Junge Ideen in Davos
20. Januar 2015Als er in Zürich ankam, fiel Schnee. Der erste Schnee in seinem Leben. Wenn Harvy Liwanag davon erzählt, glänzen seine Augen. Jeden Tag postet er jetzt Bilder von der Schweizer Alpenkulisse mit ihren schneebedeckten Gipfeln für seine Familie und Freunde auf Facebook. Die sitzen auf den Philippinen und sind begeistert. "Jedes Bilder bekommt mindestens 100 likes", erzählt er lachend.
Dinner mit dem Generalsekretär
Liwanag ist 29 Jahre alt und auf Einladung des Weltwirtschaftsforums in Davos. Er soll die Jugend beim Treffen der mächtigen Wirtschaftsführer und Politiker vertreten. Sein Terminkalender ist schon voll. Er hat ein Dinner mit UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, ein Treffen mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten und Klimaschützer Al Gore, eine Diskussionen mit der Weltgesundheitsorganisation und vieles mehr.
Endlich sitzt er mit denen am Tisch, die er schon lange sprechen wollte. "Wir Filipinos wissen, was der Klimawandel bedeutet. Man denke nur an den Taifun Haiyan. Darüber will ich auch mit Al Gore reden", sagt er selbstbewusst, denn er sieht sich auch als Vertreter der weniger entwickelten Länder und will ihnen Gehör schaffen.
Wissen wie die Mehrheit lebt
Liwanag ist Arzt und forscht an einer der Elite-Universitäten Manilas über vernachlässigte tropische Krankheiten - Infektionskrankheiten, an denen hauptsächlich arme Menschen erkranken. "Es ist wichtig, dass hier beim Weltwirtschaftsforum auch junge Menschen sind, denn wir sprechen diese Themen an. Viele Teilnehmer hier wissen doch gar nicht wie die einfachen Menschen leben. Was es heißt, keine Toilette zu haben."
Klaus Schwab will neue Ideen
Eben war noch Klaus Schwab da und hat mit den 50 jungen Teilnehmern diskutiert. Schwab ist der Gründer des Weltwirtschaftsforums und hatte auch die Idee, die sogenannte "Global Shapers Community" ins Leben zu rufen. Ein Netzwerk von unter Dreißigjährigen, die regional arbeiten und vom in Genf ansässigen Weltwirtschaftsforum mit Kontakten und Logistik unterstützt werden. Nach nur dreieinhalb Jahren gibt es bereits über 400 sogenannte "Hubs", das sind regionale Center mit über 4000 Mitgliedern. Die Mitglieder werden vorgeschlagen und müssen zeigen, dass sie sich in ihrer Region engagieren.
"Mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung ist unter 30 Jahren alt", betont Klaus Schwab bei seinen Treffen mit den jungen Teilnehmern und macht deutlich, dass er von ihnen Impulse und neue Ideen erwartet.
Eine wichtige Stimme
Daran mangelt es nicht. Adam Lowy ist aus New Jersey gekommen. Der junge Amerikaner hat dort vor einigen Jahren seine Organisation "Move for Hunger" gegründet. Ihm war aufgefallen, dass bei Umzügen sehr viele Lebensmittel weggeworfen werden. Das ärgerte ihn, denn auch in den USA leben Menschen, die nicht genug zu essen haben. Also organisierte er mit dem Umzugsunternehmen der Eltern das Einsammeln der Lebensmittel, die dann über sogenannte "foodbanks" zentral verteilt werden. Heute ist "Move for Hunger“ eine US-weite Organisation und Lowy ein gefragter Redner.
Dass er jetzt in Davos ist, macht ihn stolz. "Wir können hier auch persönlich unheimlich viel mitnehmen", sagt er. "Wir sitzen in Diskussionen und ich habe eine Stimme, die gehört wird."
Vorbilder
Adam Lowy hofft, dass er den britischen Unternehmer Richard Branson beim Weltwirtschaftsforum trifft. Ihn bewundert er, weil der nie aufgibt und immer neue Ideen hat. Auch Adam will etwas hinterlassen. "Wenn ich mal nicht mehr bin, will ich wenigstens etwas verändert haben auf der Welt, zum Besseren", sagt er nachdenklich und wirkt für einen Moment viel älter als 29 Jahre. Für ihn und die anderen sind die Global Shaper ein wichtiges Netztwerk.
Von Venezuela nach Davos
Andres Gonzalez-Silen ist aus Venezuela nach Davos gekommen. Flug und Unterkunft zahlt das World Economic Forum, so wie bei den anderen auch. Jetzt sitzt er in einem der Tagungshotels in Davos und sinniert über die schwierige Situation in seiner Heimat. "80 Prozent unserer Bevölkerung leben doch in Slums. Wissen Sie, was das heißt? Sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung!" Gonzalez-Silen ist Arzt und hat nach dem Medizinstudium noch ein Wirtschaftsstudium drangehängt. Heute beschäftigt er über 200 Menschen in Venezuela. Er hat ein schnelles medizinisches Versorgungsnetz in Venezuela aufgebaut.
Die Ärzte beraten online oder kommen mit dem Moped zum Hausbesuch. Die Patienten können über eine Versicherung diesen Service in Anspruch nehmen. Doch Venezuela kämpft mit einer hohen Inflation. Das spürt auch Gonzalez-Silen. "Im vergangenen Jahr soll die Inflationsrate offiziell 64 Prozent betragen haben, aber alle wissen, dass es über 120 Prozent waren. Da ist es schwer ein erfolgreiches Geschäft aufzubauen."
Doch hier beim Weltwirtschaftsforum will er nach vorne schauen. Er hat Termine mit Vertretern großer lateinamerikanischer Firmen. "Wenn man neue Leute kennenlernt, dann bekommt man neue Ideen, tauscht sich aus und kommt vielleicht ein ganzes Stück weiter", sagt er, zieht sich einen Mantel an und stapft hinaus in den Davoser Schnee.