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Strom für alle?

Uta Steinwehr23. November 2015

Rund zwei Drittel der Bevölkerung in Subsahara-Afrika haben keinen Zugang zu Strom. Doch selbst diejenigen, die ans Netz angeschlossen sind, kämpfen mit Ausfällen. In 15 Jahren soll das anders sein.

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Ein Mann hängt eine Leuchtstoffröhre auf (Foto: Getty Images/AFP/S. Kambou)
Bild: Getty Images/AFP/S. Kambou

Simbabwe: In den vergangenen zwei Monaten stiegen die Stromausfälle auf bis zu 20 Stunden pro Tag. Äthiopien: Einer der größten Energieexporteure Afrikas, der auch die Nachbarländer Kenia, Sudan und Dschibuti versorgt, hat immer wieder mit Ausfällen zu kämpfen. Ghana: In Großstädten wie der Hauptstadt Accra und Kumasi wird Strom für ganze Tage in wechselnden Stadtteilen abgeschaltet.

Auf das Stromnetz in Afrika ist oft genug kein Verlass - und selbst die Menschen, die schon an das Stromnetz angeschlossen sind, haben keinen regelmäßigen Zugriff. Dazu kommen mehr als 600 Millionen Afrikaner, die überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben.

Das soll sich jetzt ändern. Eines der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen besagt, dass bis 2030 jeder Mensch Zugang zu bezahlbarer, zuverlässiger und moderner Energie haben soll.

"Neuer Stromdeal für Afrika"

Nicht nur die Vereinten Nationen haben das Thema Energie zur Priorität erklärt. Auch Akinwumi Adesina, der erst seit Anfang September das Amt des Präsidenten der Entwicklungsbank African Development Bank (AfDB) übernommen hat, kündigte gleich einen "New Deal on Energy for Africa" an: Bis 2025 - also bereits in zehn Jahren - will er Afrika komplett mit Strom versorgen. Dafür sollen 55 Milliarden US-Dollar pro Jahr mobilisiert werden.

Tatsächlich ist das Thema "Energie für Afrika" überall präsent. Im Juni hat die Afrikanische Union beschlossen, eine Behörde zu schaffen, die alle globalen Initiativen und deren finanzielle Unterstützung koordinieren soll. Kurz zuvor haben die G7-Staaten im Juni die Elektrifizierung Afrikas mit erneuerbaren Energien als Priorität gesetzt. Im Oktober folgten die Energieminister der G20-Staaten nach.

Vor einem Monat hat Großbritannien eine eigene Initiative gegründet, um mehr Strom nach Afrika zu bringen. Die USA verfolgen ebenfalls eine eigene Stromstrategie - und das schon seit 2013. Doch voreilige Euphorie ist unangebracht: Die USA müssen sich beispielsweise Kritik gefallen lassen, dass nach der Hälfte der Projektzeit noch kein einziges Megawatt ausgeliefert worden sei.

Netze zu alt und zu schlecht ausgebaut

Bei der Stromversorgung Afrikas kommen verschiedene Probleme zusammen: Zum einen sind die bestehenden Netzte oft heillos veraltet und werden nicht gewartet. Zum anderen wird zu wenig Strom produziert und zu wenige Haushalte sind an das Netz angeschlossen. Aber auch das Klima spielt eine entscheidende Rolle. Wenn es zu wenig regnet, sinken die Wasserspiegel, sodass Wasserkraftwerke nicht auf volle Leistung setzen können. Regnet es allerdings zu viel, setzt das den maroden Leitungen zu. Hinzu kommen die überlasteten Netzwerke, die kollabieren würden, wenn der Strom nicht gezielt in ganzen Stadtteilen abgestellt würde.

