Kein Höhenflug für Airbus
11. Mai 2015Gut drei Minuten war der Airbus in der Luft, dann stürzte er ab. Vier Besatzungsmitglieder kamen am vergangenen Samstag ums Leben, zwei weitere werden derzeit mit schweren Verletzungen im Krankenhaus behandelt. Noch sind die Ursachen des Unglücks nicht bekannt. Sicher ist aber, dass die ohnehin schleppende Auslieferung des Airbus A400M durch das Unglück noch weiter stockt, da nun neue techniche Überprüfungen anstehen.
Der Absturz ist der vorläufige Höhepunkt einer Pannenserie, die seit Fertigstellung der ersten Maschinen nicht abreißt. Im Dezember 2014 wurde das erste Flugzeug an die Bundeswehr übergeben. Deren Inspekteure listeten Medienberichten zufolge rund 160 Mängel auf. Einige von ihnen machten die Inspektoren für "nennenswerte Fähigkeitseinbußen" verantwortlich. Daraufhin hatte sich die Luftwaffe bereits darauf eingestellt, dass der Konzern die Lieferfristen nicht einhalten konnte. So hieß es im März 2015 im Bericht Rüstungsangelegenheiten: "Auch beim A400M ist das verspätete Erreichen der endgültigen Einsatzfähigkeit (Full Operational Capability, FOC) entgegen dem geplanten Termin April 2010 nach derzeitigem Stand erst für das Jahr 2019 zu erwarten, da der Auftragnehmer noch signifikante Herausforderungen bei der Lösung einsatzrelevanter technischer Lösungen zu bewältigen hat."
Nicht nur in Deutschland hatte es Beanstandungen gegeben. So fand man in Großbritannien 2012 im Öl der Triebwerke Metallspäne. Auch mit den Triebwerken gab es immer wieder Probleme.
Kostenexplosion und Pannenserie
Unmittelbare Folgen hat der Absturz zunächst für die laufende Produktion. Ursprünglich hatte das Unternehmen Airbus Defence and Space geplant, in diesem Jahr insgesamt 22 Flugzeuge auszuliefern. Doch bereits vor dem Unfall wurde diese Zahl auf maximal 18 Exemplare reduziert - weiter reichten die Kapazitäten nicht. Jetzt kommt hinzu: Bevor nur eines der Flugzeuge die Produktionshallen verlässt, muss der Konzern die Ursachen für den Absturz ermitteln. Das wird vermutlich mehrere Monate in Anspruch nehmen. Erst dann dürften die abnehmenden Staaten bereit sein, die Maschinen in Empfang zu nehmen.
Das sind nicht die ersten Startschwierigkeiten des A400M: Technische Probleme und Qualitätsmängel hatten den Zeitplan immer wieder aufgehalten. Zudem stiegen die Kosten: Allein im letzten Quartal 2014 summierten sie sich auf über 550 Millionen Euro. Ursprünglich wurden für die Entwicklung des Flugzeugs rund 20 Milliarden Euro veranschlagt. Inzwischen liegen die Kosten bei knapp 27 Milliarden Euro. Den größten Teil davon trägt Airbus selbst.
Zum Erfolg verdammt
Zusammengeschlossen hatten sich zu dem Unternehmen ursprünglich neun Staaten: Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, die Türkei, Italien und Portugal. Die letzteren zwei stiegen im Laufe der Verhandlungen aber aus. Sie fürchteten die hohen Kosten des Vorzeigefliegers. Dafür schloss sich Malaysia dem Konsortium an. "Das Airbus-Projekt ist ein Beispiel für eine Reihe von Projekten, die ein einzelner Staat nicht mehr stemmen kann, und die darum von mehreren Staaten getragen werden", sagt Christian Mölling, Experte für internationale Sicherheit in der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Zwar stellt der Absturz in Sevilla einen weiteren Rückschlag dar. In Frage stellen wird er das Flugzeug aller Voraussicht nach jedoch nicht. "Das Projekt ist aber selbst für die Staatengruppe, die es trägt, so groß, dass sie auf Gedeih und Verderb auf seinen Erfolg angewiesen ist", so Mölling im Gespräch mit der DW.
Dennoch operiert Airbus hart am Rande der Wirtschaftlichkeit. Ursprünglich hatten die Mitgliedstaaten des Konsortiums 225 Transportflugzeuge bestellt. Etliche Staaten nahmen einen Teil der Aufträge zurück. So hatte etwa die Bundeswehr zunächst 73 Exemplare der Maschine in Auftrag gegeben. Aus Kostengründen reduzierte sie diese Zahl dann aber auf 40 Stück. Insgesamt verzeichnet das Unternehmen jetzt nur noch 174 Bestellungen. Diese Zahl liegt laut Konzernchef Thomas Enders hart an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Gingen die Aufträge noch weiter zurück, drohte Airbus ein Verlustgeschäft.
Militärische Erfordernisse
Der Airbus ist ein multinationales Projekt. Das spiegelt sich auch in der Produktion des Flugzeugs. Die Flügel der Maschine werden in Großbritannien produziert; der Rumpf, die Lastenrampe und das Seitenleitwerk in Deutschland; das Cockpit und das Fahrwerk in Frankreich. Die Stützwerke und die Triebwerksabdeckung schließlich aus Spanien. Dort wird das Flugzeug dann auch endmontiert.
Dass die Auslieferung jetzt voraussichtlich ein weiteres Mal verzögert wird, stellt die europäischen Streitkräfte Mölling zufolge vor zusätzliche Herausforderungen. Denn gerade im Bereich ihrer Transportkapazitäten wiesen sie erhebliche Lücken auf, so Mölling. "Die sollte der Airbus eigentlich schließen. Wenn der Airbus sich nun zusätzlich verspätet, ist das eine ausgesprochen schlechte Ausgangslage."