Journalisten in Mazedonien unter Beschuss
25. Oktober 2013Ein nicht alltäglicher Fall beschäftigt in Mazedonien derzeit viele Journalisten. Dabei geht es um Tomislav Kezarovski - ebenfalls Journalist. Er schrieb im November 2008 für die Zeitung "Reporter92" über einen Mordfall. In seinem Artikel zitierte er aus einem Vernehmungsprotokoll des angeblichen Mord-Zeugen. Das Protokoll war ihm von einem Informanten aus Polizeikreisen zugespielt worden. Um den Zeugen zu schützen, taucht dessen Name in dem Protokoll nicht auf. Für die Justiz heißt er nur "Breza". Kezarovski kannte den vollständigen Namen des angeblichen Zeugen. In seinem Artikel gab er den richtigen Vornamen an, nannte aber keinen Nachnamen und gab einen falschen Wohnort an - um ihn nicht identifiziertbar zu machen.
In dem Mordprozess wurden nun die zwei als Täter angeklagten Männer in erster Instanz zu zwölf Jahren Haft verurteilt - die Staatsanwaltschaft berief sich dabei hauptsächlich auf die Aussagen des Kronzeugen "Breza". Allerdings wurde das Urteil durch eine höhere Instanz revidiert. Aus Mangel an beweisen wurden die Verdächtigen freigesprochen, denn "Breza" zog seine Aussage zurück und erklärte, dass ihn der Geheimdienst UBK (Amt für Sicherheit und Kontraspionage) zwang, einen vorbereiteten Text als eigene Aussage darzustellen. Soweit die Vorgeschichte.
Kritische Reaktionen von allen Seiten
Im Mai 2013 wurde dann plötzlich Journalist Tomislaw Kezarovski in Anwesenheit seiner Familie verhaftet - von einer Spezialeinheit der Polizei. Er wurde angeklagt und schließlich zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Begründung: Veröffentlichung der Identität des geschützten Zeugen. Laut Kezarovski eine nur vorgeschobene Erklärung - in Wirklichkeit wollten die Staatanwaltschaft und die UBK seiner Meinung nach nur die Namen seiner Informanten bei der Polizei bekommen. Ihm sei auch gedroht worden, ansonsten "im Knast zu verenden".
Nach dem Urteil hagelte es Kritik von vielen Seiten. "Die Botschaft ist sehr beängstigend. Jeder Journalist, der in Zukunft einen Machtmissbrauch aufdeckt, wird im Gefängnis landen", sagt Naser Selmani, Vorsitzender der Vereinigung der Journalisten Mazedoniens (ZNM). Dunja Mijatovic, bei der Organisatioen für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verantwortlich für den Schutz der Medienfreiheit, zeigte sich "geschockt": "Diese übertriebene Strafe ist eine besorgniserregende Entwicklung. Hier wird die klare Botschaft der Zensur an die anderen Journalisten gesendet."
Auch der deutsche Zweig der Organisation Reporter ohne Grenzen sieht das Urteil "als einen sehr harschen, einen sehr harten Angriff auf die Pressefreiheit in Mazedonien". Geschäftsführer Christian Mihr sagt im Gespräch mit der DW: "Die harte Strafe gegen Tomislav Kezarovski ist aus unserer Sicht voll und ganz unbegründet und sie dient dazu, allzu kritische Journalisten in Mazedonien einzuschüchtern." Mazedonien wolle in die EU und ein solches Urteil sei nicht mit den Pressefreiheit-Standards der EU vereinbar, sagt Christian Mihr und verlangt von der EU, "dass sie in den Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien die Pressefreiheit zur Bedingung macht."
Bedrohte Medienfreiheit
Ganz neu ist die Kritik an dem Umgang mit Journalisten in Mazedonien nicht. Seit vier Jahren wird die Pressefreiheit immer weiter eingeschränkt. Im Jahr 2009 lag das Land auf der Rangliste der Pressefreiheit, die jedes Jahr die Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlicht, auf Platz 34. Heute belegt Mazedonien unter den 179 Ländern des Ranking nur noch Platz 116.
Grund: Die Medien in dem Land stehen unter dem Einfluss von Politik oder Oligarchen. Sie sind auf Werbeeinnahmen angewiesen. Das schafft Abhängigkeiten und führt dazu, dass Medien gehorsam werden - gerade auch gegenüber der Regierung, denn sie ist ein wichtiger Werbekunde. Gleichzeitig werden Journalisten in der Regel sehr schlecht bezahlt und dadurch leichter erpressbar. Für viele in Mazedonien ist klar, dass Journalist Tomislav Kezarovski sich nicht erpressen ließ - und er deshalb nun die Haftstrafe verbüßen muss.