Ruanda in Angst
28. August 2014Gut einen Monat ist es her, da entließ Präsident Paul Kagame sein gesamtes Kabinett. Die Neuorganisation diene einem besseren Arbeitsklima und bringe Entwicklung und Wohlstand ins Land, so Kagame. Die Kabinettsumbildung trat eine Reihe von Ereignissen los, die Menschenrechtler einmal mehr aufhorchen lassen. Der jüngste Vorfall: Am Montag (25.08.2014) wurde bekannt, dass drei hochrangige Armeeangehörige festgenommen wurden. Unter ihnen der Oberst der Sicherheitskräfte, Tom Byabagamba. Der Vorwurf: "Verbrechen gegen die Staatssicherheit".
Neu an der Entwicklung ist, dass nicht mehr nur Anhänger der Opposition ins Visier der Polizei geraten, sondern auch vermeintliche Weggefährten Kagames. "Der Rückhalt in seinen eigenen Reihen schwindet ganz enorm", sagt Gerd Hankel, Völkerrechtler am Hamburger Institut für Sozialforschung. "Kagame ist extrem umstritten. Das, was den Ruandern und dem engsten Kreis versprochen wurde, ist nicht eingetreten. Man wartet auf deutliche Fortschritte." Ansätze einer Machtteilung oder eine allgemeine Demokratisierung könnten das sein, so Hankel weiter. Doch davon scheinen der nunmehr seit 14 Jahren regierende Staatschef Kagame und sein Land weit entfernt. "Wir beobachten die Situation für Menschenrechtsaktivisten, für Oppositionelle und auch für Medien in Ruanda seit Jahren sehr kritisch", sagt Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika, einem Zusammenschluss deutscher kirchlicher Organisationen. "Es gibt in Ruanda keine freien Medien mehr. Es gibt ein staatliches Organ, das klar kontrolliert wird. Und genauso ist es auch mit Oppositionsbewegungen." Versuche, Kagame etwas entgegenzusetzen, hätten dahin geführt, dass "die Vorsitzenden der Parteien inhaftiert und zu lebenslangen Strafen verurteil wurden", so Ames im Interview mit der DW.
Menschen verschwinden spurlos
Eine ernstzunehmende Opposition ist auf die Democratic Green Party zusammengeschrumpft - und auch diese leidet unter Einschüchterungen. So gilt der Geschäftsführer der Partei, Damascene Munyeshyaka, seit Juni als vermisst. Die Regierung leugnet jegliche Form der Beteiligung. Fadhili Harerimana, Minister für Innere Sicherheit, spielt den Fall Munyeshyaka herunter. "Das sind nur Anschuldigungen, die das Ansehen der Regierung trüben sollen. Menschen verschwinden bei uns nicht einfach", sagte Harerimana gegenüber der DW. "Aber es gibt Menschen, die wegen krimineller Handlungen im Gefängnis sitzen. Und während sie in Untersuchungshaft sind, behaupten offenbar einige Angehörige, sie seien verschwunden."
Das sieht die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch anders. Sie beklagte jüngst in einem Bericht, "Dutzende Ruander würden seit März diesen Jahres vermisst" und beschuldigte Armee und Polizei, sie würden Regimekritiker ausschalten.
Beobachter sprechen seit Jahren von Repressionen gegenüber Regimekritikern oder Versuchen der Einschüchterung. Aber der Völkerrechtler Hankel erkennt nun eine deutliche Verschärfung der Situation, angesichts der jüngsten Ereignisse. Die Feinde Kagames, so Hankel, säßen nun nicht mehr im Ausland, wie zum Beispiel die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Kongo, sondern im Umkreis von Kagame selbst. "Es gibt in der Politik eine ganze Reihe von Leuten, die mit der Politik nicht einverstanden sind, die aber keine Möglichkeit haben, das offen zu artikulieren. Also ist man darauf angewiesen, das konspirativ zu tun."
Der freundliche Blick der Diplomatie
Die internationale Diplomatie preist vor allem Ruandas ökonomischen Erfolge und dessen erfolgreichen Kampf gegen die Korruption. Doch da sei man auf einem Auge blind, meint Hankel. "Man übersieht, dass es den Ruandern insgesamt nicht besser geht. Der Reichtum konzentriert sich in den Händen einiger Weniger." Auch Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika fordert mehr Klarheit von europäischer und auch deutscher Seite. Es müsse "mehr Gespräche zwischen Ruanda und den Geberstaaten geben, gerade bezüglich der Menschenrechtssituation", so Ames. "Menschenrechte sind universal, auch Ruanda muss sich daran halten. Es ist auch eine internationale Aufgabe, Ruanda daran zu erinnern."