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Kein Bayreuth ohne Eklat

Rick Fulker/ dgp24. Juli 2014

Langweilig ist es im Vorfeld der Bayreuther Festspiele nie. Diesmal dreht sich die Diskussion allerdings nicht um Rivalitäten im Wagner-Clan: Vielmehr sorgte Regisseur Frank Castorf für reichlich Aufregung.

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Bayreuth Festspielhaus
Bild: picture-alliance/dpa

Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" verglich "Ring"-Regisseur Frank Castorf die Bayreuther Festspiele mit dem einstigen Kommunistenregime in der ehemaligen DDR - unter Androhung eines Gerichtsprozesses. Auch die Wahl des Anwalts sorgte für Stirnrunzeln: Es ist Gregor Gysi, der Vorsitzende der Linksfraktion.

"Die Stürme haben sich gelegt, die Langeweile hat gesiegt", beschrieb Castorf die diesjährige Probenarbeit - der denkbar schlimmste Befund für einen Regisseur, dem künstlerische Freiheit über alles geht. Castorf hatte 2013 den "Ring der Nibelungen" inszeniert, der jetzt zur Wiederaufführung kommt. "Ich merke, dass all die Anarchie, die mein Bühnenbildner Aleksandar Denic und ich hier vergangenes Jahr reingebracht haben, nicht mehr erwünscht ist", fauchte er und beschrieb die Stimmung auf dem Grünen Hügel als ängstlich, vorsichtig und von vorauseilenden Gehorsam geprägt. Außerdem, so Castorf weiter, hätten ihn die Festivalleiter wie einen "Idioten" behandelt und seine Produktion auf das Niveau eines Stadttheaters herabgesetzt.

Harte Worte

Diese harten Worte eine Woche vor der Eröffnung der Festspiele überraschte sogar solche, die den umstrittenen Regisseur und dessen Hang zur Provokation gut kennen. Castorf, oft als "enfant terrible" der deutschen Theaterszene bezeichnet, liebt die Dekonstruktion der Klassiker. Aber abgesehen von einer allgemeinen Respektlosigkeit und von Bühnenbildern, die so unterschiedliche Orte wie die Route 66, Mount Rushmore, Ost-Berlin und die New Yorker Börse darstellten, bot Castorfs Inszenierung von Wagners "Der Ring des Nibelungen" wenig Spannung oder Neudeutung. Bei der Premiere im letzten Jahr erntete seine Produktion ein zwanzigminütiges Feuerwerk an Buhrufen.

Regisseur Frank Castorf
Fühlt sich schlecht behandelt: Regisseur Frank CastorfBild: picture-alliance/dpa

Die neuerliche Kontroverse kam auf, als man gerade dachte, dass die diesjährige Auflage ohne große Ereignisse bleiben würde. 2013 hatten die Festspiele den 200. Geburtstag ihres Gründers Richard Wagner unter anderem mit einer neuen Produktion des "Rings" gefeiert.

Aus Budgetgründen gibt es 2014 keine neuen Produktionen. Am 25. Juli beginnen die Festspiele mit dem "Tannhäuser" unter der Leitung von Regisseur Sebastian Baumgarten und Dirigent Axel Kober. Die Produktion ist schon seit ihrer Erstvorstellung 2011 unbeliebt gewesen, hat aber angeblich für dieses Jahr - ihr letztes - einen neuen Anstrich bekommen. Auf dem Programm stehen auch "Der Fliegende Holländer" unter Regie von Jan Philipp Gloger und dem Dirigat von Christian Thielemann, der "Ring" von Castorf mit dem gefeierten Dirigenten Kirill Petrenko und die äußerst beliebte "Lohengrin"-Inszenierung von Hans Neuenfels, mit Andris Nelsons am Dirigentenpult.

Martin Winkler, als Alberich
Martin Winkler, hier als Alberich, war dieses Jahr nicht eingeladen - einer der Gründe für Castorfs UnmutBild: Bayreuther Festspiele/Jörg Schulze

Bauarbeiten allerorten

Indes ist das Festspielhaus, das Richard Wagner ausdrücklich für Aufführungen seiner eigenen Werke entworfen hatte, zum Teil von einer Textilfassade bedeckt: An der Weltkulturerbestätte ist das Dach undicht und die Fassade bröckelt. Die 30 Millionen Euro teure Restauration wird hauptsächlich aus öffentlichen Geldern finanziert. Im Gegenzug sind der Bund und der Freistaat Bayern jetzt Hauptanteilseigner des Unternehmens und werden als solche größeren Einfluss auf interne Entscheidungen haben - auch was die künftige Leitung der Festspiele angeht. Bis zum heutigen Zeitpunkt standen immer Mitglieder der Wagner-Familie an der Spitze.

Nach der Festspiel-Saison 2015 wird es in Bayreuth nur noch eine anstatt zwei künstlerischer Leiterinnen geben. Anfang des Jahres hatte Eva Wagner-Pasquier (69) angekündigt, 2015 zurücktreten zu wollen, Katharina Wagner (36) aber verlängerte ihren Vertrag für weitere fünf Jahre bis 2020. Während die Geschäftsführung in den Händen Dritter liegt, wird sie das Marketing leiten und so manche Produktion inszenieren, unter anderem 2015 "Tristan und Isolde".

Eröffnung der Bayreuther Festspiele Flash-Galerie
Nicht mehr lang zu zweit: die Festspielleiterinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-PasquierBild: AP

Im Zentrum des bayrischen Städtchens Bayreuth steht Wagners einstige Residenz: Die Villa Wahnfried ist ebenfalls eine Baustelle. Derzeit wird das Anwesen restauriert und zu einem Komplex mit Museum, Archiven und Cafeteria ausgebaut. Dieser hätte schon 2013 fertiggestellt sein sollen, doch eine Kostenexplosion und Streitigkeiten um die Pläne verzögerten die Arbeiten.

Kanzlerin? Fehlanzeige

1876 wurden die Bayreuther Festspiele unter Richard Wagners Ägide zum ersten Mal veranstaltet. 138 Jahre später gehören sie zu den führenden kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen Deutschlands. Etwas enttäuschend für Beobachter: Bundeskanzlerin Angela Merkel steht am Eröffnungstag zum ersten Mal seit Jahren nicht auf der Gästeliste. Die treue Wagnerianerin und ihr Ehemann werden allerdings im weiteren Verlauf der Festspiele in Bayreuth eintreffen, um den kompletten "Ring"-Zyklus zu sehen und zu hören. Bayrische Politiker und Stars aus dem Show-Business werden am 25. Juli auf dem roten Teppich erwartet.

Trotz der vielen Wagner-Produktionen im Jubiläumsjahr 2013 ist die Nachfrage nach Eintrittskarten auch 2014 riesig. Das Festival ist bereits Jahre im Voraus ausgebucht. Viele Wagnerianer ziehen es vor, von den Dramen hinter den Kulissen abzusehen und kommen ins Festspielhaus, um dessen einzigartige Akustik zu erleben. So resümiert der deutsche Dirigent Axel Kober, der am 25. Juli sein Bayreuth-Debüt gibt: "Bayreuth ist für jeden Wagnerkenner ein mythischer Ort."

Richard Wagner Büste
Der Meister behält die Dinge im AugeBild: picture-alliance/dpa