Wie kann man es regnen lassen?
28. August 2022In vielen Teilen der Nordhalbkugel neigt sich ein extrem trockener und heißer Sommer mit ungewöhnlich vielen Waldbränden dem Ende entgegen. Vielerorts herrscht weiterhin Wasserknappheit; Ernteausfälle sind kaum noch abzuwenden. Ergiebigen Regen hat es in vielen Regionen seit Monaten nicht gegeben. Wo könnte also mehr Wasser herkommen? Ein Vorschlag: das sogenannte Cloud Seeding, auf Deutsch "Wolkenimpfen". Doch das Verfahren, das Wolken zum Abregnen bringt, ist umstritten.
China würde es gerne regnen lassen
In China wurden Regionalregierungen aufgerufen, es in bestimmten Landesteilen regnen zu lassen. In der Provinz Sezuan übersteigen die Temperaturen seit zwei Monaten regelmäßig 40 Grad Celsius; es ist die längste Hitzeperiode, die in China je dokumentiert wurde. Der Pegel des Jangtse, Asiens längster und Chinas wasserreichster Fluss, ist an manchen Stellen so niedrig wie zuletzt vor eineinhalb Jahrhunderten. Nicht nur Feldfrüchte und Vieh, auch Menschen in ländlichen Gebieten sind durch die Wasserknappheit bedroht.
Damit man es regnen lassen kann, benötigt man allerdings erst einmal Wolken. Doch selbst die sind in den Regionen Chinas, die am dringendsten Regen brauchen, nicht ausreichend anzutreffen. Und Wolken können Menschen - bisher zumindest - nicht erschaffen.
Wie kann man Wolken zum Regnen bringen?
Die Wolkenbildung beginnt damit, dass sich Wasserdampfmoleküle in der Atmosphäre abkühlen und daraus stabile Wassertröpfchen oder -kristalle entstehen. Erst wenn eine bestimmte Menge Wassermoleküle daran haften bleibt, verbinden sich die Tropfen zu Wolken.
Wenn dann weiterhin Wasser an den Tropfen kondensiert, und zwar mehr als wieder verdunstet, werden sie früher oder später so groß und schwer, dass sie herabfallen. Ob sie als Regen, Schnee, Hagel oder in einer anderen Form auf der Erde ankommen, hängt von der Lufttemperatur und anderen Faktoren ab.
Beim Cloud Seeding werden Wolken mit bestimmten Partikeln, meist mit Salzen wie etwa Silberiodid, "geimpft". Diese beschleunigen das Kondensieren des Wasserdampfes, der dann als Niederschlag zu Boden fällt. Die Wolkenimpfung kann von Flugzeugen, Drohnen oder auch vom Boden aus erfolgen.
Wie wird Cloud Seeding eingesetzt?
Die Idee, es absichtlich regnen zu lassen, ist keineswegs neu. Die ersten Versuche, führten Forscher im General Electric Research Laboratory in den 1940er Jahren durch. Das US-Militär setzte Cloud Seeding im Vietnamkieg ein, um nach dem Monsunregen die Böden weiter aufzuweichen und so den Nachschub der gegnerischen Vietcong zu behindern.
Die sowjetische Luftwaffe impfte Wolken, die kurz nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gen Norden auf Moskau zuzogen. Die Regimeführung wertete die Aktion als Erfolg, da der radioaktive Regen nicht - wie befürchtet - über russischen Millionenstädten, sondern ländlichen Gegenden der belarussischen Sowjetrepublik mit einigen hunderttausend Einwohnern niedergingen.
China löste auf diese Weise vor den Olympischen Spielen 2008 Wolken auf, damit es während der Veranstaltung selbst trocken blieb. Die russische Regierung soll 86 Millionen Rubel (rund 1,4 Millionen Euro) für Cloud Seeding ausgegeben haben, damit zum Maifeiertag 2016 in Moskau gutes Wetter herrschte. Und so kam es dann auch.
Tatsächlich wurde die Methode aber auch bereits angewandt, um das Ausbleiben natürlichen Niederschlags auszugleichen. Größere Wolkenimpfungen gab es in den vergangenen Jahren beispielsweise in den Bundesstaaten Idaho und Wyoming. Unter anderem ließ es Idaho Power im Winter schneien, damit seine Wasserkraftwerke später aus dem Schmelzwasser Strom erzeugen konnten.
Was spricht gegen Cloud Seeding?
Doch das Cloud Seeding ist umstritten. Ein Grund: "Der Niederschlag, den man über einer Region fallen lässt, könnte in einer anderen fehlen", sagt David Keith, Professor für Angewandte Physik an der Universität Harvard: "Man bestielt Peter, um Paul zu bezahlen. So hat man unweigerlich Gewinner und Verlierer."
Der spanische Meteorologe José Miguel Viñas warnt, der Versuch, das Wetter zu kontrollieren, könne nach hinten losgehen und noch größere Probleme schaffen, als sie Extremwetter ohnehin mit sich bringt. Es könne auch den Fokus von anderen, besser erprobten Maßnahmen ablenken: "Wenn wir, gerade im Kontext der Erderwärmung, die Folgen von Dürren und Stürmen reduzieren wollen, sollten uns besser an die Gefahren anpassen und uns davor schützen."