Keine Corona-Entwarnung von der Kanzlerin
15. April 2020Bundesregierung und Bundesländer haben sich auf ein sehr vorsichtiges Vorgehen beim Weg aus dem Corona-Lockdown geeinigt. Nur schrittweise soll es Lockerungen geben, deren Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen genau beobachtet werden sollen. "Wir haben zwar etwas erreicht", sagte Angela Merkel in Berlin, "das Gesundheitssystem konnte am Laufen gehalten werden". Doch dieser "Zwischenerfolg" sei "zerbrechlich", es gebe wenig Spielraum.
Momentan sei die sogenannte Reproduktionsrate ungefähr im Zielkorridor: Ein Infizierter steckt nur eine weitere und nicht noch mehr Personen an. Doch schon ein Wert von 1,3 würde die Krankenhäuser im Juni an ihre Belastungsgrenze bringen, zitierte Merkel Modell-Rechnungen. Ein "falsches Vorpreschen bei auch besten Absichten" sei zu riskant - es gehe schließlich jedes Mal um Menschenleben.
Unverändert gelten in Deutschland weiterhin - nun bis zum 3. Mai - die im März vereinbarten Kontaktbeschränkungen. Zwar dürfen die Bürger ihre Wohnungen verlassen, müssen aber einen Sicherheitsabstand einhalten und dürfen sich nicht in Gruppen treffen. Im ganzen Land werden diese Regeln inzwischen kontrolliert. Der Inlandstourismus bleibt verboten.
Läden dürfen öffnen - Schulen nur ein wenig
Lockerungen gibt es nun für zwei Bereiche. Zum einen für Geschäfte bis zu einer Größe von 800 Quadratmetern. Sie können wieder öffnen, müssen aber ein Hygienekonzept erarbeiten und dafür sorgen, dass es keine langen Schlangen auf den Bürgersteigen gibt. Friseurläden können ab dem 4. Mai folgen. Größere Geschäfte wie Möbelhäuser sollen noch nicht öffnen, damit nicht gleich wieder zu viele Leute in den Innenstädten unterwegs sind.
Zweitens dürfen Schüler wieder in die Schulen, die vor einem Abschluss wie zum Beispiel dem Abitur, der Mittleren Reife oder auch dem Ende der Grundschule stehen. Mehr ginge noch nicht, machte Merkel deutlich. Denn alles Weitere brauche Zeit. Über ein Pausenkonzept oder einen Schulbus-Plan sollen die Kultusminister beraten. Bis dahin bleiben die Schulen für die anderen Kinder geschlossen - so wie die Kitas auch.
Keine Masken-Pflicht
Aber nicht nur um Lockerungen ging es in dem Spitzengespräch. Sondern auch um Fragen, wie die Ausbreitung von COVID-19 eingedämmt werden kann. Ziel müsse es sein, so Merkel, dass die Gesundheitsämter wieder flächendeckend Infektionsketten verfolgen könnten, was zuletzt wegen der unkontrollierten Ausbreitung nicht immer gelang. Zu den Erfolgschancen einer Tracing-App äußerte sich Merkel vorsichtig optimistisch, favorisierte abereine EU-weite Lösung.
Eine Änderung deutet sich beim Umgang mit Atem-Masken an. Weil nun nach und nach mehr davon vorhanden seien, werden diese nun empfohlen. Vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkaufen seien sie geboten, so Merkel. Eine Masken-Pflicht gibt es aber weiterhin nicht. Das Robert-Koch-Institut, das die Bundesregierung wissenschaftlich berät, hatte zuletzt über Masken als "Add-On" gesprochen und die Schutzwirkung als eingeschränkt bezeichnet.
Die Isolation besonders gefährdeter Gruppen wird es in Deutschland wohl nicht geben. Jüngeren alle Freiheiten zu geben und Ältere ins Abseits zu stellen, sei ethisch nicht vertretbar, betonte Merkel.
Deutschland fährt auf Sicht
Im Zwei-Wochen-Rhythmus will Merkel mit den Ministerpräsidenten beraten. Das nächste Mal am 30. April. Bleibt das Infektionsgeschehen im Rahmen, sollen weitere Lockerungen besprochen werden. Einen genauen Fahrplan aus dem Lockdown gibt es jedoch nicht. Ob Restaurants bald wieder öffnen können, bleibt ungewiss. Unverblümt sagte Merkel, das sei jetzt noch nicht dran.
Ebenso dürfen Gottesdienste weiterhin nicht stattfinden; auch hier brauche es noch Vorbereitungen. Konzerthäuser und Museen bleiben geschlossen. Großveranstaltungen bleiben bis Ende August verboten - immerhin hier gab es ein Datum. Über die Bundesliga sei noch nicht gesprochen worden, hieß es.
Bund und Ländern wollen weiterhin gemeinsam vorangehen. Einen Flickenteppich soll es nicht geben. Zwar gebe es für die Länder immer einen Spielraum, machte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder klar, aber der Föderalismus habe sich bewährt und so soll es weiter gehen. Eher zentralistische Staaten könnten zwar oft schneller Entscheidungen treffen. Dann sei es aber schwieriger, diese auch in der Fläche umzusetzen. Die Bundesländer garantierten eine bessere Umsetzung vor Ort. Das sei auch beim Gesundheitssystem so. Insgesamt sei Deutschland auch deshalb im internationalen Vergleich bislang besser durch die Krise gekommen als andere Länder.
Die Kontrollen an Grenzen zu den meisten Nachbarländern bleiben bis zum 4. Mai, hieß es schon vor dem Treffen aus dem Bundesinnenministerium. Sie waren vor einem Monat beschlossen worden. Die Einreise nach Deutschland bleibt weiterhin erschwert. Ausgenommen sind zum Beispiel Erntehelfer.