Bolsonaro sät Zweifel am Wahlsystem
19. Juli 2022Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hatte Dutzende von ausländischen Diplomaten in den Präsidentenpalast eingeladen und nutzte das Treffen, um Behauptungen über angebliche Schwachstellen des elektronischen Wahlsystems des Landes vorzutragen, die von den Wahlbehörden bereits mehrfach entkräftet wurden. Ein elektronisches System könne keine 100-prozentige Garantie für die Sicherheit der Wahl bieten, sagte Bolsonaro.
Im Mai hatte das brasilianische Wahlsystem einen Sicherheitstest des Obersten Wahlgerichts bestanden. Das Wahlsystem in Brasilien - mit 210 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas - ist seit 1996 vollständig elektronisch. Die Tests finden regelmäßig zur Vorbereitung auf Wahlen statt.
Der Rechtsaußen-Politiker Bolsonaro verbreitet schon seit Monaten die Behauptung, dass die Wahlen im Oktober durch Betrug über Wahlmaschinen manipuliert werden könnten - ohne dafür Beweise vorzulegen. Experten befürchten, dass der Präsident so die Grundlage schaffen will, um bei einer möglichen Niederlage gegen seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva den Wahlausgang anzuzweifeln und anzufechten. Ähnlich war schon 2020 Bolsonaros Vorbild vorgegangen, der damalige US-Präsident Donald Trump.
Bolsonaro ist derzeit weit von einer Wiederwahl entfernt. In allen aktuellen Umfragen liegt er deutlich hinter Lula, der bereits von 2003 bis 2010 brasilianischer Präsident war.
Herausforderer Lula spricht von Lügen
Lula kritisierte Bolsonaros Äußerungen scharf. "Es ist schade, dass Brasilien nicht einen Präsidenten hat, der 50 Botschafter einlädt, um über Dinge zu sprechen, die das Land interessieren", schrieb der frühere Präsident im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Beschäftigung, Entwicklung oder der Kampf gegen Hunger zum Beispiel. Stattdessen erzählt er Lügen gegen unsere Demokratie."
Für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind Bolsonaros Aussagen bei dem Botschafter-Treffen ein weiterer Beweis dafür, dass der Rechtspopulist seine gefährliche Desinformationskampagne über das Wahlsystem fortsetzt. Die internationale Gemeinschaft sollte deutlich machen, dass jeder Versuch, das demokratische System und die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben, inakzeptabel ist, schreibt Human Rights Watch auf Twitter.
qu/fab (afp, dpa, rtr)