Infografik Elektrifizierung Afrikas (Grafik: DW)

Das Problem ist nicht neu. Die Frage ist, warum es bisher nur wenig Fortschritte gibt. "Viele Jahre lang hat der politische Wille gefehlt", sagt Max Bankole Jarrett aus Liberia, stellvertretender Chef des Africa Progress Panel (APP), eine Art Lobbyorganisation für den Kontinent mit berühmten Mitgliedern wie Kofi Annan und Olusegun Obasanjo.

"In manchen Fällen haben Politiker die Energieversorgung nicht einmal als das Problem angesehen, das es ist", so Bankole Jarrett. Es passiere also nicht nichts, weil es nicht machbar sei, sondern weil Energie keine Priorität habe.

Kaum öffentliche Investitionen in Energie

Das sieht auch Adam Kendall aus Südafrika so, der für den Energiebereich der Unternehmensberatung McKinsey mit Schwerpunkt Afrika verantwortlich ist. Anfang des Jahres hat Kendall einen Bericht über Afrikas Energiesektor mitveröffentlicht. Darüber hinaus stelle der Staat für öffentliche Investitionen nicht genug Geld bereit und erwarte, dass die Privatwirtschaft investiere, so Kendall. Aber: "In vielen afrikanischen Staaten ist das Umfeld für Investitionen nicht wirklich gegeben. Das hält die Privatwirtschaft davon ab zu handeln."

Kendall verweist auf Risiken wie schwankende Benzinpreise - und dass Regierungen zu wenig für den produzierten Strom zahlen wollten.

Menschen halten eine Kerze in einem dunklen Geschäft (Foto: Getty Images/AFP/S. Kambou)
Stromausfälle sind schlecht fürs Geschäft: Fleischer können Waren nicht kühlen, Maschinen stehen still. Dem Africa-Progress-Report zufolge verlieren Firmen in Tansania und Ghana deswegen 15 Prozent der EinnahmenBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Eine Entschuldigung für viele Probleme Afrikas ist Korruption. "Ja, Elektrizitätswerke wurden in vielen Ländern für Vetternwirtschaft genutzt", sagt Bankole Jarrett. Außerdem ließen Mittelsmänner Geld verschwinden, das als Fördermittel für Generatoren oder Benzin gedacht sei. Für die beiden Experten ist Korruption beim Thema Energie jedoch nur ein kleineres Problem. Stärker wiege politische Einflussnahme, so Kendall. So würden Stromversorger von der Regierung angewiesen, welche Städte an das Stromnetz angeschlossen werden sollen. Das sind nicht zwingend die, deren Anschluss ans Netz wichtig wäre, sondern oftmals die Orte, die strategisch wichtiger für die nächsten Wahlen sind.

Das Wichtigste für mehr Strom in Afrika: politischer Wille

Zugang zu Strom für jeden Afrikaner bis spätestens 2030, wie es die African Development Bank und die Vereinten Nationen erreichen wollen, ist sehr ambitioniert. Dem Report "Brighter Africa" von McKinsey zufolge werden maximal 80 Prozent der Bevölkerung bis 2040 zuverlässig Zugang zu Strom haben. Adam Kendall, einer der Autoren des Berichts, konkretisiert, bis 2030 sei es realistisch, dass zumindest die städtischen Bereiche komplett oder nahezu komplett mit Strom versorgt seien.

"Definitiv nicht bei allen afrikanischen Ländern, nicht einmal bei der Hälfte verändert sich die Einstellung zu dem Problem", schätzt Kendall ein. Aber selbst die wenigen könnten Zugpferde für eine bessere Stromversorgung sein. Für Kendall ist Kenia ein gutes Beispiel für Führungswillen: In den letzten vier bis fünf Jahren habe sich der Zugang zu Strom von zirka 25 Prozent verdoppelt.

Wird das Energieproblem gelöst, ist das die beste Chance, die Situation in vielen anderen Lebensbereichen zu verbessern. Wenn die afrikanischen Länder es schaffen, die verschiedenen Initiativen zu koordinieren und die Probleme tatsächlich anzupacken, nennt hoffentlich bald niemand mehr Afrika den dunklen Kontinent.