Israel tötet Hisbollah-Spitzenfunktionär im Libanon
23. Oktober 2024Israels Armee hat nach eigenen Angaben den ranghohen Hisbollah-Funktionär Haschim Safi al-Din im Libanon getötet. Der als aussichtsreichster Nachfolger für den bereits zuvor getöteten Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah gehandelte Safi al-Din sei vor drei Wochen bei einem Angriff in der Hauptstadt Beirut "eliminiert" worden, teilte das israelische Militär mit.
Darüber hinaus sei auch der Befehlshaber des Geheimdienstes der proiranischen Schiiten-Miliz getötet worden. Ali Hussein Hasima habe die Verantwortung für zahlreiche Angriffe auf israelische Soldaten getragen, hieß es weiter. Die Hisbollah, die von zahlreichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, bestätigte Safi al-Dins Tod an diesem Mittwochnachmittag.
Hochburg der Islamisten
Schauplatz des Angriffs war dem Militär zufolge der südliche Beiruter Vorort Dahijeh, der als Hochburg der Islamisten gilt. Bei der auf Geheimdienstinformationen basierenden Attacke auf das Hisbollah-Hauptquartier seien weitere Kommandeure getötet worden. Insgesamt hätten bei Angriffen in den vergangenen beiden Tagen rund 70 Kämpfer der Miliz ihr Leben verloren. Armeechef Herzi Halevi: "Wir wissen, wie wir jeden erreichen, der die Sicherheit der israelischen Bürger bedroht."
Bei neuen israelischen Angriffen wurden nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens zehn Menschen getötet und viele weitere verletzt. Die Behörde meldete einen Beschuss im Nordosten des Landes und einen weiteren bei Nabatija im Süden. In der südlichen Hafenstadt Tyros, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, soll es israelische Drohnenangriffe geben. Das berichten die Nachrichtenagentur Reuters und staatliche libanesische Medien.
Die Hisbollah setzte derweil ihre Attacken auf Israel fort. Etwa 140 Geschosse seien vom Libanon aus abgefeuert worden, teilte das israelische Militär mit. Details wurden bislang nicht bekannt.
Pendeldiplomatie geht weiter
Der Chefdiplomat der USA, Antony Blinken, und Deutschlands Bundesaußenministerin Annalena Baerbock reisten abermals zu Friedensgesprächen in den Nahen Osten. Blinken rief bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem dazu auf, die Gelegenheit zu nutzen, die sich nach der Tötung des Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar im umkämpften Gazastreifen vor einer Woche ergebe.
Ziele seien die Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der Hamas - die ebenfalls in zahlreichen Staaten als Terrororganisation gelistet ist - sowie ein Ende des Krieges in dem Palästinensergebiet. Ein Sprecher des US-Außenministers sagte, Blinken habe betont, wie wichtig es sei, nach Wegen für die Nachkriegszeit zu suchen, damit Israelis und Palästinenser dauerhaft in Sicherheit leben könnten.
Netanjahus Büro ignoriert humanitären Aufruf
Zudem habe der Minister die israelische Regierung dazu aufgefordert, mehr humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung in den abgeriegelten Küstenstreifen zu lassen. Netanjahus Büro ging in seiner Darstellung des Gesprächsverlaufs nicht hierauf ein.
Die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Militärbehörde COGAT gab bekannt, in den vergangenen acht Tagen seien 237 Lastwagen mit Hilfsgütern allein in den besonders von Mangel betroffenen Norden des Gazastreifens gefahren. Nach Ansicht von Hilfsorganisationen reicht dies allerdings nicht aus, um die hungernde Bevölkerung zu versorgen.
Baerbock: Tragfähige diplomatische Lösung gesucht
Die deutsche Außenministerin Baerbock rief die israelische Regierung ebenfalls mit Nachdruck auf, mehr Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen. Insbesondere im Norden werde die Lage "von Tag zu Tag verzweifelter", sagte die Grünen-Politikerin bei einem Besuch in der libanesischen Hauptstadt Beirut.
Die Region sei seit 19 Tagen vollständig abgeriegelt, "humanitäre Hilfe kommt nur tröpfchenweise herein", ergänzte sie. Das widerspreche einer Zusage der israelischen Regierung vom Frühjahr. Zudem habe der Internationale Gerichtshof per einstweiligem Rechtsschutz angeordnet, dass Israel eine ausreichende Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern ermöglichen müsse. Diese Anordnung sei völkerrechtlich bindend, betonte die Außenministerin.
Mit Blick auf die Lage im Libanon warnte Baerbock vor einer "völligen Destabilisierung" des Landes. Diese wäre "fatal für die religiös vielfältigste Gesellschaft aller Staaten im Nahen Osten und ebenso für die gesamte Region", sagte sie vor Journalisten. Nachdem es gelungen sei, die Hisbollah zu schwächen, gehe es darum, eine tragfähige diplomatische Lösung zu finden, die sowohl die Interessen Israels wie auch die des Libanons wahre.
Die Partner in den USA, Europa und der arabischen Welt müssten hierbei eingebunden werden. Die Reise der Grünen-Politikerin war aus Sicherheitsgründen zunächst geheim gehalten worden.
Die Hisbollah hatte nach dem Großangriff der palästinensischen Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen eine zweite Front eröffnet. Dabei erklärte sie ihre Solidarität mit der Hamas und bezeichnete sich als Teil einer selbsternannten "Achse des Widerstands" gegen Israel unter Führung des Irans.
Dem Massaker der Hamas waren nach Angaben des israelischen Militärs mehr als 1100 Menschen zum Opfer gefallen. Rund 250 Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Beim darauffolgenden israelischen Militäreinsatz wurden nach Zahlen der Hamas-Behörden mehr als 42.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet.
Warten auf den Gegenschlag
Nachdem Anfang Oktober die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, rund 200 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert hatten, kündigte die israelische Regierung Vergeltung an. Offen ist jedoch, wann und wie der erwartete Gegenschlag erfolgen wird.
Vor dem Hintergrund des Konflikts hatte die Lufthansa Group ihre Flüge nach Beirut und Teheran gestrichen. Nun kündigte der Konzern an, die Airlines der Gruppe würden die Verbindung in die libanesische Hauptstadt bis Ende Februar und diejenige in die Hauptstadt der Islamischen Republik bis Ende Januar aussetzen. Auch zahlreiche andere Fluggesellschaften meiden die Region.
Erst am Montag hatte die Lufthansa Gruppe, zu der unter anderem Austrian Airlines, Brussels Airlines, Lufhansa Cargo und Swiss gehören, alle Flüge in die israelische Mittelmeermetropole Tel Aviv bis einschließlich 10. November abgesagt.
jj/sti/AR (dpa, afp, rtr)