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"Die NSA ist nicht die Stasi"

Rosalia Romaniec6. Februar 2014

Vor 25 Jahren wurde am Runden Tisch in Warschau ein Wandel für den Ostblock beschlossen. Und immer noch ist die Aufarbeitung des Kommunismus im Gange. Wie hat Deutschland das Problem eigentlich gelöst?

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Roland Jahn (Foto: DW/R. Romaniec)
Bild: DW/R. Romaniec

Deutsche Welle: Angefangen hat es am 6. Februar 1989 mit dem Runden Tisch in Polen, zehn Monate später fiel die Berliner Mauer. Ist diese Institution des Runden Tisches eine Möglichkeit, eine Wende herbeizuführen?

Roland Jahn: In Situationen, in denen ein Machtvakuum existiert, weil die alten und neuen politischen Kräfte aufeinander prallen, ist der Runde Tisch ein geeignetes Instrument, einen Konflikt friedlich zu lösen. Sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, in einer Runde, ist auch ein Symbol dafür, dass man den Konflikt miteinander lösen will. Der Erfolg des Runden Tisches in Polen war auch ein Vorbild für die oppositionellen Gruppen und Parteien in der DDR, als sie die alte Ordnung ablösten.

Nach 25 Jahren gilt Deutschland international als Vorbild in der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur. Wie sieht es denn mit der Innenperspektive aus - und auch mit Ihrer persönlichen Perspektive als Opfer des Regimes?

Man konnte die Geschichte zwar aufarbeiten, aber es ist nie ausreichend - vor allem nicht, solange es Menschen gibt, die in dieser Diktatur Repression erlebt haben. Mir persönlich geht es gut. Ich habe Glück gehabt. Die Haft und Repression konnte ich verarbeiten. Heute lebe ich in einer demokratischen Gesellschaft und kann mich einbringen und Veränderungen bewirken. Was ich mir im Bereich Aufarbeitung mehr wünsche, wäre ein Bekenntnis der Täter zu dem, was sie angerichtet haben. Leider gibt es viel zu wenige, die es zugeben. Deshalb fühlen sich viele Opfer immer noch nicht als solche anerkannt. Ein Bekenntnis könnte ein Klima der Versöhnung schaffen.

In manchen ehemaligen Ostblockländern ist die Spaltung der Gesellschaft immer noch spürbar. In Deutschland scheint das weniger der Fall zu sein. Wie erklären Sie sich das?

In Deutschland sind sehr schnell wichtige Zeichen für die Aufarbeitung gesetzt worden. Ziel war es, das Unrecht zu benennen, den Opfern Wiedergutmachung zukommen zu lassen und die Mechanismen der Diktatur zu begreifen.

Liegt das Problem also darin, dass einige Länder, wie Polen nach dem Sturz des Kommunismus zehn Jahre und länger brauchten, um die Akten des Regimes zu öffnen?

Gerade in Polen wurden die Akten sehr lange nicht geöffnet. Bei uns half die Öffnung, schneller zu verstehen, warum Menschen sich so verhalten haben. Nur so kommt man weg von der Frage der gegenseitigen Vorwürfe und kann gemeinsam die Zukunft gestalten. In Polen gab es die Massenbewegung “Solidarnosc“, aber gleichzeitig haben viele beim Staatsapparat mitgemacht. Heute tun sie so, als wäre nichts gewesen. Wenn man so etwas nicht aufarbeitet, kommt es hoch.

Deutschland Stasi-Akten lagern in der Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin (Foto: DPA)
Deutschland Stasi-Akten lagern in der Stasi-Unterlagenbehörde in BerlinBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Das Amt für Unterlagen des kommunistischen Regimes verwaltet in Polen nicht nur Archive, sondern hat auch eigene Staatsanwälte, die die Verbrechen des kommunistischen Regimes verfolgen. Warum hat Deutschland das nicht auch gemacht?

Hier wollte man, dass die Aufklärung im Mittelpunkt steht und nicht die Abrechnung. Was hätte ich davon, wenn jemand bestraft wird, der mir damals Unrecht angetan hat? Wichtig ist, dass wir einen Rechtsstaat haben und dass es ein Klima gibt, in dem sich die Täter dazu bekennen können. Sie zu bestrafen und ins Gefängnis zu stecken, davon hat die Gesellschaft wenig.

Ihre Behörde ist Teil eines internationalen Netzwerks. Wie gut funktioniert der Austausch mit den Partnern des früheren Ostblocks?

In dem Netzwerk bieten wir keine universalen Lösungen, denn jedes Land hat andere Bedingungen. Wir tauschen aber gerne auch negative Erfahrungen aus und das hilft schon, Fehler zu meiden. Es gibt Bereiche wie die Strafverfolgung oder den Datenschutz, wo kontroverse Diskussionen geführt werden. Jeder sucht nach dem bestmöglichen Weg für sich.

Es wirkt wie eine Ironie des Schicksals, dass der ehemalige US-Agent Edward Snowden ausgerechnet in der Hauptstadt der früheren Sowjetunion Schutz findet, nachdem er die Öffentlichkeit darüber informierte, wie umfassend die NSA spioniert. Was sagen Sie dazu?

Es muss ein Regelwerk entwickelt werden, auch zwischen den Staaten, damit Grundrechte nicht verletzt werden. Wir befinden uns in einer spannenden Diskussion: Wie viel Freiheit darf eingeschränkt werden, um die Freiheit zu schützen? Wie viel kann man Geheimdiensten erlauben, um die Demokratie zu sichern. Wie organisiert man die Demokratiesicherung?

Viele Fragen, aber wie lauten Ihre Antworten?

Durch die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur können wir den Menschen die Sinne schärfen. Wir können zeigen, wie es aussieht, wenn eine Geheimpolizei dazu dient, die Macht einer Partei zu sichern. Dabei gilt zu betonen, dass man die NSA und die Staatssicherheit nicht gleichsetzen kann. Wir können aber in einer Demokratie diskutieren, was in Amerika und bei uns geschieht und wie man die Kontrolle verbessern kann. Wir können uns in der Presse und in Parlamenten streiten und wenn wir wollen, können wir sogar entscheiden, dass wir die Geheimdienste abschaffen. Das ist die Freiheit der Demokratie.

Was halten Sie für einen Umgang mit Geheimdiensten für richtig?

In Deutschland gab es schon immer ein Bewusstsein dafür, dass die Geheimdienste kontrolliert werden müssen. Dieses Bewusstsein ist noch geschärft worden - durch Snowden, aber auch durch die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur. Natürlich sind alle dankbar, dass diese Informationen jetzt auf den Tisch kommen. Trotzdem muss man bewerten, ob dabei demokratische Regeln verletzt wurden. In manchen Situationen verletzt man die Regel, um Menschen zu helfen und dann heilt der Zweck die Mittel. Aber das kann schlussendlich nicht jeder selbst bestimmen, sondern nur die Gesellschaft.

Der Journalist und Jenaer Bürgerrechtler Roland Jahn wurde am 28. Januar 2011 vom Deutschen Bundestag zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gewählt und am 14. März 2011 in sein Amt eingeführt.