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Kanzleramt genehmigte Datenweitergabe

Marcel Fürstenau4. Dezember 2014

Der BND ließ sich die umstrittene Kooperation mit der NSA von höchster Stelle genehmigen - sagt ein Zeuge im parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die Kritik am Auslandsgeheimdienst findet er "ehrenrührig".

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Das Bundeskanzleramt im Dämmerlicht. Hier soll die Kooperation zwischen BND und NSA abgesegnet worden sein. (Foto: Picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Rohdaten, Metadaten, Sachdaten - diese Begriffe schwirren seit Monaten durch den Raum, wenn sich die Abgeordneten des NSA-Untersuchungsausschusses treffen. Auch am Donnerstag ist das so, als in öffentlicher Sitzung der Zeuge S.L. befragt wird. Hinter den Initialen verbirgt sich der ehemalige Leiter des Projekts "Eikonal". Das Codewort steht für einen höchst umstrittenen Austausch von Telekommunikationsdaten zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-amerikanischen National Security Agency (NSA). Dabei sollen von 2004 bis 2008 laut Medienberichten über einen Kommunikationsknotenpunkt in Frankfurt am Main millionenfach Daten abgeschöpft und an die Amerikaner geliefert worden sein.

Angeblich befanden sich unter den weitergeleiteten Informationen auch Daten von deutschen Staatsbürgern. Sollte dieser Vorwurf richtig sein, hätte der BND wissentlich gegen geltendes Recht verstoßen. Ob das der Fall war, versucht der NSA-Untersuchungsausschuss durch mühevolles Aktenstudium und die oft langatmige Befragung zahlreicher Zeugen herauszubekommen. Nennenswerte Fortschritte sind dabei auch für regelmäßige Beobachter des technisch und politisch höchst komplexen Themas nur noch schwer zu erkennen. Das liegt vor allem daran, dass spannende Fragen im öffentlichen Teil der Sitzung meistens unbeantwortet bleiben.

Welcher Netzbetreiber ermöglichte "Eikonal"?

Die Geheimnistuerei mutet mitunter grotesk an. Etwa dann, wenn es um die Frage nach dem Betreiber des Frankfurter Knotenpunkts geht. Dass es die Deutsche Telekom war, lässt schon die Zeugenladung ihres ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke vermuten. In dessen Amtszeit fiel der Startschuss des "Eikonal"-Projekts. Und da die Telekom hierzulande der größte Netzbetreiber ist, läuft natürlich auch der meiste Verkehr über diesen Anbieter. Noch ein Grund für Geheimdienste, mit Hilfe der Telekom massenhaft Kommunikationsdaten abzuschöpfen. Zeuge S.L. sprach trotzdem nur vom "Netzbetreiber".

Der Anhörungssaal des parlamentarischen NSA-Untersuchungsausschusses. (Foto: Picture-alliance/dpa)
Dicke Luft im Europa-Saal des Paul Löbe-Hauses, in dem NSA-Untersuchungsausschuss meistens öffentlich tagtBild: picture-alliance/dpa/Hannibal

Das ungenannte Unternehmen war aber nach Darstellung des BND-Mannes nicht ohne Weiteres bereit, seine Telefon- und Internetleitungen anzapfen zu lassen. Die Skrupel verflüchtigten sich demnach erst, als es eine Bestätigung für die behauptete Rechtmäßigkeit der Maßnahme gab. Seines Wissens nach gab das Kanzleramt unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) grünes Licht. Diese Vermutung klingt schon deshalb plausibel, weil dort die Aktivitäten der deutschen Geheimdienste koordiniert werden. Auch das sogenannte Auftragsprofil für den BND wird im Kanzleramt erstellt.

Ex-Telekom-Chef bestreitet Kenntnisse

Der ehemalige Telekom-Chef bestritt bei seiner Befragung am Abend jegliche Kenntnisse über einen Vertrag mit dem BND oder einen Brief aus dem Kanzleramt. Er habe zwar den damaligen BND-Präsidenten August Hanning getroffen, doch das sei ein reines, ihm lästiges Kennlerntreffen gewesen. Der Linke-Abgeordnete André Hahn (Linke) wies Ricke darauf hin, dass es in Akten, die dem Ausschuss zur Verfügung stehen, einen entsprechenden Brief aus dem Kanzleramt gebe, in dem Ricke persönlich benannt sei. Ausschussmitglieder konfrontierten Ricke mit Unterlagen aus der Zeit. Ricke betonte, diese könnten direkt an untergeordnete Abteilungen gegangen sein.

Schon bei der Vernehmung des einstigen "Eikonal"-Chefs hatte Hahn gemeinsam mit Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) für Belebung gesorgt. Von Notz sagte, er fühle sich von S.L. "in die Irre" geleitet, Hahn warf ihm sogar vor, "nicht die Wahrheit zu sagen". Von den Vorhaltungen der Oppositionspolitiker fühlte sich nicht nur der Zeuge angegriffen, auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen schritten ein. Um die Wogen zu glätten, unterbrach der Ausschuss-Vorsitzende Patrick Sensburg die Sitzung. Als man nach einer Stunde weitermachte, blieb die Stimmung gereizt. Einzige neue Erkenntnis bis dahin war die Andeutung von S.L., dass der BND wohl von mindestens einem weiteren Telekommunikationsanbieter
Daten bekam.

Zu Beginn fallen die Reizwörter "Stasi" und "Gestapo"

Bevor die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses die Zeugenbefragung in einem anderen Gebäude hinter verschlossenen Türen fortsetzten, gaben sie für die wenigen verbliebenen Journalisten Statements ab. Dabei monierte Martina Renner (Linke) den "unglücklichen Einstieg" des Zeugen S.L. in seine Befragung. Der "Eikonal"-Projektleiter hatte sich am Vormittag nämlich gegen Presseberichte verwahrt, in denen der BND "in die Nähe der Stasi oder Gestapo" gerückt werde. Vielleicht war das der Grund für die gereizte Stimmung.