Kampf gegen den Terror
28. Januar 2015Seit dem Attentat auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" ist der Kampf gegen den internationalen Terror aktueller denn je. Die Türkei als NATO-Partner spielt dabei eine wichtige Rolle. Vor allem die gemeinsamen Grenzen mit Syrien und dem Irak, Länder, in denen der "Islamische Staat" (IS) eine immer größere Bedrohung darstellt, machen eine strategische Zusammenarbeit mit der Türkei unabdingbar.
Doch in der türkischen Öffentlichkeit wird Kritik laut, dass sich der Westen von der Türkei abwende. "Warum wird die Türkei ins Abseits gedrängt?" titelte die Zeitung Today's Zaman. Ähnlich schrieb die Zeitung Hürriyet kürzlich: "Die Türkei sollte nicht vom Anti-Terrorismus-Bündnis ausgeschlossen werden."
Die Türkei außen vor?
International wurde die türkische Regierung immer wieder kritisiert, nicht entschlossen genug gegen den Islamischen Staat und andere Terroristen vorzugehen, die die Türkei als Transitland nutzen. Bei seinem Deutschlandbesuch vor zwei Wochen argumentierte der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu mit Fakten gegen die Vorwürfe. Die Türkei habe rund 7000 ausländische Kämpfer auf der schwarzen Liste, die mit dem Terrorismus in Syrien und dem Irak in Verbindung stünden, so Davutoglu. "2000 davon sind bereits in ihre Heimatländer abgeschoben worden. Diese Kooperation wird fortgesetzt", versicherte der türkische Premier.Die Türkei habe zudem rechtzeitig Informationen zu der vermeintlichen Komplizin der Paris-Attentäter, Hayat Boumedienne, an den französischen Geheimdienst weitergegeben, sagte Davutoglu. "Noch bevor Frankreich um die Informationen bat", betonte er.
"Es ist ein Widerspruch", schreibt Murat Yetkin in seiner Kolumne für die Hürriyet Daily News, eine englische Ausgabe der türkischen Hürriyet. Anfang Januar trafen sich Vertreter von 11 Ländern in Paris um die Sicherheitsrisiken zu besprechen, die seit dem Attentat auf Charlie Hebdo eskalierten, so Yetkin. "Aber die Türkei wurde nicht zu dem Treffen eingeladen", schreibt er. Yetkin verweist auf zwei weitere Anti-Terrorismus-Konferenzen. "Am 12. Februar in Brüssel und am 18. Februar in Washington - und die Türkei hat immer noch keine Einladung zu den Konferenzen erhalten", kritisiert der Kolumnist.
Fehlendes Vertrauen in die türkische Regierung?
"Es ist noch etwas zu früh zu behaupten, dass die Türkei von Anti-Terror-Konferenzen ausgeschlossen werde", so Fethi Acikel, Politologe an der Ankara Universität. Offensichtlich sei jedoch, dass es einen Vertrauensverlust in türkische Behörden gebe, so Acikel im DW-Gespräch. "Das hat seinen Grund. Es gab bereits Anzeichen dafür, dass die türkische Regierung nicht genügend Anstrengungen unternimmt, mit der EU und anderen westlichen Staaten in ihrem Kampf gegen islamistische Terrororganisationen zu kooperieren", so der Politologe.
Als Beispiel nennt er die Beziehung zwischen der Regierungspartei AKP und der Al-Nusra-Front, eine terroristische Organisation in Syrien, die der Al-Kaida angehört. "Kämpfer der Al-Nusra-Front und ihre Führung wurden in verschiedenen türkischen Provinzen trainiert. Es wurde ihnen logistische Unterstützung in Krankhäusern und anderen Orten geboten, um gegen das Assad-Regime in Syrien zu kämpfen", so der Politologe.
Auch Kämpfer des Islamischen Staates nutzen die Türkei als eine Art "sicheren Hafen", bevor sie nach Syrien oder in den Irak reisen, um gegen das Assad-Regime zu kämpfen, so Acikel. Alle diese Verbindungen seien Gründe dafür, warum westliche Staaten bei der Zusammenarbeit mit der AKP Bedenken haben. "Die Unwilligkeit der türkischen Behörden, bestimmte Terroristen aufzuhalten, alarmierte die westlichen Staaten offensichtlich", sagt der Politologe.
"Nicht mehr sicher"
Dass die türkische Regierung Beziehungen zu Al-Kaida-Netzwerken pflege, sei nie von offizieller Seite bestätigt worden - weder von den USA, noch von anderen Staaten, so Mensur Akgün, Direktor des Global Political Trends Center an der Istanbul Kültür Universität. "Alle westlichen Staaten sind mit ihren Geheimdiensten in der Türkei tätig. Es gibt also Koordinationszellen dieser Länder in der Türkei", so Akgün im DW-Gespräch. Zudem kritisiert der Politikwissenschaftler die Erwartungshaltung der westlichen Staaten. "Es gibt einen triftigen Grund, warum die Türkei den Islamischen Staat in Syrien oder im Irak nicht bekämpft. Nicht weil sie mit ihm sympathisiert, sondern weil die Türkei mit diesen Ländern und damit mit den dortigen terroristischen Organisation angrenzt. Es sind Nachbarländer. Diese Terroristen militärisch zu konfrontieren, wäre eine Einladung für Terrorismus in der Türkei selbst. In der Türkei wäre man dann nicht mehr sicher", so Akgün.
Die Türkei sei durchaus bereit, sich mit dem "Islamischen Staat" mehr auseinanderzusetzen. "Aber es muss eine ausführliche Strategie der Westens her. Wie soll denn die Türkei ohne Strategie einfach in den Irak und in Syrien einmarschieren? Das bedeutet nicht, dass die Türkei nichts tut. Die türkische Regierung gewährt Training und sichere Grenzüberquerungen für Iraker, für Paschmerga-Kämpfer und für die syrische Opposition, die in Kobane kämpfen", sagt Akgün.
Ein Grund warum sich die westlichen Staaten von einer engeren Zusammenarbeit mit der Türkei im Kampf gegen den Terror distanzieren, sei unter anderem, dass sich der Westen davor drücke mit der Türkei zu verhandeln.
"All diese Diskussionen und Verhandlungen mit der Türkei gehen einher mit der Hoffnung auf eine EU-Mitgliedschaft. Das ist das letzte, was viele EU-Staaten derzeit wollen. Daher scheint es einfacher, sich von der Türkei zu distanzieren. Aber wenn die EU und andere westliche Staaten denken, dass sie im Kampf gegen den Terror ohne die Türkei besser dran sind, dann nur zu", so Akgün. "Ich an ihrer Stelle würde mir das gut überlegen. Ich würde sicherlich mit der Türkei im Kampf gegen den internationalen Terror näher kooperieren. Sie ist strategisch zu wichtig."