Kandinskys Bühnenbilder zurück in Dessau
28. Februar 2016Die "Bilder einer Ausstellung" sind eigentlich ein Klavierzyklus des russischen Komponisten Modest Mussorgsky. Für Wassily Kandinsky diente der Zyklus als musikalische Vorlage für sein erstes und einziges Theaterprojekt, das 1928 am Theater in Dessau uraufgeführt wurde. Die Bühnenentwürfe für diese szenische Aufführung sind zum 150. Geburtstag des Malers vorübergehend an den Ort ihrer Entstehung zurückgekehrt: in sein damaliges Wohnhaus in Dessau.
Wassily Kandinsky und das Gesamtkunstwerk
Wassily Kandinsky wollte ein "synthetisches Gesamtkunstwerk" schaffen. Das bedeutete für ihn, dass man Farben in Klänge umwandelt oder bei bestimmen Klängen ganz eigene Farben vor Augen hat. Als Idee schwebte dem Maler ein multimediales Kunstwerk aus Klang, Farbe und Bewegung vor.
"Von den Bühnenentwürfen existieren weltweit nur zwei Serien - eine im Centre Pompidou in Paris und eine in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln", weiß Harald Wetzel, Organisator der Ausstellung des Fördervereins "Meisterhäuser Dessau". Die Bilder aus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung sind in der Ausstellung zu sehen.
Kandinsky am Bauhaus Dessau
Wassily Kandinsky lebte und wirkte als Bauhaus-Meister für die freie Malklasse von 1925 bis 1932 in Dessau. Es waren seine produktivsten Jahre. In seinem Atelier in der Meisterhaussiedlung entstanden über 500 Gemälde und Aquarelle.
Die sogenannten "Meisterhäuser" wurden für die Lehrer am Bauhause vom berühmten Architekten und Bauhausdirektor Walter Gropius entworfen. 1926 musste die Künstlerbewegung von Weimar nach Dessau ziehen und errichtete dort in nur anderthalb Jahren ein Hochschulgebäude und die Meisterhäuser. Mittlerweile sind die vier Häuser in ihrer ursprünglichen Architektur mit der entsprechenden Farbgestaltung restauriert. Der Förderverein "Meisterhäuser Dessau" pflegt und bewahrt dieses einmalige Architekturensemble.
Bis auf die farbliche Gestaltung sind die Räume im Kandinsky-Haus normalerweise leer. Kandinskys bevorzugte Farben an Decken, Wänden und Türen sind hell-saftig grün, weiß, karminrot, schwarz und ockergelb. Es sind Farben, die Wassily Kandinsky auch für seine Bühnenentwürfe verwendete. Die eigene Farbskala und die geometrischen Formen sind ein typisches Wiedererkennungsmerkmal in der Kunst und Architektur des Bauhaus.
Mussorgskys musikalische Vorlage für die "Bilder einer Ausstellung"
Modest Mussorgsky hatte im Frühjahr 1874 eine Retrospektive des Malers und Architekten Viktor Hartmann gesehen. Es waren Bilder, in denen Hartmann die Eindrücke einer Europareise festgehalten hatte, darunter das große Tor von Kiew, ein italienisches Schloss oder die Katakomben von Paris. Zur Erinnerung an den verstorbenen Malerfreund schuf Mussorgsky seinen Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung". Welche Bilder Mussorgsky tatsächlich inspiriert haben, weiß man allerdings nicht genau.
Wassily Kandinsky war jedenfalls fasziniert von der Musik und begann, seine Klang-Eindrücke wiederum in eigenen Bildern auszudrücken. "Kandinskys Aufgabe bestand darin, die Musik wieder zurück in Bilder umzusetzen", sagt Harald Wetzel. "Dabei wollte er die ursprünglich gegenständlichen Bilder in abstrakte Bilder umwandeln".
Für die szenische Aufführung der "Bilder einer Ausstellung" sollten die verschiedenen geometrischen Elemente auf die Bühne geschoben oder heruntergelassen werden. "Die ausgestellten Bilder zeigen nur einen kurzen Eindruck der Bühnenaufführung", erläutert Harald Wetzel, "denn die einzelnen Elemente waren ständig in Bewegung". Während das Orchester spielte, entstanden auf der Bühne taktgenau Bilder zur Musik.
Kandiskys "Bilder einer Ausstellung" gehen um die Welt
Dessau blieb lange der einzige Aufführungsort für Kandinskys Bühnenwerk, auch wenn ursprünglich noch eine Aufführung in den USA geplant war. Erst bei den Berliner Festwochen 1983 wurde das Werk von Studenten der Hochschule der Künste rekonstruiert - anhand eines Regiebuches und der Entwürfe aus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Kölner Universität.
Seitdem sind viele verschiedene Fassungen von Kandinskys szenischer Aufführung entstanden - auch multimediale Varianten mit Videoinszenierungen. Letztere werden in den Konzertsälen und Museen der Welt - von New York bis Hongkong - immer wieder aufgeführt. Die Originalentwürfe der Bühnenbilder sind noch bis zum 22. Mai 2016 in Dessau zu sehen.