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Präsident Issoufou: Enttäuschte Hoffnungen im Niger

Dirke Köpp18. Februar 2016

Schlusslicht im UN-Entwicklungsindex, Korruptionsvorwürfe, fremde Militärbasen im Land - nach fünf Jahren im Amt hat Präsident Issoufou viele enttäuscht: Doch das hält ihn nicht davon ab, erneut bei der Wahl anzutreten.

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Niger Präsident Issoufou Mahamadou
Bild: picture alliance/AP Photo/A. Calanni

Gerade viele ehemalige Weggefährten von Mahamadou Issoufou sind frustriert: Sie hatten große Hoffnungen in ihn gesetzt, als er nach Jahrzehnten in der Opposition 2011 an die Macht kam. Albert Chaibu, ein Bürgerrechtler, der sich früher Seite an Seite mit Issoufou und seinem heutigen Regierungssprecher engagierte, fasst seine Enttäuschung so zusammen: "In der Opposition sprechen die Politiker von Menschenrechten, von Demokratie und solchen Werten. Aber sobald sie an der Macht sind, vergessen sie das alles. Ich persönlich glaube daran nicht mehr - das sind nur schöne Worte, weil sie die Macht wollen.

Angetreten war Issoufou mit einem 8-Punkte-Programm. Er wollte Korruption und den Hunger bekämpfen, die nationale Sicherheit verbessern und die Wirtschaft ankurbeln. Fünf Jahre später sind viele Nigrer frustriert: Die Korruption grassiere schlimmer als je zuvor, das Land sei durch Terrorismus gefährdet und mit der Pressefreiheit sei es nicht weit her. Dennoch ist er einer von 15 Kandidaten, die um das Amt des Staatschefs kämpfen. Am 21.2. treten die Nigrer an die Wahlurnen.

Nouhou Arzika
Einst Vertrauter, heute Kritiker: Nouhou ArzikaBild: DW/T.Mösch

Nouhou Arzika, einer der bekanntesten Bürgerrechtler im Niger, macht seinem Herzen im Gespräch mit der DW Luft: "Issoufou hatte viele Dinge versprochen, die die Nigrer zum Träumen brachten. Sie hatten Hoffnung, dass es diesmal besser wird. Jetzt ist die Zeit um, und wir stellen fest: Nichts von dem, was angekündigt wurde, wurde umgesetzt."

Hohe Ziele, kleine Erfolge

Issoufou selbst hingegen ist zufrieden mit sich: "Ich habe meine Versprechen zur Renaissance des Niger ausnahmslos gehalten", sagte er kürzlich: "Wir haben 7.000 Milliarden Francs CFA (ca.11 Milliarden Euro) investiert: in Infrastruktur, Bildung, Gesundheit, Zugang zu Trinkwasser, Nahrungsmittelsicherheit und die Modernisierung unserer Streitkräfte."

Auch auf dem jüngsten Korruptionsindex der Organisation Transparency International hat sich das Land um 31 Plätze verbessert - auf Rang 99. Regierungssprecher Marou Amadou unterstreicht: Manche Ziele seien sogar übertroffen worden. So habe man 15.000 Klassenzimmer gebaut statt der anvisierten 2500. "Wir haben zudem alle arbeitslosen Mediziner rekrutiert und so die effektive Zahl der Ärzte im Land verdoppelt. Wir haben Trinkwasserbrunnen gebaut.“

Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen schlägt sich das jedoch noch nicht nieder: Auch im jüngsten Bericht bildet der Niger das Schlusslicht der 188 gelisteten Staaten und gilt damit als das ärmste und am wenigsten entwickelte Land der Welt. Regierungssprecher Amadou relativiert: "Wir kommen von ganz weit unten und haben enorm viel erreicht. Natürlich hätten die Leute gern, dass wir jetzt schon 100. sind oder 112. - aber die Arbeit der letzten Jahre wird sich wirtschaftlich auszahlen."

Niger Bürgerrechtler und Journalist Albert Chaibu, Foto: © DW/D. Köpp
Bürgerrechtler und Journalist Albert ChaibuBild: DW/D. Köpp

Bürgerrechtler Albert Chaibu ist anderer Meinung. Auch vor Ort ließen die Fortschritte noch auf sich warten: "Die Bereiche Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit haben sich nicht verbessert. Die Situation in den Schulen ist ein ernsthaftes Problem: Seit Jahrzehnten funktioniert das öffentliche Schulsystem nicht." Erst kürzlich haben Lehrer wieder wegen unzureichender Bezahlung und schlechter Ausstattung gestreikt. Kein Wunder, meint er, dass jeder, der es sich leisten könne, seine Kinder in Privatschulen schicke.

