Italiens Justiz ordnet Landung an
20. August 2019Ermittler und zwei Ärzte hatte der sizilianische Staatsanwalt Luigi Patronaggio an Bord der "Open Arms" geschickt, um sich ein Bild der Lage auf dem überfüllten Flüchtlingsschiff zu machen. Der Bericht war offenbar drastisch, denn die Staatsanwaltschaft ordnete umgehend an, die Menschen auf Lampedusa an Land zu bringen. Die "Open Arms" selbst solle beschlagnahmt werden, teilte die Justiz mit.
Bereits gute zwei Wochen harrten viele der insgesamt mehr als 80 Flüchtlinge an Bord des privaten Rettungsschiffes vor der italienischen Insel aus. Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte sich geweigert, die Menschen an Land gehen zu lassen, obwohl sich sechs EU-Staaten zu ihrer Aufnahme bereit erklärt hatten. Spanien hatte daraufhin an diesem Dienstag die Entsendung eines Marineschiffs angekündigt, das die Flüchtlinge nach Mallorca bringen sollte.
Verzweifelter Sprung ins Meer
Die Lage auf dem Rettungsschiff "Open Arms" war zuvor nach wochenlangem Tauziehen um das Schicksal der Migranten außer Kontrolle geraten. Erneut hatten einige Flüchtlinge versucht, die einige Hundert Meter entfernt liegende italienische Insel Lampedusa schwimmend zu erreichen. Zunächst seien neun Menschen ins Meer gesprungen, twitterte die Hilfsorganisation Proactiva Open Arms. Später folgten ihnen fünf nach. Die italienische Küstenwache rettete sie aus den Fluten. Alle seien nach Lampedusa gebracht worden, schrieb die Nichtregierungsorganisation Proactiva Open Arms.
Das Schiff ist seit fast drei Wochen auf See. Bereits am Wochenende hatten sich mehrere Migranten ins Meer gestürzt, sie waren aber von Helfern zurück aufs Schiff gebracht worden. "18 Tage in einer Eisenkiste eingesperrt, Wasser und Lebensmittel rationiert... Die Situation ähnelt der eines libyschen Lagers, aber in italienischen Hoheitsgewässern", twitterte Proactiva-Gründer Oscar Camps. Am Nachmittag wurden zwei weitere Menschen mit gesundheitlichen Problemen von Bord gebracht, wie Medien berichteten.
Spaniens Hilfsangebot
Die Regierung in Madrid hatte dem Schiff am Montag den nächstgelegenen spanischen Hafen angeboten - jedoch sah sich die NGO nicht in der Lage, in der prekären Lage an Bord noch tagelang quer über das Mittelmeer zu fahren. Italien hatte angeboten, die Migranten mit einem Schiff ihrer Küstenwache nach Spanien zu fahren.
Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles hatte den italienischen Innenminister für seine Weigerung, die Flüchtlinge auf Lampedusa an Land zu lassen, scharf kritisiert. "Das, was Salvini im Zusammenhang mit Open Arms macht, ist eine Schande für die gesamte Menschheit." Angesichts der humanitären Notlage an Bord dürfe niemand wegschauen, sagte Robles weiter. Salvini kümmere sich nicht um Menschenleben, sondern nur um seinen Wahlkampf.
Zeitweise befanden sich rund 160 Migranten an Bord der "Open Arms", jedoch waren mehrmals Menschen in prekärem Gesundheitszustand nach Italien oder Malta gebracht worden. Auch durften zuletzt 27 nicht begleitete Jugendliche in Lampedusa an Land gehen.
Der rechte Politiker Salvini, der einen extrem harten Kurs in seiner Flüchtlingspolitik fährt, hatte dem aber nur aufgrund des Drucks von Ministerpräsident Giuseppe Conte zugestimmt. Das Hilfsangebot Spaniens hatte Salvini wie folgt kommentiert: "Spanische NGO, spanisches Schiff, spanischer Hafen: richtig so. Die italienische Kohärenz und die Standhaftigkeit zahlen sich aus, wir sind nicht länger das Flüchtlingslager Europas."
ust/stu (dpa, afp, ap, rtr)