das Gefühl, die Musik kommt von überall her: Sie kommt von unterm Stuhl, von der Seite, sie kommt von oben – also es ist akustisch wirklich ein Wunderwerk. Zum andern hat man in Bayreuth eine gewisse Atmosphäre bedingt dadurch, dass die Leute sich darauf freuen… auch ihren Urlaub dafür opfern. Das darf man nicht vergessen. Und ich glaube schon, dass der Ort und die Freude der Leute, da völlig freiwillig zu arbeiten, der ganzen Sache wirklich gut tut. Das macht wirklich Spaß und das merkt man am künstlerischen Ergebnis.
Sie haben 2008 mit Ihrer Halbschwester Eva die Leitung der Bayreuther Festspiele übernommen. Was hat sich dadurch verändert?
Die Überführung von einem Gesellschafter – der ja unser Vater war – in drei öffentliche Gesellschafter und einen privaten Gesellschafter, also die Veränderung sozusagen der GmbH als juristisches Konstrukt, das hat sehr viele Einschnitte und sehr viele Veränderungen gebracht, die bis heute in der Einstellungsphase sind.
So groß die Faszination für die Musik Richard Wagners weltweit auch ist, so groß ist ja auch die Skepsis: In Israel, zum Beispiel, ist seine Musik immer noch unerwünscht. Historiker werfen der Familie immer noch vor, die Aufarbeitung der Verflechtung mit der Nazizeit nach wie vor zu behindern. Wie gehen Sie damit um?
Unser Versuch ist schon, die Sachen möglichst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Von meiner Seite aus habe ich das auch getan, die Sachen kommen jetzt ins Archiv, das sie auch komplett zugänglich sind. Aber es gibt natürlich immer noch Materialien in der Familie, die allen Erbbeteiligten gehören. Was mit diesen Materialien passiert, kann ich nicht allein entscheiden.
Man munkelt ja, dass es Briefverkehr zwischen Winifred und Hitler ist. Sie hatten ja versprochen etwas zu tun, also an der Aufarbeitung zu arbeiten, aber passiert ist noch nicht viel.
Wenn es vier Erbbeteiligungen gehört, mit denen ich mich einigen muss, kann ich nicht sagen: Ich schmeiß das morgen der Öffentlichkeit vor die Füße, sondern ich muss gucken, dass alle am selben Strang ziehen und das Material offen legen. Dafür ist teilweise sehr viel Geduld nötig. Leider. Also wenn es nach mir gehen würde, wäre es schon lange öffentlich zugänglich.
Was ist denn die größte Innovation, die Ihnen bis jetzt geglückt ist?
Ich glaube, wir haben viele schöne Dinge gemacht, zum Beispiel die Kinderoper, ganz klar. Die wird sehr gut angenommen und wir versuchen, sie auch auf künstlerisch höchstem Niveau zu machen. Oder auch "Wagner im Kino", also dass eine Übertragung live im Kino zu sehen ist. Das sind schon tolle Sachen. Ab 2016 kann man dann erkennen, was wirklich in unserer Verantwortung steht. Und da hoffen wir natürlich, dass wir gute Künstler gefunden haben.
Am 22. Mai ist der 200. Geburtstag von Richard Wagner, jedes Opernhaus der Welt hat jetzt seine Werke im Programm. Wie feiern Sie und wie feiert Bayreuth dieses Jubiläum?
Bayreuth feiert das Jubiläum mit einem Geburtstagskonzert im Festspielhaus, was ja eine große Ausnahme ist, weil wir sonst immer nur innerhalb der Festspielzeit spielen. Das ist ein Riesenaufwand, weil jetzt ja schon der neue Ring auf der Bühne geprobt wird. Das heißt, wir müssen erstmal abbauen; der Konzertaufbau muss aufgebaut werden; die Ringproben müssen unterbrochen werden. Dann kommen alle Musiker zusammen und wir proben unter Christian Thielemann…
Die Festspiele dauern sonst ja nur sechs Wochen. Was machen Sie eigentlich den Rest des Jahres?
Ich drehe Däumchen. Nein. Gerade dieses Jahr geben wir ja noch die Frühwerke, haben also noch mal drei komplette Opern sowohl an der Oper Leipzig als auch mit Thielemann in Bayreuth in der Oberfrankenhalle. Da bauen wir in eine solide Mehrzweckhalle ein richtiges Opernhaus rein. Ein wahnsinnig großer Aufwand, da arbeiten wir schon die letzten drei Jahre dran! Aber wir wollten im Jubiläumsjahr die drei Frühwerke in Bayreuth haben, weil sie so eigentlich nie zusammen gespielt werden.
Das Gespräch führte Hans Christoph von Bock.