Ägypten stimmt mit Ja
16. Januar 2014Der Ausgang der Volksbefragung über die neue Verfassung gilt als wichtiger Stimmungstest für Armeechef Abdel Fattah al-Sisi. Der Vizeministerpräsident und Verteidigungsminister ist seit der Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär Anfang Juli vergangenen Jahres der starke Mann Ägyptens. Das Votum könnte al-Sisi darin bestärken, als Kandidat für das Präsidentenamt anzutreten. Er hatte kürzlich öffentlich überlegt, seinen Hut in den Ring zu werfen.
Fast 100 Prozent Zustimmung
98 Prozent der Wähler haben mit Ja gestimmt, wie das regierungsnahe Nachrichtenportal "Al-Ahram" berichtete. Das Ergebnis basiert auf der Grundlage vorläufiger Auszählungsergebnisse in 26 von 27 Provinzen. Die Beteiligung unter den 53 Millionen Ägypter lag nach unterschiedlichen Angaben zwischen 37 und 55 Prozent. Trotz dieser eher mäßigen Zahlen kann die Abstimmung als Erfolg gewertet werden: Am Referendum über die Verfassung der Islamisten Ende 2012 hatten nur 33 Prozent der Wähler teilgenommen, von denen 63 Prozent mit Ja stimmten.
Der Verfassungsentwurf wurde von dem Teil der Bevölkerung befürwortet, der auch die Entmachtung Mursis unterstützte. Die im Dezember zur Terrororganisation erklärte Muslimbruderschaft, aus der Mursi hervorging, hatte dagegen zum Boykott aufgerufen. Am Dienstag, dem ersten Tag der Abstimmung, waren bei Ausschreitungen laut offziellen Angaben elf Menschen getötet worden. Am Mittwoch blieb es dagegen vergleichsweise ruhig. Die Sicherheitskräfte nahmen an beiden Tagen insgesamt mehr als 440 Menschen fest.
Befugnisse von Armee und Justiz gestärkt
Die neue Verfassung ist eine überarbeitete Version des Dokuments, das Mursi vor etwas mehr als einem Jahr nach einer Volksabstimmung unterzeichnet hatte.
Passagen mit einer stark islamistischen Ausrichtung wurden entfernt und die Befugnisse von Armee, Justiz und Polizei ausgeweitet. Die neue Verfassung stärkt auch - zumindest auf dem Papier - die Freiheitsrechte der Bürger. Frauen sind den Männern künftig rechtlich gleichgestellt.
Menschenrechtler und Experten beanstanden, dass Freiheitsrechte trotzdem weiterhin schwierig durchsetzbar seien, weil der Bürger gegenüber Justiz und Polizei oftmals das Nachsehen habe. Allgemein wird in dem Dokument vor allem den Versuch der Streitkräfte gesehen, ihre Macht abzusichern.
Auf der Grundlage der neuen Verfassung sollen nun möglichst bald in diesem Jahr ein neues Parlament und der Präsident gewählt werden.
se/mak (rtr, dpa, ape, afp)