1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wir sind kein Instrument im Kampf gegen die Kurden"

Sven Pöhle30. Juli 2015

Die Türkei missbrauche aktuell die NATO zur Lösung innenpolitischer Probleme, sagt CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter im DW-Interview. Ein Abzug der deutschen Patriot-Staffel von dort komme aber nicht infrage.

https://p.dw.com/p/1G7LE
Patriot-Einsatz der Bundeswehr in der Türkei - Rainer Jensen (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Die Türkei geht seit vergangener Woche nicht nur militärisch gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vor, sondern auch gegen die kurdische PKK. Nach der Aufkündigung des Friedensprozesses mit den Kurden durch die Regierung in Ankara grassiert in der Türkei die Furcht vor Anschlägen. Dazu kommt natürlich die Bedrohung durch den IS. Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für die in der Südtürkei stationierten Bundeswehrsoldaten, die dort das Patriot-Raketenabwehrsystem bedienen?

Roderich Kieswetter: Die Bundeswehr hat die Gefahren erkannt und die Eigensicherung erhöht. Das bedeutet, dass die Soldaten die Liegenschaften zu bestimmten Zeiten nicht mehr verlassen dürfen und wenn, dann nicht mehr in Uniform. Grundsätzlich sind unsere Soldaten in der Türkei sehr gut vorbereitet und inzwischen auch sehr gut geschützt.

Würde sich ein ja offenbar durchaus möglicher Anschlag auf die deutsche Patriot-Staffel in der Türkei auf das Mandat der Bundeswehr auswirken?

Roderich Kiesewetter - Foto: Stephanie Pilick (dpa)
Kiesewetter: "Ziel muss sein, dass wir den IS bekämpfen"Bild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Nein. Die Bundeswehrsoldaten sind dort im NATO-Verbund als Zeichen der Solidarität. Es würde die NATO als Organisation unglaubwürdig machen, wenn sie ausweicht, sobald mit ersten Gewalttaten zu rechnen ist. Im Gegenteil. Deswegen muss jetzt vorbereitet werden, dass die NATO wehrhaft bleibt. Es gilt aber zu prüfen, ob der Patriot-Einsatz dort noch sinnvoll ist. Denn er hat ja militärisch keinen Nutzen, sondern ist nur ein politisches Zeichen von Solidarität.

Aber gilt denn diese Solidarität uneingeschränkt? Selbst wenn die Türkei den Kampf gegen den IS instrumentalisiert, um innenpolitisch massiv aufzuräumen?

Wir müssen der Türkei deutlich machen: Unsere Präsenz dient dem Kampf gegen IS. Auf keinen Fall sind wir ein Instrument der Türken im Kampf gegen die Kurden oder ein Teil der türkischen Innenpolitik. Dann wäre das Mandat verfehlt. Aber das Problem liegt ja nicht aufseiten der Bundeswehr.

Die türkische Regierung hat das zum Problem gemacht. Sie hat unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den IS begonnen, die PKK weiter zu bekämpfen. So geht es nicht. So dürfen wir uns als Bündnispartner auch nicht behandeln lassen. Hier geht es darum, dass alle Kräfte gegen den IS gebündelt werden und wir nicht Teil einer Strategie sind, wie die Türkei ihre Probleme mit den Kurden löst. Und sie scheint sie gewaltsam lösen zu wollen.

Nun ist die Trennlinie zwischen den kurdischen Kräften in Syrien, im Irak und in der Türkei nicht ganz scharf. Deutschland liefert seit vergangenem Jahr Waffen an die kurdischen Peschmerga im Nordirak und hilft bei deren militärischer Ausbildung. Das türkische Vorgehen konterkariert also die deutsche Anti-IS-Strategie, weil es die Kurden insgesamt schwächt. Müsste die Bundesregierung hier nicht schärfer protestieren?

Das macht die Bundesregierung ja. Nur die Türkei, das ist bekannt, agiert auf öffentlichen Druck überhaupt nicht. Im Gegenteil. Deswegen finden Hintergrundgespräche statt. Es kommt jetzt darauf an, dass wir weiterhin zeigen, die Kurden im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Hier haben wir uns mit den Peschmerga eine Gruppierung ausgesucht, die unsere volle Unterstützung verdient. Allerdings, darauf lege ich auch großen Wert, kann man Verbindungen zwischen Peschmerga und anderen Kräften nicht ausschließen.

Aber das Ziel muss doch jetzt sein, dass wir den IS bekämpfen. Und nicht dass wir uns verzetteln und zwischen guten und schlechten Kurden unterscheiden. Jetzt kommt es darauf an, dass die Kräfte gestärkt werden, die dafür sorgen, dass der IS bekämpft wird. Das ist doch das A und O. Wir dürfen jetzt unsere Anstrengungen als Deutsche im Kampf gegen den IS nicht aufgeben.

Was bedeuten die Ereignisse in der Türkei für die deutsche Innenpolitik?

Wir haben drei Millionen Türken und einige Hunderttausend Kurden in Deutschland. Hier geht es darum, dass wir die innenpolitischen Probleme der Türkei nicht zu unseren Problemen in Deutschland machen. Deswegen müssen wir den Türken schon viel klarer deutlich machen, dass das, was sie dort tun ein Ausnutzen der NATO ist. Und das sollten wir so nicht zulassen.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Er ist zudem Vorsitzender des Reservistenverbands der Bundeswehr.

Das Interview führte Sven Pöhle