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Paul Kagame: Ruandas gnadenloser Versöhner

Philipp Sandner7. April 2014

Vor 20 Jahren beendeten Rebellen unter seiner Führung den Völkermord. Heute ist Paul Kagame Präsident eines rasant wachsenden Landes. Dabei sieht er sich immer noch im Krieg. Opposition lässt er nicht zu.

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Ruandas Präsident Paul Kagame
Bild: picture-alliance/dpa

Die Wirtschaft in Ruandas Hauptstadt Kigali floriert. Großbaustellen überall im Stadtzentrum demonstrieren weithin hör- und sichtbar die Dynamik des kleinen afrikanischen Landes, das noch vor zwanzig Jahren Schauplatz eines grausamen Völkermords war. Gleichzeitig herrscht Ordnung: Nirgendwo liegt Müll herum. Kein Dreck oder Plastik weht durch die Straßen. Kunststofftüten etwa sind verboten im Reich von Präsident Paul Kagame.

Kagame ist der Architekt von Ruandas beindruckendem Aufschwung und ein - zumindest in seinen ersten Regierungsjahren - gern gesehener Partner westlicher Geberländer. Ein "Mann der Tat" ganz nach dem Geschmack etwa des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush. "Ich schätze sein Engagement für Bildung und sein Verständnis, dass der beste Weg für Entwicklung ist, Privatanleger willkommen zu heißen", sagte Bush einmal. Und Deutschlands ehemaliger Präsident Horst Köhler lobte Kagames Streben nach technischem Fortschritt. "Das sind ehrgeizige Pläne, die in die richtige Richtung weisen."

Mindestens so sehr ist auch Kagame selbst von seiner eigenen Politik überzeugt. "Ich sehe keinen Grund, warum ich die Wahl nicht gewinnen sollte", erklärte er etwa 2010 vor der Präsidentenwahl. Echte Gegner hatte der General, der 1994 den Völkermord beendete, ohnehin bei seiner Wiederwahl 2003 und 2010 nicht zu fürchten. Manche aussichtsreiche Kandidaten wurden gar nicht erst zu den Wahlen zugelassen. Andere kamen gar auf mysteriöse Weise ums Leben. Eine Verwicklung der Regierung ließ sich zwar nie nachweisen. Aber Kagame macht generell keinen Hehl aus seiner Einstellung zur Demokratie: "Es ist kein Geheimnis, dass Afrika viele Probleme zu lösen hat. Afrikas größtes Problem ist nicht Demokratie, sondern Armut und die Abhängigkeit, die Unterentwicklung mit sich bringt."

Anhänger von Kagames Regierungspartei - (Foto: EPA/CHARLES SHOEMAKER)
Alternativlos? Anhänger von Kagames Regierungspartei RPF 2010Bild: picture-alliance/dpa

Der Erfolg eines Exilruanders

Kagames Vision für Ruanda ist die eines Vertriebenen. Kurz bevor das Land 1962 unabhängig wurde, war er als kleiner Junge mit seiner Mutter ins Nachbarland Uganda geflohen. Als Angehörige der herrschenden Klasse der Tutsi, die in der belgischen Kolonie bevorzugt behandelt wurden, fürchteten sie die Rache der Mehrheitsbevölkerung der Hutu. Tatsächlich kam es Anfang der 1960er Jahre zu Verfolgungswellen und Gewalt gegen Tutsi. In der armen Umgebung der ugandischen Flüchtlingslager aufgewachsen, entwickelte der hagere Jugendliche einen starken Gerechtigkeitssinn und großen Ehrgeiz. Als junger Erwachsener schloss sich Kagame zunächst der Rebellion von Yoweri Museveni in Uganda an und beteiligte sich am Sturz des Diktators Milton Obote. Museveni wurde Präsident und Kagame stieg zum Chef des militärischen Geheimdienstes auf. Im Zuge der engen Zusammenarbeit Ugandas mit den USA besuchte Kagame damals auch die Militärakademie in Fort Leavenworth.