Erst in diesen Tagen warnten die UN, im Niger seien zwei Millionen Menschen von Hunger bedroht. Das weckt schlimme Erinnerungen an 2005, als eine Hungersnot bis zu 50.000 Menschen dahinraffte.

Niger Protest von Schülern Lernbedingungen, Foto: Getty Images/AFP/B. Hama
Hunderte Schüler demonstrieren im April 2014 in Niamey für bessere BildungBild: Getty Images/AFP/B. Hama

Niger: Umgeben von Terror

Die aktuelle Krise ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Zehntausende im Südosten des Niger aus Angst vor der islamistischen Sekte Boko Haram aus ihren Dörfern geflohen sind. Boko Haram wütet im Nachbarland Nigeria und agiert über die Landesgrenzen hinaus. Die Region ist politisch fragil: In Mali haben Islamisten es sich trotz rund 10.000 Blauhelm-Soldaten bequem eingerichtet, Libyen ist seit dem Sturz von Machthaber Gaddafi kaum mehr ein Staat und in Algerien hat der greise Bouteflika die Lage längst nicht mehr im Griff. "Meiner Ansicht nach ist es uns gelungen, aus dem Niger eine relative Insel des Friedens zu machen.", behauptet Regierungssprecher Amadou dennoch.

Tatsächlich hat es seit 2013 keine größeren Angriffe gegeben. Nach den Terror-Anschlägen von Bamako und Ouagadougou im vergangenen Jahr wurden die Sicherheitskräfte im Niger in noch größere Alarmbereitschaft versetzt. Dass das Land stabil ist, hat vor allem mit den großen Militärbasen der USA und Frankreichs zu tun. Genau die aber sind etwa dem Bürgerrechtler Nouhou Arzika ein Dorn im Auge: "Issoufou hat sich zu wenig darum bemüht, dass der Niger unabhängig bleibt", schimpft Arzika. "Die Franzosen haben ihre Intervention in Mali 2013 zum Vorwand genommen, ihre Präsenz im Niger auszuweiten. Und ihre Kommandozentrale ist nicht hier, sondern in Frankreich. Hier weiß keiner, was da läuft: nicht der Präsident, nicht der Verteidigungsminister, nicht der Armeechef - keiner."

Nutznießer Frankreich

Marou Amadou weist das entschieden zurück. Es sei keine leichtfertige Entscheidung gewesen, mit Franzosen und Amerikanern zusammenzuarbeiten. Aber es fehle dem Niger an Dronen und Abschreckungskräften in der Luft, gibt er zu bedenken. "Und wie souverän wäre denn ein Staat, der von Terroristen überrannt wird", fragt Amadou. "Bei Franzosen und Amerikanern handelt es sich um befreundete Kräfte - wenn wir sie nicht mehr brauchen, gehen sie wieder."

Das freilich bezweifeln Opposition und Zivilgesellschaft: Denn gerade Frankreich hat neben den militärischen auch handfeste wirtschaftliche Interessen im Land: So baut der französische Energiekonzern Areva seit 1968 im Norden des Niger Uran ab und deckt so 40 Prozent des Bedarfs zur Stromerzeugung in Frankreichs Atomkraftwerken. Als der alte Vertrag 2013 auslief, wollte die nigrische Regierung dafür sorgen, dass der Staat mehr von den eigenen Ressourcen profitiert. Die Nigrer setzten große Hoffnung auf ihren Präsidenten, einen gelernten Bergbau-Ingenieur, der auch im Uranabbau bei Areva gearbeitet hatte.

Niger Ali Idrissa Koordinator ROTAB
Ali Idrissa stellt dem amtierenden Präsidenten ein schlechtes Zeugnis ausBild: DW/D. Köpp

Doch, so sehen es die Kritiker, auch da hielt der Präsident nicht Wort. "Die Regierung räumt Areva weiter Steuerbefreiungen ein, statt darauf zu drängen, dass das Bergbaugesetz angewendet wird", kritisiert Ali Idrissa, Koordinator eines Netzes von Organisationen, die sich gegen Korruption einsetzen (ROTAB). Das Bergbaugesetz schreibt höhere Lizenzgebühren vor - mehr Einnahmen also für den Staat. Idrissa ist wütend auf seine früheren Mitstreiter, darunter Regierungssprecher Amadou, der einst sogar Gründungsmitglied von ROTAB war.

"Areva verschmutzt die Umwelt - dafür sollen sie bezahlen! Die Bevölkerung wird durch die Strahlung kontaminiert, aber es gibt nicht mal ein vernünftiges Gesundheitszentrum in der Gegend." Dass sich Areva mit 30 Prozent an der Instandsetzung der Straße beteiligt, auf der die Uran-Transporter rollen, hat der Konzern abgelehnt. Für Ali Idrissa steht daher fest: "Der Niger ist kein armes Land. Der Niger wird schlecht regiert."