Jean-Luc Godard kündigt Karriere-Ende an
5. März 2021"Ich beende meine Karriere im Filmgeschäft, ja mein Filmemacher-Leben, mit zwei letzten Drehbüchern. Danach werde ich dem Kino Lebewohl sagen", ließ Jean-Luc Godard in einem aktuellen Interview wissen. Das ausführliche, fast anderthalbstündige Gespräch mit dem berühmten Filmemacher wurde anlässlich des Kerala-Filmfestivals in Indien per Videochat mit ihm geführt.
Sein neustes - und vielleicht letztes - Filmprojekt ist für den französisch-deutschen Fernsehsender Arte geplant. Worum es geht, wollte der 90-Jährige Regisseur nicht öffentlich verraten. Inzwischen arbeitet er mit Vorliebe am Küchentisch in seinem Schweizer Dorf am Genfer See, das ihm in den letzten Jahrzehnten Heimat geworden ist.
Film wie improvisierte Jazzmusik
54 Filme hat Godard in seiner fast 70 Jahre dauernden Karriere gemacht. "Außer Atem" mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg in den Hauptrollen brachte ihm den internationalen Durchbruch. "Ich habe Filme gemacht wie Jazzmusiker: Man gibt sich ein Thema vor, man spielt, improvisiert - und irgendwie organisiert sich alles", sagt Godard rückblickend über seine Anfänge.
1930 in Paris geboren und am Genfer See aufgewachsen, gehörte der junge Jean-Luc Godard in den 1960er-Jahren zu den Mitbegründern der Nouvelle Vague, der "Neuen Welle" im französischen Kino. Bis heute ist diese Stilrichtung mit Namen wie Eric Rohmer, Jacques Rivette, François Truffaut, Claude Chabrol und eben Jean-Luc Godard verbunden.
Sie alle arbeiteten anfangs als Filmkritiker für die wegweisende Pariser Zeitschrift "Cahiers du Cinéma", die damals ganz neue Maßstäbe für die Theorie und Praxis von Filmen setzte. Mit der konventionellen Erzählweise althergebrachter Kinofilme konnten die Kino-Revoluzzer nichts anfangen.
Lebensgefühl junger Leute
Truffaut, der Freund und intellektuelle Sparringspartner von Godard, machte den Aufschlag mit einem eigenen Film: "Sie küssten und sie schlugen ihn" feierte seine Premiere 1959 auf dem Internationalen Filmfestival in Cannes. Godards Kinofilm "Außer Atem", der sich an den schwarz-weißen Gangsterfilmen amerikanischer Hollywood-Regisseure orientierte, folgte im Jahr darauf.
Mit Handkamera gedreht und in neuartig schneller Schnitttechnik montiert, machte auch dieser Film in Cannes Furore. In den Filmen spiegelte sich das Lebensgefühl einer neuen Generation von Regisseuren wider. Sie wollten die Realität junger Leute auf der Leinwand sehen: lebensnah, unkonventionell und authentisch.
Filme mit revolutionärer Kraft
Viele abendfüllende Spielfilme, dazu zahlreiche Kurzfilme, experimentelle Dokumentarfilme, hochintellektuelle Essayfilme und Musikvideos hat Jean-Luc Godard im Laufe seines Filmschaffens produziert - einige auch als Drehbuchautor oder als Co-Regisseur seiner ehemaligen Mitstreiter der legendären "Nouvelle Vague".
Aber Jean-Luc Godard blieb der radikalste Vertreter dieser neuen Art. Populär wollte er nie sein. Er konzipierte radikal moderne und auch gewagt freizügige Filme: In "Die Verachtung" (1963) philosophierte beispielsweise der französische Filmstar Brigitte Bardot - in ihrer Rolle naiv und raffiniert zugleich - vor der Kamera, ob ihr Filmpartner ihren Po attraktiv findet. Damals war das ein Skandal.
Seine allerletzten Filmprojekte
"Bildbuch" hieß sein bislang letzter Film, mehr ein filmisches Experiment: ein stark assoziativer, farbverfremdeter Bilderfluss aus Unmengen historischer Filmsequenzen. "Le livre d'image" lief allerdings nie im Kino und wurde nur auf wenigen Festivals und bei Arte gezeigt.
In Cannes bekam der Altmeister der Nouvelle Vague dafür 2018 als Spezialpreis eine Goldene Palme. In der ersten kurzen Einstellung sind seine Hände zu sehen: An einem alten Schneidetisch - einem mit großen Spulen - fügen sie Filmschnipsel zusammen. Den Kommentartext spricht Godard selbst.
Die zwei Drehbücher, die der 90-jährige Regisseur derzeit als seine wohl letzten Filmprojekte in Arbeit hat, haben noch keinen Titel. Er arbeite intensiv daran, ließ er - mit der unvermeidlichen Zigarre im Mund - seine Gesprächspartner in Indien wissen.
Gefragt nach einem Kommentar zur aktuellen Corona-Pandemie hatte er eine sehr spezielle Lebensweisheit bereit: "Wir werden vielleicht nicht daran sterben, aber auch nicht besonders gut damit leben."