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Jede Menge Kohle

Birgit Morgenrath30. November 2015

Öffentlich setzt die südafrikanische Regierung auf erneuerbare Energien. In der Praxis herrschen Konzerne, Kohle und Korruption. Dabei ist Südafrika das Land mit den höchsten CO2-Emissionen in Afrika.

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Südafrika Kohleabbau (Foto: Thomas Krehwinkel)
Bild: Eva Mahnke

Alle zehn Minuten donnert ein Kohlelaster an den winzigen Häusern vorbei. Schwarze Staubwolken legen sich über die gesamte Umgebung, selbst das Gefieder der Hühner hat der Staub grau gefärbt. Es stinkt nach Kohle. "Ich kann meinen Finger hier durchstecken", sagt Andris K. und greift durch ein Loch im Wellblechdach seiner Behausung. Das Dach ist verrottet, der Boden verschmutzt. Seit 30 Jahren lebt der alte Mann, der seinen Nachnamen nicht nennen will, im "MNS Settlement", einer informellen Siedlung direkt neben einer ehemaligen Mine. Deren verlassene Kohlehügel liegen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Seine Familie leide an ständigem Husten, erzählt er: "Nichts kann man dagegen tun."

160 Bergwerke haben aufgerissene Gruben und Halden rund um eMalahleni, den "Ort der Kohle", hinterlassen. Rund um die Stadt in der Provinz Mpumalanga östlich von Johannesburg reiht sich Tagebau an Tagebau. Der Energiereichtum hat Stahlhütten und zwölf kolossale Kohlekraftwerke mit qualmenden Schloten angezogen.

Andries’ Familie leidet unter Husten. Atemwegserkrankungen sind in eMahlaleni weit verbreitet (Foto: Eva Mahnke)
Andries’ Familie leidet unter Husten. Atemwegserkrankungen sind in eMahlaleni weit verbreitetBild: Eva Mahnke

Südafrika verfügt über enorme Reserven des schwarzen Goldes. Und seit über 120 Jahren liefert es Bergbau und Industrie die notwendige Energie. Bis heute werden zwei Drittel des Stroms für den Abbau der Bodenschätze verbraucht. Ein Drittel der so abgebauten Kohle wird in alle Welt verschifft und bringt dringend benötigte Devisen ins Land.

Gut ein Drittel dieser Exportkohle wiederum landet in Europa, zehn Prozent gehen nach Asien, vornehmlich nach Indien und China. Deutschland bezieht aktuell etwa ein Zehntel seines gesamten Kohleimports vom Kap. Die deutschen Importe aus Südafrika sind seit der Ukraine-Krise angestiegen.

Schutz von Luft, Wasser und Boden nur auf dem Papier

Eine Regierung nach der anderen nimmt die schädlichen Nebenwirkungen des Kohlebergbaus in Kauf: gefährliche Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne, Landenteignung und Vertreibung, chronische Atemwegserkrankungen und eine immense Umweltzerstörung.

Zahlreiche Gesetze, etwa zur Reinhaltung von Luft und Wasser, stehen nur auf dem Papier. Zum Beispiel verlangt das Wassergesetz, dass die Bergwerksbetreiber Lizenzen für den Verbrauch und die umweltgerechte Reinigung des Wassers während des Kohleabbaus vorlegen können. Doch diese Vorschrift scheint bloße Makulatur. Überall in den Gewässern von eMalahleni finden sich hässliche Krusten aus saurem, mit Schwermetallen vergiftetem Grubenwasser. 100 Kohlebergwerke operierten sogar ohne Wasserlizenz, erzählt Viktor Munnik, Geograf und Dozent an der Johannesburger Universität Witwatersrand. Das habe die zuständige Ministerin Edna Molewa 2013 im Parlament selbst zugegeben. "Das Umwelt- und das Wasserministerium werden vom Bergbauministerium dominiert, das deren Belange häufig einfach ignoriert", so Munnik. Die mächtigen Ministerien für Energie und Bergbau lassen journalistische Anfragen zur Wasserverschmutzung unbeantwortet.

