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Kampf gegen Boko Haram: Neue Militärführung, neuer Schwung?

Theresa Krinninger14. Juli 2015

Nigerias Militär verliert im Kampf gegen Boko Haram zusehends an Terrain. Präsident Buhari zieht jetzt Konsequenzen und ersetzt seine Militär- und Sicherheitschefs. Experten überrascht das nicht.

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Nigeria Poster von Präsident Mohammadu Buhari vor Militär. AFP PHOTO/PIUS UTOMI EKPEI
Bild: Getty Images/AFP/P. Utomi Ekpei

Mehr als 250 Tote in den vergangenen zwei Wochen und weitere 13.000 in den letzten sechs Jahren. Zudem sind mindestens 1.5 Millionen Menschen auf der Flucht, seitdem Boko Haram im Norden Nigerias wütet. Eine bittere Bilanz für den neuen nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari, der seit weniger als sieben Wochen im Amt ist. Während seines Wahlkampfs ließ er noch verheißungsvoll verkünden, er werde hart gegen Boko Haram vorgehen. Bisher jedoch konnte er sein Wahlversprechen nicht einlösen, dafür häufen sich die Anschläge der Terrormiliz, mittlerweile auch in den Nachbarstaaten Tschad und Niger sowie kürzlich in Kamerun. Dort starben am Sonntag 14 Menschen bei einem Selbstmordattentat in der Grenzstadt Fotokol.

Dass die Gewalttaten kein Ende nehmen, liege aber weniger an der Inkompetenz der neuen Regierung als an den maroden Strukturen aus der Amtszeit von Buharis Vorgänger Goodluck Jonahtan, sagt der Nigeria-Experte und Journalist Heinrich Bergstresser. "Die bisherige Militärführung, die über keinerlei Strategie zum Umgang mit Boko Haram verfügte - die Politik im Übrigen auch nicht - war natürlich darauf vorbereitet, dass sie bei einem Regierungswechsel nicht im Amt bleiben kann." Seit Buharis Amtsantritt sei die Militärführung nur noch in Wartestellung auf den Ruhestand gewesen und dadurch handlungsunfähig, was Boko Haram ausgenutzt habe, so Bergestresser. Dem wolle Buhari nun entgegenwirken, indem er die Streitkräfte komplett neu organisiert.

Nigeria Selbstmordanschlag in Zabarmari. Mohammed Abba / Anadolu Agency
Spuren eines Boko-Haram-Anschlags in MadiguriBild: picture alliance/AA/M. Abba

Später Zug - neue Hoffnung

Aber der Personalwechsel komme recht spät: "Buhari hat sich relativ viel Zeit gelassen, den korrumpierten und unprofessionellen Militärapparat anzugehen", so Bergstresser. Die neue Regierung sei erst einmal damit beschäftigt gewesen, den "Scherbenhaufen" zusammenzukehren und wieder richtig zusammenzusetzen. Man dürfe außerdem nicht vergessen, dass der Präsident früher ein Militärgeneral gewesen sei: Er tendiere dazu, sich selbst um alles kümmern zu wollen, anstatt Verantwortung und Aufgaben zu delegieren.

Präsident von Nigeria Muhammadu Buhari. AP Photo/Sunday Alamba, File)
Nigerias Präsident Muhammadu BuhariBild: picture-alliance/AP Photo/S. Alamba

Der ehemalige Militärgouverneur im Bundesstaat Kaunda, General Lawal Ja'afaru Isa zeigt sich zufrieden mit Buharis bisherigen Unternehmungen. Im DW-Interview betont er, dass Buhari bereits wichtige Schritte gegen die langjährige Strukturkrise eingeleitet habe: "Es wurden Entscheidungen auf lokaler Ebene getroffen sowie militärische Fragen für die weitere strategische Planung geklärt. Außerdem wurde auch die Höhe der finanziellen Mittel bestimmt und zugeordnet." Zudem habe Buhari mit den Regierungschefs und Verteidigungsministern der Länder Tschad, Niger, Kamerun und Benin über das weitere gemeinsame Vorgehen beraten.

Auch Bergstresser betont, dass es wichtig sei, neben einer internen nigerianischen Strategie, die jetzt zügig auf den Weg gebracht werden müsse, auch eine tragbare Strategie mit den drei Nachbarstaaten Tschad, Niger und Kamerun zu finden. Dies forderte auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon angesichts des jüngsten Attentats in der Grenzstadt Fotokol in Kamerun.

Kampf gegen Boko Haram Nigeria. Ngala Chimtom/dpa
Das nigerianische Militär musste Rückschläge im Kampf gegen Boko Haram hinnehmenBild: picture-alliance/dpa/Ngala Chimtom

Militärchefs auf bekanntem Terrain

Bergstresser zufolge sei es förderlich, dass der neue Militärchef Tukur Yusuf Buratai und der Sicherheitschef Babagana Monguno aus dem nordöstlichen Bundesstaat Borno stammen. "Erstens braucht es einen gewissen Vertrauensvorschuss und zweitens müssen auch Leute an der Spitze sein, die nicht nur das Vertrauen der nigerianischen Führung haben, sondern auch das Terrain besser kennen als viele andere. Ohne die Mitarbeit der Bevölkerung und der lokalen staatlichen Institutionen wird es nicht gehen", so der Nigeria-Experte. Der neue Marine- und Verteidigungschef stammt dagegen aus dem christlich geprägten Süden. Ein weiterer Schritt Buharis: Er verlegte die Kommandozentrale für den Kampf gegen die sunnitischen Fundamentalisten von der Hauptstadt in die umkämpften Gebiete im Nordosten.

Verhandlungen mit Boko Haram möglich

Nach Angaben eines Sprechers schließt Buhari Verhandlungen mit Boko Haram nicht aus. Dabei werde die Regierung aber "nicht aus einer Position der Schwäche heraus verhandeln, sondern der Stärke", so Regierungssprecher Femi Adesina. Auch Heinrich Bergstresser zufolge wird man nicht um einen Dialog herum kommen, denn es gehe nicht mehr nur um eine kleine Terrorgruppe, sondern um eine militante, immer größer werdende Bewegung. Ein Dialog sei nötig parallel zur sogenannten "hard power", die dem Staat erlaubt, Gewalt anzuwenden. Eine Aufgabe, die die vorherige Regierung versäumt habe.

Am vergangenen Mittwoch traf Buhari außerdem mit Aktivisten und Familienangehörigen der Gruppe "Bring Back Our Girls" zusammen. Die "Bring Back Our Girls"-Kampagne entstand nachdem im vergangenen Jahr Boko Haram mehr als 200 Schülerinnen aus dem nigerianischen Dorf Chibok entführt hat. Der Präsident versicherte ihnen, dass er mit Nachdruck die Schwächen des alten Systems ausmerzen werde. "Ich denke, wir stimmen überein, dass meine Regierung die Sache ernst nimmt." Dennoch bat er weiterhin um Geduld. Auch der Nigeria-Experte Bergstresser glaubt, dass Boko Haram nicht so schnell aus Nigeria vertrieben werden könne. Es bestehe aber Hoffnung, dass man sie in Zukunft durch eine verstärkte regionale Zusammenarbeit und eine stringente Strategie schwächen könne.

Buhari BBOGs. (Photo credit should read PHILIP OJISUA/AFP/Getty Images)
Buhari mit Vertretern von "Bring Back Our Girls"Bild: Getty Images/Afp/P. Ojisua

Mitarbeit: Uwais A. Idris