Mit Fußball Gräben überwinden
28. September 2020"Die Gelegenheit für Sportler aus Israel, in den Vereinigten Arabischen Emiraten an Wettkämpfen teilzunehmen, war schon vorher da. Aber sie wird sich jetzt sicherlich erweitern", sagt Karen Young der DW. Die Wissenschaftlerin arbeitet am American Enterprise Institute in Washington und hat sich auf die Golfstaaten spezialisiert. Young bezieht sich auf die historischen Normalisierungsabkommen, die Israel gerade mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain geschlossen hat. Nach Ägypten (1979) und Jordanien (1994) sind es erst die arabischen Staaten Nummer drei und vier, die normale Beziehungen zu dem jüdischen Staat aufgenommen haben.
Doch die Diplomatie kann nur ein erster Schritt sein. Schwieriger wird es, für ein Ende der Eiszeit zwischen den Menschen der beteiligten Staaten zu sorgen. "Der einzige Weg, den Aberglauben zu überwinden, ist es, sich zu treffen und miteinander zu reden", sagt Nahost-Expertin Young. "Und das wird jetzt beginnen."
Der Sport könnte dabei helfen, Brücken zu bauen. Kaum war das neue Abkommen öffentlich bekannt geworden, hieß es bereits in Medienberichten, dass Unternehmen aus den Emiraten daran interessiert seien, in israelische Fußballklubs zu investieren. Einer der Eigentümer des Traditionsvereins Hapoel Tel Aviv sagte, er stehe in Kontakt mit Geschäftsleuten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Klubbesitzer verwies auf Hapoels lange Geschichte der Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern, sowohl auf als auch außerhalb des Spielfelds.
Überraschende Reise in die VAE
Ein Klub ohne eine solche israelisch-arabische Vergangenheit ist Beitar Jerusalem - der einzige Profiklub im israelischen Fußball, der noch niemals einen arabisch-muslimischen Spieler unter Vertrag genommen hat. Die Beitar-Fans werden mehrheitlich der politischen Rechten zugeordnet. Die prominenteste Fangruppe, La Familia, ist eine der bekanntesten rechtsextremen Gruppierungen Israels. Die Gruppe hat wiederholt im Stadion Transparente mit der Aufschrift "Für immer rein von Arabern" aufgehängt. Zuletzt nahm La Familia an gewaltsamen Protesten von Netanjahu-Anhängern teil.
Nun überraschte der Verein mit einer Ankündigung auf seiner Website: "Der Klub freut sich bekanntzugeben, dass der Eigentümer von Beitar Jerusalem, Moshe Hogeg, in die Vereinigten Arabischen Emirate fliegen wird, um die Möglichkeit einer großen Investition in den Klub zu besprechen." Hogeg hatte den Verein 2018 übernommen. Seitdem versucht der Geschäftsmann, rassistische Tendenzen in der eigenen Fangemeinde zu bekämpfen.
Wie zu erwarten war, reagierte La Familia alles andere als begeistert auf Hogegs Ambitionen, mit Partnern in den Emiraten zusammenzuarbeiten. "Für uns spielt Geld keine Rolle, Prinzipien schon", schrieb die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite. "Wir möchten alle daran erinnern, dass Jerusalem eine heilige Stadt für Juden ist und dass Beitar das einzige Team der Welt ist, das die jüdische Menorah [siebenarmiger Leuchter - Anm. d. Red.] als Symbol hat." Die Gruppe schloss ihren Beitrag mit den Worten "Mi Lahashem Elay" ("Diejenigen, die bei Gott stehen, kommen mit mir"), einem biblischen Schlachtruf, für Gott und das jüdische Volk zu kämpfen.
Erster israelischer Spieler in den Emiraten
Doch die Vorbehalte der rechtsgerichteten Fans werden möglicherweise von der Entwicklung der sportlichen Beziehungen zwischen Israel und den Golfstaaten schlichtweg überholt. Angeblich haben mehrere Vereine aus den Emiraten signalisiert, dass sie gerne Beram Kayal verpflichten würden. Der israelische Mittelfeldspieler steht beim Premier-League-Klub Brighton & Hove Albion unter Vertrag. Ein anderer Transfer ist bereits perfekt. Stürmer Dia Saba wechselte vom chinesischen Klub Guangzhou R&F zu Al Nasr SC aus Dubai.
Der erste israelische Spieler, der bei einem Klub in den Emiraten unterschreibe, werde "nach Premierminister Netanjahu wahrscheinlich der zweitberühmteste Israeli in den VAE sein", hatte Uri Levy, Chef des angesehenen Fußball-Blogs Babagol, vor dem Vollzug von Sabas Wechsel gesagt. "Er wird praktisch der Botschafter Israels sein, vielleicht sogar mehr als der eigentliche Botschafter des Landes in Abu Dhabi."
Sprungbrett nach Europa?
Levy hält es für durchaus denkbar, dass künftig auch Spieler aus den Emiraten für israelische Fußballvereine auflaufen werden. Zwar zahlten Klubs am Golf deutlich besser, so der Fußball-Experte, doch ein Engagement in Israel könne für arabische Spieler ein Sprungbrett nach Europa sein. Israels Fußballverband gehört dem europäischen Fußballverband UEFA an, während die Emirate in den asiatischen Wettbewerben spielen. "Wir leben in einer Zeit, in der alles, was wir für unmöglich hielten, langsam möglich wird", sagte Levy auf die Frage der DW, wie realistisch Wechsel von Spielern aus den Emiraten in die israelische Liga sei. "Noch vor anderthalb Monaten wirkte ein Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den VAE wie ein ferner Traum, heute ist es Realität. Warum also nicht?"
Adaption: Andreas Sten-Ziemons