Paranoia fehl am Platz
17. Juli 2008Zwei Jahre hatte man hart gerungen, doch als das Römische Statut vor zehn Jahren endlich unterzeichnet war, da schien die Welt ein großes Stück vorangekommen zu sein: 120 Länder hatten vor zehn Jahren, am 14. Juli 1998, einen juristischen Meilenstein gelegt. Optimistisch äußerte sich damals auch der deutsche Delegationsleiter in Rom, Gerd Westdickenberg. "Von Rom sollte jetzt das Signal ausgehen, dass Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Zukunft nicht mehr ungestraft begangen werden können." Und dass die Drahtzieher der Verbrechen nicht mehr irgendwo auf der Welt untertauchen können.
Internationaler Notnagel
Der Grundgedanke der Römischen Konferenz: Jedes Land sollte nach und nach Gesetze beschließen, mit denen selbst hochrangige Politiker und Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt werden können. Oder diese Personen an ein ständiges internationales Gericht ausliefern, das einspringt, wenn die eigenen Justizapparate zu Verfahren nicht in der Lage sind.
Notnagel zu sein - darauf ist auch der Internationale Strafgerichtshof (ICC) im niederländischen Den Haag ausgelegt, der 2002 ins Leben gerufen wurde, als genügend Staaten das Rom-Statut ratifiziert hatten. "Wir sind ein Sicherungssystem und kein Supreme Court der Welt", betont Chefankläger Luis Moreno-Ocampo.
Die großen Ausnahmen
Deshalb haben mehrere Staaten Gesetze verabschiedet, dass Kriegsverbrechen bis hin zu Genozid vor heimischen Gerichten geahndet werden können. Dazu gehört auch Deutschland, das in seinem so genannten Völkerstrafgesetzbuch den juristischen Umgang mit Kriegsverbrechen regelt. Indirekt verhindert der deutsche Staat so, dass sich seine Bürger einmal vor dem Haager Strafgerichtshof wiederfinden.
Allerdings gibt es noch eine Reihe wichtiger Staaten, die dem Rom-Statut und dem Internationalen Strafgerichtshof die Unterstützung verweigern. Dazu gehören Russland, China, Indien und die USA. Präsident George W. Bush denkt bis heute nicht daran zu ratifizieren. Und er hat, was einmalig in der Rechtsgeschichte ist, die Unterschrift, die sein Vorgänger Bill Clinton geleistet hatte, zurückgezogen. "Während die USA sich bemühen, der ganzen Welt Frieden zu bringen, könnten unsere Diplomaten und Soldaten vor dieses Gericht gezogen werden. Und das bereitet mir große Sorgen", lautete die Begründung von Bush. Allerdings werde die USA versuchen, bei den Vereinten Nationen eine Lösung dafür zu finden.
Dem Beispiel Deutschlands folgen und ein eigenes Gesetz verabschieden, dass alle Kriegsverbrechen unter Strafe stellt, so etwas will Bush nicht. Stattdessen hat er das Haager Gericht von Anbeginn torpediert. So versuchte er zum Beispiel, mit einzelnen Staaten zu bilateralen Nicht-Auslieferungs-Abkommen für US-Bürger zu schließen - verbunden mit der Drohung, andernfalls werde Washington seine bisherige Militärhilfe für das Land einstellen. In zahlreichen Fällen hatte er mit dieser Strategie Erfolg.
Aktueller Schwerpunkt: Afrika
Mittlerweile ist es leise geworden zwischen den Ablehnern des Rom-Statuts in Washington und den starken Befürwortern, die vor allem in Europa sitzen. Auch weil sich der Strafgerichtshof zuerst einmal mit Fällen im Kongo, Uganda, der Zentralafrikanischen Republik und Darfur beschäftigt. Chefankläger Moreno-Ocampo sieht darin allerdings keinesfalls ein Zugeständnis an die USA: "Ich musste die schwerwiegendsten Fälle suchen. Und es zeigt sich: Die schwerwiegendsten Fälle sind in Afrika."
Der New Yorker Polit-Analyst Jeff Laurenti sieht das anders: "Das Gericht wird sich so selbst beweisen - trotz der Bush-Regierung. Und das schafft die Gelegenheit zu zeigen, dass die Paranoia wegen des Internationalen Strafgerichtshofs nicht gerechtfertigt ist."
Bei Darfur hat Washington übrigens schon einen kleinen Schritt gemacht: Als der UN-Sicherheitsrat den Fall an Den Haag verwiesen hat, hätten die USA ein Veto einlegen können - haben sie aber nicht. Sie enthielten sich der Stimme.