Die Zahl der ruandischen Flüchtlinge in Uganda war groß. Auch andere hatten es unter Museveni in wichtige Positionen gebracht. Gemeinsam gründeten sie die Ruandische Patriotische Front (RPF), die mit Guerillamethoden versuchte, das Regime in Ruanda zu schwächen. Dann kam der Völkermord. Eine ruandische Hutu-Elite hetzte die Bevölkerung gegen die Tutsi-Minderheit auf. Drei Monate mordeten, plünderten und vergewaltigten Soldaten und Zivilisten im Frühjahr 1994. Das war die Stunde der RPF. Von Kagame gedrillt und in Uganda professionell ausgebildet, setzte sie zum Befreiungsschlag an. Wo die internationale Gemeinschaft versagte und selbst die Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen vor Ort machtlos zuschauten, schaffte Kagame Tatsachen. Im Juli nahm die RPF Kigali ein, die Regierung floh ins damalige Zaire, die heutige Demokratische Republik Kongo.

Traditionelles Gacaca-Gericht zur Aufarbeitung der Genozid-Verbrechen in Ruanda. (Foto: http://www.flickr.com/photos)
Die Aufarbeitung der Völkermordsverbrechen zog sich über JahrzehnteBild: CC--NC-BY-elisa finocchiaro

Furcht vor Bedrohung von außen

Seitdem hat Kagame das Land fest im Griff. Zunächst hatte er das Amt des Vize-Präsidenten und Verteidigungsministers inne. Doch Beobachter sind sich einig, dass der Präsident Pasteur Bizimungu von 1994 bis 2000 nur eine Marionette war. Nach dessen Rücktritt wurde Paul Kagame selbst zum Staatschef. Mit internationaler Hilfe investierte er in Bildung und Infrastruktur. Sein Land sei eins der stabilsten in der Region, sagte er der DW 2008 - und erklärte begeistert, dass die Ruander keine 15 Jahre nach dem Völkermord wieder versöhnt seien.

Eine Angst allerdings lässt den Präsidenten bis heute nicht los: dass die Hutu-Bevölkerung im benachbarten Kongo - zum Teil ehemalige Völkermörder und deren Nachfahren - eines Tages zurückschlagen und Ruanda an sich reißen könnte. Immer wieder rechtfertigte er so die Präsenz ruandischer Soldaten im Kongo. Auch nach einem Friedensabkommen beider Länder 2002 schwelt der Konflikt weiter. "Wir haben die ruandischen Truppen aus dem Kongo abgezogen, aber der andere Teil des Problems besteht weiter: die Milizen und ehemaligen ruandischen Soldaten im Kongo", sagte Kagame 2004.

Kongo Ruanda Treffen zwischen Paul Kagame und Joseph Kabila in Pretoria. (foto: dpa)
Das Gespräch mit Kongos Staatschef Kabila erforderte oft VermittlerBild: picture-alliance/dpa

Vor allem wegen seiner Kongopolitik verschlechtert sich im Laufe der Zeit Kagames Verhältnis zu den westlichen Gebern. Dazu kommt Kritik an der Menschenrechtslage in Ruanda. 2011 setzt die deutsche Bundesregierung ihre Budgethilfe für das Land aus, allerdings nur, um die Mittel kurze Zeit später in anderer Form wieder fließen zu lassen.

"Nur eine Frage der Zeit"

Unklar bleibt, wie weit Kagames Macht heute über die Grenzen seines Landes hinausreicht. In der Tutsi-geführten Rebellenbewegung M23, die 2012 und 2013 den Ostkongo unsicher machte, lasen internationale Beobachter die Handschrift der ruandischen Regierung, auch wenn die das vehement bestritt.

Ruandas geschasster Ex-Geheimdienstchef Patrick Karegeya, den Kagame des Verrats beschuldigte, wurde am Neujahrsabend 2014 erwürgt in einem südafrikanischen Hotel aufgefunden. Die Hintergründe der Tat sind zwar bis heute ungeklärt. Doch kurz nach Bekanntwerden des Mordes sprach Kagame eine öffentliche Drohung aus, die für viele eindeutiger ist als jeder Beweis: "Man kann Ruanda nicht betrügen und denken, dass man davon kommt", sagte der Präsident, "auch die, die noch am Leben sind, werden sehen: Es ist nur eine Frage der Zeit."