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Kampf gegen Prostitution

Christian Ignatzi2. Dezember 2013

Union und SPD haben für den Fall ihrer Regierungsübernahme Änderungen im Prostitutionsgesetz angekündigt. Frauenrechtler gehen weiter und fordern ein Verbot der Prostitution. Frankreich will künftig Freier bestrafen.

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Eine Prostituierte steht beim Sihlquai am Strassenstrich und wartet auf Freier. (Foto: imago/EQ Images)
Bild: imago/EQ Images

15 Milliarden Euro jährlich - so viel Geld setzen Prostituierte nach Angaben des Statistischen Bundesamts jährlich in Deutschland um. Eine offenbar blühende Branche, obwohl es keine verlässlichen Zahlen darüber gibt, wie viele Prostituierte insgesamt in Deutschland arbeiten. Schätzungen gehen von 400.000 aus. Die soziale und rechtliche Lage der Prostituierten in Deutschland zu verbessern, war die Absicht der rot-grünen Bundesregierung, als sie 2002 das sogenannte Prostitutionsgesetz auf den Weg brachte. Seitdem ist Prostitution in Deutschland als legales Gewerbe anerkannt: Prostituierte haben Zugang zur Sozialversicherung und können klagen, wenn ein Freier nicht zahlt.

Kritiker bemängeln allerdings, dass kaum jemand aus der Sexbranche die Möglichkeit, die Tätigkeit offiziell anzumelden, nutzt. Nur 44 sozialversicherte Sexarbeiter gibt es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit derzeit in Deutschland. "Das Problem ist, dass das Gesetz Zuhälter begünstigt", sagte der Augsburger Polizeibeamte Helmut Sporer, der seit 20 Jahren im Rotlichtmilieu arbeitet, in einer Talkshow im Ersten Deutschen Fernsehen.

Dem Zuhälter ausgeliefert

Paragraf drei des Prostitutionsgesetzes, der auch das Sozialversicherungsrecht enthält, erlaubt Bordellchefs nämlich ein "eingeschränktes Weisungsrecht" gegenüber den oft nur zum Schein selbstständig tätigen Prostituierten. Das sei ein Verstoß gegen die Menschenwürde und liefere vor allem Sexarbeiterinnen, die ihre Rechte nicht kennen, Zuhältern aus, meint Helmut Sporer. Betroffen seien vor allem junge Frauen und Mädchen aus Osteuropa, die sich in Deutschland gegen ihren Willen prostituieren müssten. Auch die deutsche Frauenzeitschrift "Emma" kritisiert die momentane Gesetzesregelung: Deutschland toleriere, ja fördere diese moderne "Sklaverei". Deshalb fordert die Herausgeberin Alice Schwarzer, das Prostitutionsgesetz dringend zu überarbeiten. "Unsere Ziele sind Schutz und Ausstiegsmöglichkeiten für Frauen und Verfolgungsmöglichkeiten bei Menschen, die sie ausnutzen", sagte sie im Ersten Deutschen Fernsehen.

Alice Schwarzer (Foto: dapd)
Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer fordert die Abschaffung der ProstitutionBild: dapd

Der Koalitionsvertrag, den die konservative Union und die sozialdemokratische SPD als Grundlage einer möglichen Zusammenarbeit in der künftigen Bundesregierung ausgehandelt haben, sieht tatsächlich Änderungen vor. Vor allem bei den Punkten, die sich mit Zwangsprostitution befassen. "Wir werden nicht nur die Täter konsequenter bestrafen, die Menschen wie Waren verkaufen und sie zur Prostitution zwingen. Auch gegen diejenigen, die die Zwangslage dieser Opfer ausnutzen, werden wir vorgehen", sagt Erika Steinbach, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Frankreich will Freier bestrafen

Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag, die künftige Regierung wolle das Prostitutionsgesetz im Hinblick auf die Regulierung der Prostitution umfassend überarbeiten und ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten gesetzlich verbessern. Opfer von Zwangsprostitution, die sich oft illegal in Deutschland aufhalten, sollen ein verbessertes Aufenthaltsrecht bekommen, wenn sie in Strafverfahren aussagen. Auch ohne eine Aussage des Opfers soll es künftig möglich sein, Täter zu verurteilen.

In Frankreich geht es der Regierung dagegen nicht nur um Zwangsprostitution. Schon seit Jahrzehnten sind dort Zuhälterei und Bordelle verboten. Nun sollen Freier, die sich erwischen lassen, 1500 Euro zahlen müssen. Wiederholungstäter müssten mit 3750 Euro noch tiefer in die Tasche greifen. Explizit verboten wird die Prostitution dadurch zwar nicht, den Frauen, die durch Sex ihren Lebensunterhalt verdienen, wird de facto aber die Kundschaft geraubt, sagen Kritiker. Das Thema spaltet die französische Gesellschaft. Während feministische Organisationen schon vor Wochen Kampagnen für die Einführung des Gesetzes gefordert hatten, hatten Prostituiertenverbände protestiert und Freier eine Unterschriftenaktion gegen die Regierungspläne gestartet.

Eine Prostituierte protestiert in Paris gegen die Gesetzespläne der französischen Regierung (Foto: Reuters)
In Frankreich formieren sich auch Gruppen gegen die GesetzesreformBild: Reuters

Mehr Vergewaltigungen in Schweden

Als Beispiel für die geplante Neuregelung gilt den Franzosen Schweden, wo Freier seit 1999 bestraft werden. Gleichzeitig legalisierte die Regierung aber die Prostitution an sich. Das heißt: Frauen dürfen zwar ihre Körper verkaufen, Freier dürfen diese Leistungen aber nicht in Anspruch nehmen. Das Stadtbild der schwedischen Hauptstadt hat sich dadurch verändert: Wo früher noch 80 Sexarbeiterinnen um Freier geworben hätten, ständen heute weniger als 20, teilte die Stockholmer Polizei der "Wiener Zeitung" mit. Das Gesetz habe zudem dafür gesorgt, dass es in Europa kaum ein Land gebe, das weniger Probleme mit Menschenhandel hat als Schweden.

Irmingard Schewe-Gerigk glaubt dennoch nicht, dass das schwedische System den Prostituierten entgegenkommt. Die Vorstandsvorsitzende der Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" hat 2002 als Grünen-Bundestagsabgeordnete das Prostitutionsgesetz mit auf den Weg gebracht. "Dass die schwedische Regierung die Augen verschließt, heißt nicht, dass es dort keine Prostitution gibt", sagte sie im Ersten Deutschen Fernsehen. Stattdessen hätten sich für schwedische Prostituierte vor allem die Verhandlungsbedingungen verschlechtert, da sie nicht mehr auf offener Straße gesehen werden dürften. Zudem seien sie ihren wenigen verbliebenen Freiern stärker ausgeliefert. Das bestätigte eine schwedische Krankenschwester dem "Spiegel". Die Fälle von Misshandlung und Vergewaltigung an Prostituierten in Schweden hätten seit 1999 immer weiter zugenommen.