Kabul und Teheran rücken zusammen
10. Dezember 2013Hamid Karsai und Hassan Rohani beschlossen am Sonntag (08.12.) in Teheran eine dauerhafte Zusammenarbeit beider Länder auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene sowie ein Sicherheitsabkommen. Das bilaterale Abkommen solle die Beziehung zwischen Afghanistan und Iran vertiefen, erklärte ein Sprecher des afghanischen Präsidenten nach dessen Besuch im Nachbarland. Die Unterzeichnung werde in Kürze erfolgen.
"Beide zentralasiatischen Länder haben viele gemeinsame Themen", sagt Conrad Schetter, wissenschaftlicher Direktor des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC). Eine mehr als 900 Kilometer lange Grenze verbindet beide Staaten. "Da spielt die Bekämpfung des Drogenhandels eine große Rolle", so Schetter. "Außerdem leben bis zu drei Millionen afghanische Arbeitsemigranten im Iran, auf die Afghanistan in Zukunft auch angewiesen ist."
Brüskierung der USA?
Die Zusammenarbeit der beiden Staaten dürfte jedoch von den USA mit Argwohn betrachtet werden, sagen Experten. Der afghanische Präsident hat die Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens mit den USA auf die lange Bank geschoben - bis zur Präsidentschaftswahl im nächsten April. Karsai ließ zudem US-Verteidigungsminister Chuck Hagel bei dessen unangekündigtem Besuch am Sonntag in Kabul vergeblich auf sich warten, während er sich in Teheran aufhielt.
Auch wenn Karsai mit dem Iran-Abkommen nun vorpresche, sei das kein Grund zur Aufregung, glaubt Afghanistan-Experte Schetter. Es handele sich um zwei ganz unterschiedliche Verträge. Der Freundschaftsvertrag mit dem Iran sei ein rein symbolischer Akt. "Im Sicherheitsabkommen mit den USA geht es um die künftige Immunität der US-Soldaten. Das ist eine ganz andere Sache", so Schetter. Das Dokument, das auch als Blaupause für ein ähnliches Abkommen zwischen der Nato und Afghanistan für die Zeit nach dem Abzug 2014 dienen wird, garantiert ausländischen Soldaten strafrechtliche Immunität. Danach sollen sie nicht afghanischem Recht, sondern dem Recht ihres Heimatlandes unterliegen.
Regionale Kooperation
In Afghanistan befürworten viele Politiker und Wissenschaftler den Kooperationsvertrag mit dem Nachbarland Iran. Das Abkommen könne unterschiedliche Auswirkungen haben, je nachdem, welche Beweggründe dahinter stecken, so Ahmad Zia Rafat, politischer Analyst und Dozent an der Universität Kabul. Mit Blick auf eine verstärkte regionale Kooperation könne man es als Ausdruck "normaler nachbarschaftlicher Beziehungen" beider Länder betrachten. "Diese Art der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit ist für die USA nachvollziehbar."
Allerdings sei der Zeitpunkt nicht günstig, so Rafat gegenüber der Deutschen Welle, denn die US-afghanischen Beziehungen seien "äußerst angespannt". Der Vertrag mit Iran könne aber auch als "Botschaft" an die USA betrachtet werden. "Er könnte signalisieren, dass Afghanistan die internationale Gemeinschaft nicht braucht und stattdessen auf regionale Freunde setzt", so der afghanische Politologe. "In diesem Fall ist nachzuvollziehen, dass sich die USA Sorgen machen".
Der deutsche Experte Conrad Schetter ist der Ansicht, Karsai versuche mit seiner Annäherung an Teheran, "regionale Akteure an sich zu binden", die den Amerikaner "nicht lieb"seien: "Diese Strategie führt zwar dazu, dass die Amerikaner verärgert sind, aber nicht dazu, dass Karsai das Verhältnis zu den USA überstrapaziert."
Iran reagiert gelassen
Im Iran wird das Freundschaftsabkommen mit dem Nachbarland mit großer Gelassenheit gesehen. "Die Beziehungen zwischen dem Iran und Afghanistan in Punkto Sicherheit können die US-afghanischen Beziehungen nicht ersetzen", sagt die iranische Afghanistan-Expertin Shojayi Roostayi, die im Exil in Stockholm lebt. "Im Grunde stellen Militärkräfte von NATO und der USA so etwas wie das Sicherheitsfundament in Afghanistan dar." In dieser Hinsicht spiele es also keine Rolle, wie eng oder locker die Abmachungen zwischen dem Iran und Afghanistan geschlossen werden.