Kein Ende des Krieges in Sicht
15. März 2014Während die Weltöffentlichkeit gebannt auf die Entwicklung in der Ukraine blickt, rückt ein anderer Konflikt mehr und mehr in den Hintergrund der medialen Aufmerksamkeit. Seit drei Jahren tobt in Syrien ein brutaler Krieg. Etwa 140.000 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein, 2,4 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Ein Ende der Auseinandersetzungen ist nicht in Sicht.
Längst ist aus dem Volksaufstand gegen das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad ein unübersichtlicher Vielfrontenkrieg geworden. Unterschiedliche Gruppen kämpfen gegeneinander und ringen um die regionale Vorherrschaft.
Kriegsparteien der ersten Stunde
André Bank, Syrien-Experte vom German Institute of Global and Area Studies in Hamburg, sagt, dass man die Kriegsparteien zurzeit grob in vier Gruppen einteilen kann. Die erste Gruppe sind die Unterstützer von Machthaber Assad. Dazu gehören neben den regimetreuen Einheiten der syrischen Armee auch Milizen. "Das sind die sogenannten Shabiha - ehemalige kriminelle Netzwerke, die in den letzen zwei Jahren deutlich an Einfluss gewonnen haben."
Als zweite Gruppe gibt es die Freie Syrische Armee - "ein Zusammenschluss von sehr verschiedenen Milizverbänden, der sich im Juli 2011 gegründet hat. Das waren die ersten bewaffneten Einheiten, die gegen dass Assad-Regime gekämpft haben." Viele der Kämpfer seien desertierte Einheiten der regulären syrischen Armee, so Bank.
Neue Fronten
Islamistische Milizen bilden die dritte Gruppe. "Die unterscheiden sich untereinander wiederum aber auch sehr stark." Dazu gehören die ISIL - Islamischer Staat im Irak und der Levante - sowie die Nusra-Front, die als dschihadistische Milizen beide dem Netzwerk Al Kaida nahestehen. "Diese beiden Gruppen bekämpfen sich teilweise sogar gegenseitig", erklärt Bank. Anfang Februar hatte sich Al Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri deutlich von ISIL distanziert.
Die vierte Gruppe sind die kurdischen Milizen. "Hier sind die Partei PYD - der Ableger der türkisch-kurdischen PKK - und dessen Kampfverbände aktiv." Sie kontrollieren Gebiete an der Grenze zur Türkei und dem Nordirak.
In dieser unübersichtlichen Gemengelage hat die Staatengemeinschaft bislang kein Konzept entwickelt, das Blutvergießen zu stoppen. Russland und der Iran gelten als wichtigste Unterstützer von Assad, der Westen steht an der Seite der gemäßigten Kräfte der Freien Syrischen Armee. Aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten kommt Unterstützung für islamistische Oppositionelle, obwohl die saudische Regierung vor wenigen Tagen ISIL und die Nusra-Front offiziell als Terrorgruppen eingestuft und verboten hat.
Verhandlungen ohne Ergebnis
Auch die Syrien-Konferenz in der Schweiz, die im Januar und Februar dieses Jahres unter der Leitung von UN-Sondervermittler Lakhdar Brahimi stattfand, brachte kaum Fortschritte. Das Assad-Regime bezeichnete die Opposition als "Terroristen", mit denen keine gemeinsame Übergangsregierung möglich sei, die Opposition wiederum machte Assads Sturz zur Bedingung für die Bildung einer neuen Regierung. Inwieweit die Verhandelnden überhaupt Einfluss auf die Kämpfer vor Ort haben, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Trotzdem müsse man diesen Prozess fortsetzen, sagt Volker Perthes, Nahost-Experte und Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Es ist wichtig, dass es diesen Genfer Prozess gibt." Perthes schlägt vor, dass man dieses Verfahren noch ergänzt. Man könne ein Treffen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen organisieren, "die man erstmal zusammenbringt, um miteinander darüber zu reden, ob man überhaupt noch einen gemeinsamen einheitlichen Staat haben will. Und wenn ja, wie dieser Staat dann aussehen soll." Schließlich sei die Gesellschaft an einem Übergang durchaus interessiert. "Es sind die bewaffneten Kräfte, die Übergang, Kompromiss und Machtteilung nicht wollen", so Perthes.
Der Einfluss der Weltmächte
Ein solcher Übergang kann aber wohl nur gelingen, wenn die USA und Russland zu gemeinsamen Positionen finden. Bei der Zerstörung der syrischen Chemiewaffen hat der gemeinsame Druck beider Länder Assad letztendlich zum Einlenken bewegt. Doch die Umsetzung des Plans verläuft nur schleppend.
Nach Angaben der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) stellt Syrien sein Arsenal chemischer Waffen nur sehr langsam zur Vernichtung bereit. Ein Sprecher des US-Außenministeriums kritisierte, dass Syrien die vereinbarte Frist zur Vernichtung all seiner Kampfstoffe bis Ende Juni dieses Jahres so möglicherweise nicht einhalten werde.
Der Konflikt in der Ukraine und die damit verbundene Eiszeit zwischen Moskau und Washington spielt Assad nun in die Hände. "Russland wird weniger kooperativ sein und die westlichen Staaten werden weniger Interesse an einer Kooperation mit Russland haben. Ein Taktiker wie Assad wird das sehen und sich weniger gedrängt fühlen, weiterhin mit den Chemiewaffeninspekteuren zu kooperieren", glaubt Perthes.