Energiewende auf Kalifornisch
22. Dezember 2016Palo Alto ist wahrlich nicht irgendein Ort in den USA. Die 65.000-Einwohner-Stadt südlich von San Francisco ist das Zentrum von Silicon Valley. Ganz gleich ob Google, Facebook oder Hewlett-Packard: Das Who is Who der weltweiten Internetkonzerne begann seinen Siegeszug hier. Doch Palo Alto ist weit mehr - insbesondere in Sachen Klimaschutz.
Palo Alto: Klimaschutzvorbild für Millionen
Seit über fünf Jahrzehnten setzt Palo Alto beim lokalen Klimaschutz Maßstäbe. Während andernorts Straßen verbreitert wurden, führte der Gemeinderat hier in den 60er-Jahren ein flächendeckendes Netz an Fahrradwegen ein.
Ähnlich vorbildlich geht es in der Stadt beim Wassersparen zu. So verringerte die Kommune ihren Wasserverbrauch in den vergangenen 15 Jahren um 40 Prozent, obwohl die Wirtschaft brummt und die Einwohnerzahl steigt.
Doch das ist nicht der einzige Klimaschutz-Superlativ, mit dem die Stadt punkten kann, sagt Bürgermeister Patrick Burt. "Seit 1990 konnten wir unsere Treibhausgasemissionen um mehr als 35 Prozent verringern."
Möglich wurde das, weil Palo Alto den örtlichen Energieversorger aufkaufte und dem Unternehmen klare Ausbauziele für erneuerbare Energien vorgab.
Seit vergangenem Jahr ist die Stromversorgung zu 100 Prozent auf regenerative Quellen aus Wind und Sonne umgestellt, sagt der Bürgermeister. Damit verbindet er auch eine Botschaft an weniger wohlhabende Städte.
"Wir haben den Umstieg auf Erneuerbare geschafft, zu Kosten, die mehr als 30 Prozent unter dem liegen, was der benachbarte Energieversorger mit fossilem Energiemix verlangt." Klimaschutz rechne sich - auch in den USA.
Klimaschutz - trotz oder gerade wegen Trump
Doch sind Erfolgsgeschichten wie diese in Gefahr, wenn Donald Trump in wenigen Tagen die US-Präsidentschaft antritt? Alberto Ayala gibt sich in Zeitungsinterviews kämpferisch. Der stellvertretende Direktor der Umweltbehörde California Air Resources Board (CARB) ist überzeugt: "So oder so ändert sich für uns nichts."
Kalifornien bleibe bei seinen klaren Vorgaben und Zielen, was die Absenkung der CO2-Emissionen angehe, sagt Ayala, der mit seinem Team die Manipulationen im VW-Dieselskandal aufdeckte. "Und Kalifornien ist nicht der einzige Bundesstaat, der so denkt."
Trump hatte nach seiner Wahl im November angekündigt, die US-Kohleindustrie wiederzubeleben. Zudem kündigte der Klimaschutzskeptiker an, dem Pariser Klimaschutzabkommen die Unterschrift entziehen zu wollen.
Für Kalifornien, den bevölkerungsreichsten Bundestaat der USA, stünde dabei viel auf dem Spiel. Denn hier wurde beim Klimaschutz schon sehr viel erreicht, was ein Blick auf die Zahlen zeigt.
Obwohl die Wirtschaftskraft Kaliforniens sich seit 1990 mehr als verdoppelt hat, gingen die Treibhausgasemissionen um 23,5 Prozent zurück.
Debbie Raphael, Umweltbürgermeisterin der Stadt San Francisco, macht sich keine Sorgen, dass es anders weitergeht. Klimaschutz sei lokal. "Die Städte in den USA haben das Warten auf Washington schon vor langer Zeit aufgegeben."
Leitmarkt für Solaranlagen und Elektroautos
Wie viel lokales Engagement bewegen kann, das zeigt die Entwicklung in Kalifornien überdeutlich. Der Westküstenstaat ist binnen eines Jahrzehnts zum amerikanischen Leitmarkt für Elektroautos und Solaranlagen aufgestiegen.
Über die Hälfte der eine Million in den USA installierten Solaranlagen arbeitet hier. Mehr als die Hälfte der 500.000 Elektroautos auf amerikanischen Straßen fahren in Städten wie LA, San Francisco oder San Diego.
Und Craig Lewis, Geschäftsführer des Energiewende-Lobbyverbands Clean Coalition, sagt: Das ist erst der Anfang! "Die kalifornische Elektroauto-Revolution nimmt an Fahrt auf. Der Rest wird folgen, weil er folgen muss."
Solarstrom billiger als Kohle
Palo Altos Bürgermeister glaubt, dass ähnliches auch für den Preiskampf zwischen fossiler und erneuerbarer Energie gilt. "Bei unserer letzten Vereinbarung haben wir Solarstrom für gerade einmal 3,7 Cent pro Kilowattstunde gekauft", so Burt.
Wie preiswert das ist, dass verdeutlichte eine Meldung von Bloomberg im Dezember. Die Botschaft: Strom aus Kohlekraftwerken ist inzwischen doppelt so teuer wie Strom aus Solarzellen.
Das schaffe wirtschaftliche Fakten, an denen auch ein künftiger US-Präsident Trump nicht vorbeiregieren könne, sagt Energie-Consultant Hal Harvey. "Wenn Solarenergie so günstig ist, könnte man dahinter einen kommunistischen Coup vermuten. Trotzdem wird man nicht aufhören, Solar Panels aufs Dach zu schrauben", sagt Harvey voraus.
Doch wird sich auch ein Donald Trump, der sein Kabinett mit Schlüsselfiguren der Öl- und Kohlebranche besetzt hat, an diese Gesetze der Marktwirtschaft halten?
Jigar Shah, Investor für grüne Start-up-Unternehmen und langjähriger Solarunternehmer, sieht mit Blick auf frühere US-Präsidenten Grund zu Zuversicht. "George W. Bush hat die Wind- und Solaranergie wie kein anderer US-Präsident vorangebracht." Das hätten viele Beobachter zuvor ebenfalls für unmöglich gehalten.
Nachhelfen könnte auch ein Blick auf die tatsächlichen Beschäftigungszahlen - weit über Kaliforniens Grenzen hinaus. Während in der US-Solarindustrie derzeit rund 240.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, waren es im Kohlegeschäft gerade einmal 70.000 Menschen. Eine Renaissance der Kohle würde demnach zunächst massive Jobverluste an anderer Stelle bedeuten - was Trump in Erklärungsnöte brächte.
In Palo Alto setzen sie deshalb ein Zeichen der Entschlossenheit. So bekräftigte der Stadtrat seinen Beschluss, die Treibhausgase der Kommune bis 2030 um 80 Prozent zu reduzieren. Und die Liste der Start-ups, die der Stadt helfen wollen, dieses Ziel zu erreichen, scheint nicht enden zu wollen.