Israel meldet Angriff auf "Tresor" der Hisbollah
22. Oktober 2024Im Kampf gegen das Finanzsystem der Hisbollah im Libanon hat das israelische Militär nach eigenen Angaben rund 30 Ziele der schiitischen Miliz angegriffen, die mit deren Schattenbank Al-Kard Al-Hassan in Verbindung stehen sollen. Zu den Zielen habe auch ein unterirdischer Tresor gehört, in dem Bargeld und Gold in Millionenhöhe gelagert worden seien.
Die Hisbollah habe das Geld zur Finanzierung ihrer Angriffe auf Israel genutzt, so der israelische Militärsprecher Daniel Hagari. Er verwies zudem auf einen separaten Bunker unter dem Sahel-Krankenhaus in einem südlichen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dort sollen sich nach israelischer Schätzung mindestens eine halbe Milliarde US-Dollar (462 Millionen Euro) in Bargeld und Gold befinden. Dieser Bunker werde observiert, er sei bislang aber nicht beschossen worden, sagte Hagari.
Hisbollah-naher Krankenhausdirektor dementiert
Der Leiter des Krankenhauses, Fadi Alameh, wies die Vorwürfe zurück. Alameh ist auch Abgeordneter der mit der Hisbollah verbündeten Amal-Parte. Er sagte der Nachrichtenagentur AFP, die libanesische Armee "oder andere Beobachter" sollten das Krankenhaus überprüfen, um die israelischen Angaben zu widerlegen
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Nach Hagaris Angaben tötete Israel den für die Finanzierung der Hisbollah zuständigen Kommandeur am Montag in Syrien. Der Mann sei für die Geldtransfers verantwortlich gewesen, die von der wichtigsten Schutzmacht der Hisbollah, dem Iran, über dessen Ölverkäufe an die Miliz flössen. Das syrische Verteidigungsministerium hatte zuvor den Tod zweier Menschen durch eine Israel zugeschriebene Attacke auf ein Auto in Damaskus gemeldet.
Legale und illegale Geschäfte
Al-Kard Al-Hassan firmiert offiziell als sozial ausgerichtete Nichtregierungsorganisation. Viele Libanesen vertrauten dem Institut nach dem Zusammenbruch des offiziellen Bankensystems 2019 ihr Geld an. Laut Beobachtern flossen große Teile des Finanzstroms der Hisbollah aus legalen und illegalen Geschäften über diese Schattenbank, die mehr als 30 Filialen unterhielt.
Auch über das Finanzsystem hinaus dauern die israelischen Angriffe auf Ziele der Hisbollah im Libanon an. Insgesamt seien in den vergangenen 24 Stunden rund 300 Ziele getroffen worden, sagte Militärsprecher Hagari. Bei einem Beschuss nahe der Hariri-Klinik im Süden der Hauptstadt Beirut wurden nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens 13 Menschen getötet und viele weitere verletzt. Israels Armee teilte mit, die Einrichtung selbst, die zu den größten öffentlichen Krankenhäusern des Landes zählt, sei nicht getroffen worden. Die Klinikleitung sprach von beschädigten Glasfassaden, Wänden und Solarpaneelen.
Die Hisbollah behauptete ihrerseits, sie habe eine Raketensalve auf eine Geheimdienstbasis der israelischen Armee in einem Vorort von Tel Aviv abgefeuert. In der Küstenmetropole wurde Luftalarm ausgelöst. Es seien mehrere Explosionen zu hören gewesen, meldet die Deutsche Presse-Agentur. Berichte über mögliche Verletzte gibt es bisher nicht.
Zweite Front gegen Israel
Die Hisbollah wird außer von Israel auch von den USA, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft. Die islamistische Miliz hatte nach dem Großangriff der palästinensischen Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen eine zweite Front eröffnet. Dabei erklärte sie ihre Solidarität mit der Hamas und bezeichnete sich als Teil einer selbsternannten "Achse des Widerstands" gegen Israel unter Führung des Irans.
Im Gazastreifen gehen die Kämpfe derweil unverändert weiter. Durch israelischen Artilleriebeschuss im Norden des Küstengebiets wurden nach Angaben von Sanitätern mindestens fünf Menschen getötet. Einwohnern zufolge hatte es kurz zuvor einen Evakuierungsaufruf der israelischen Armee gegeben, der über Flugblätter bekanntgemacht wurde.
Elfte Nahostreise von US-Chefdiplomat Blinken
US-Außenminister Antony Blinken ist im Bemühen um eine Waffenruhe im Gazastreifen erneut in Israel eingetroffen. Bei seiner elften Nahostreise seit Beginn des Israel-Hamas-Krieges wird Blinken unter anderem von Regierungschef Benjamin Netanjahu empfangen. Bisherige Bemühungen, den Konflikt einzudämmen, blieben erfolglos. Beobachter erwarten auch diesmal keinen Durchbruch.
Dem Massaker der Hamas auf Israel vor gut einem Jahr waren nach Angaben des israelischen Militärs mehr als 1100 Menschen zum Opfer gefallen. Rund 250 Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Beim darauffolgenden israelischen Militäreinsatz wurden nach Zahlen der Hamas-Behörden mehr als 42.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Nach Angaben der Vereinten Nationen verloren auch 231 Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) bei den Angriffen ihr Leben.
Schwere Anschuldigungen des UNRWA gegen Israel
Der Generalkommissar des UNRWA, Philippe Lazzarini, erhebt schwere Vorwürfe gegen Israel. Er glaube, die Attacken auf das UNRWA seien Teil eines umfassenden Musters, sagte Lazzarini dem Newsletter "Table-Briefings". Sollten sich die UN-Mitgliedstaaten nicht dagegen wehren, drohe eine Wiederholung dieses Musters "überall auf der Welt", so Lazzarini.
Die Beziehungen zwischen Israel und dem UNRWA sind schon lange gespannt. Seit Ausbruch des Krieges haben sie sich nochmals erheblich verschlechtert. Israel hatte dem UNRWA im Januar vorgeworfen, einige seiner Mitarbeiter kooperierten mit der Hamas, die ebenso wie die Hisbollah von den USA, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation gelistet wird. Die Vereinten Nationen leiteten daraufhin eine Untersuchung ein. Neun UNRWA-Angehörige wurden entlassen.
jj/sti/AR (dpa, afp, rtr, kna)