Durch chemische Reaktionen im Gestein versauern Grundwasser, Seen und Flüsse in Mpumalanga. Minerale lagern sich an der Oberfläche ab (Foto: Eva Mahnke)
Durch chemische Reaktionen im Gestein versauern Grundwasser, Seen und Flüsse in Mpumalanga. Minerale lagern sich an der Oberfläche abBild: Eva Mahnke

Politik und Geschäft sind eng verbunden

Seit dem Ende der Apartheid regiert die frühere südafrikanische Befreiungsbewegung African National Congress (ANC). Die heutige Regierungspartei habe den wirtschaftlichen Aufstieg schwarzer Südafrikaner in die Unternehmer-Elite des Landes gefördert und diese stehe der Regierungspartei sehr nahe, erklärt Viktor Munnik. Außerdem hätten viele ANC-Funktionäre Vorstands- und Aufsichtsratsposten inne. "Dadurch vermischen sich Politik und Geschäft mit der Folge, dass Umweltverbrechen häufig nicht verfolgt werden." Korrupte Netzwerke reichten bis hinunter auf die lokale Ebene, so Munnik.

Dabei hatte sich Südafrika schon 2001 offiziell zu erneuerbaren Energien bekannt. Mit einem Programm für unabhängige Stromerzeuger wurden in den letzten Jahren private Investoren gewonnen und einige Windkraft- und Solar-Projekte auf den Weg gebracht. Dennoch bleiben unabhängige Fachleute skeptisch. Selbst wenn die ambitionierten Ziele zur Gewinnung erneuerbarer Energien erreicht würden, bleibe Südafrika über den Limits der Treibhausgasemissionen, schreibt die belgische Umwelt-Wissenschaftlerin Miriam Buck in ihrer Studie "South Africa's Energy Crisis and the Role of Renewable Energy". Denn zwei Drittel der Energie würden immer noch aus Kohle gewonnen. Tatsächlich entstehen derzeit in den Provinzen Limpopo und Mpumalanga zwei gigantische neue Kohlemeiler.

Kohlekraftwerk Duvha. 90 Prozent seines Stroms bezieht Südafrika aus Kohle (Foto: Eva Mahnke)
Das Kohlekraftwerk Duvha in Mpumalanga. 90 Prozent seines Stroms bezieht Südafrika aus KohleBild: Eva Mahnke

Kohlemeiler sind Klimakiller

Sie werden den CO2-Ausstoß Südafrikas noch weiter erhöhen, obwohl das Land schon heute die höchsten Treibhausgasemissionen des Kontinents aufweist. Damit verstärkt es wahrscheinlich auch das Wetterphänomen El Niño, das zur Zeit das gesamte südliche Afrika heimsucht. In großen Teilen Südafrikas herrscht die schlimmste Dürre seit 20 Jahren. Der Klimawandel wird sich fortsetzen, sagen Experten voraus und mit ihm solche Wetterextreme wie Dürren, Überschwemmungen und schwankende Regen- und Trockenperioden.

Viktor Munnik stellt fest, dass Südafrika in den jüngsten Klimaverhandlungen auf Seiten der "Wachstumslobby" stehe: An erster Stelle stünden Wirtschaftswachstum und Wohlstand, erst später beschäftige man sich dann mit den Folgen für die Umwelt.

Klimafreundliche Jobs sollen auch die Ärmsten motivieren

Solange Politik und große Konzerne nicht handeln, plädiert der Umweltforscher für ein starkes Engagement der Bürger. "Das einzige, was wir als normale Bürger tun können, ist den Ernst des Klimawandels zu verstehen", sagt er. Munnik unterstützt die "One Mil­li­on Cli­ma­te Jobs Campaign" einer Koalition von Land­rechtsbe­we­gun­gen, Um­welt­or­ga­ni­sa­tio­nen und Ge­werk­schaf­ten, die sich für klimafreundliche Arbeitsplätze einsetzt.

"Bei uns in Südafrika gehen zwölf Millionen Menschen abends hungrig zu Bett", sagt Brian Ashley von der Kampagne. Da sei es schwierig, die Bevölkerung gegen den Klimawandel zu mobilisieren. "Darum verbinden wir das mit Arbeitsplätzen, mit denen Emissionen reduziert, Wasser-Reserven und auch wir selbst geschützt werden." Solche Jobs könnten zum Beispiel bei der Wärmedämmung, dem Bau energiesparender Gebäude und dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs entstehen. Mit dieser Kampagne, so hofft er, lassen sich auch extrem arme Menschen wie etwa Andries K. in eMalahleni für den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen.

Die Recherchen wurden von der Koordination Südliches Afrika (KOSA) - einem Zusammenschluss von entwicklungspolitischen Gruppen und Einzelpersonen, die thematisch zur Region Südliches Afrika arbeiten - finanziell unterstützt.