Israel sagt Nein zu einem Waffenstillstand
31. Dezember 2008"Die Regierung hat sich für eine Strategie des Erfolgs entschieden." Sie verfolge das Ziel, den vom Gazastreifen ausgehenden Terror zu stoppen, sagte ein ranghoher israelischer Sprecher der Nachrichtenagentur AFP. "Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, dann werden wir bereit sein, die Möglichkeit eines Waffenstillstands zu diskutieren."
Ministerpräsident Ehud Olmert habe bei der Sitzung des Sicherheitskabinetts deutlich gemacht, dass "wir den Gaza-Einsatz nicht begonnen haben, nur um ihn - begleitet von denselben Raketenangriffen wie am Anfang - wieder zu beenden". Zum Sicherheitskabinett gehören zwölf Minister, der Generalstabschef und mehrere andere Sicherheitsbeauftragte.
Bereits am Morgen hatte Israel den Vorschlag des französischen Außenministers Bernard Kouchner, die Waffen für 48 Stunden ruhen zu lassen, abgelehnt. Ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministers Ehud Barak deutete zugleich an, obwohl internationale Vorschläge für eine Waffenruhe geprüft würden, könne Israel aber nicht davon abhalten werden, sich für eine mögliche Bodenoffensive vorzubereiten.
Fünfter Tag der Kämpfe
Die israelische Luftwaffe hatte am Mittwoch wieder Ziele der palästinensischen Hamas im Gazastreifen angegriffen. Dazu gehörten Regierungsgebäude, darunter das Büro des früheren Ministerpräsidenten Ismail Hanija, sowie Schmugglertunnel an der Grenze zu Ägypen. Nach israelischen Armeeangaben wurden 35 Angriffe geflogen, deutlich weniger als in den vergangenen Tagen.
Gleichzeitig setzten militante Palästinenser ihre Raketenangriffe auf den Süden Israels fort. Ein israelischer Polizeisprecher sagte, im Grenzgebiet seien zehn Raketen eingeschlagen. Zwei Raketen seien in Beerschewa explodiert, eine davon in einem leeren Schulgebäude. Die Hamas hatte am Dienstag damit gedroht, die Raketen in immer entferntere Ziele in Israel zu schießen, falls Israel die Luftangriffe nicht einstelle. Auch könnten erstmals seit 2005 wieder Selbstmordanschläge in Israel verübt werden.
Palästinenser fliehen nach Ägypten
Nach Angaben palästinensischer Ärzte im Gazastreifen sind seit Beginn der israelischen Offensive 390 Palästinenser getötet und etwa 1900 verletzt worden. Der Sprecher der UN-Behörde für palästinensische Flüchtlinge UNRWA, Christopher Gunness, sagte der Nachrichtenagentur AFP, mindestens 25 Prozent der Getöteten seien Zivilisten. In Israel wurden seit Beginn der Kämpfe vier Menschen getötet.
Viele Zivilisten versuchen offenbar, über die Grenze nach Ägypten zu kommen. Ein ägyptischer Polizeisprecher sagte, rund 500 Palästinenser hätten die Gelegenheit genutzt, dass bei den israelischen Luftangriffen ein Teil des Grenzzauns zerstört wurde. 125 von ihnen seien bereits festgenommen und zurück in den Gazastreifen geschickt worden. Augenzeugen berichteten, einige Palästinenser seien von ägyptischen Familien versteckt worden.
Die ägyptische Armee hatte, um die Grenze geschlossen zu halten, nach Augenzeugenberichten rund 1000 Polizisten der Zentralen Sicherheitsbehörde dorthin geschickt. Die Erschütterungen durch die Bombardierung, die vornehmlich den Schmugglertunneln zwischen dem Gazastreifen und der ägyptischen Sinai-Halbinsel galt, waren am Dienstagabend noch 20 Kilometer von der Grenze entfernt zu spüren.
Präsident Hosni Mubarak bekräftigte, der Grenzübergang Rafah bleibe trotz der massiven israelischen Angriffe für Hilfsgüter und Verletzte geöffnet. Ein Sprecher des Roten Halbmondes sagte am Mittwoch, seit Beginn der Luftangriffe seien 56 verletzte Palästinenser nach Ägypten gebracht worden. Mehrere arabische Staaten schickten via Rafah Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen. Libyen und Saudi Arabien schickten Flugzeuge als "fliegende Ambulanzen".
Gemeinsame arabische Positionssuche
So vereint wie sie in der Hilfe sind, so unterschiedlich sind die Positionen der arabischen Staaten auf politischer Ebene. Das wurde auch bei einem Krisengipfel zur Lage im Gazastreifen in Kairo am Mittwoch deutlich.
Der saudische Außenminister Saud al-Faisal gab den Palästinensern eine Mitschuld an den israelischen Luftangriffen. "Dieses schreckliche Massaker wäre nicht passiert, wenn das palästinensische Volk vereinigt hinter einer Führung gestanden hätte." Palästinensische Gruppen sollten zu einem Treffen zusammenkommen, das in einer Regierung der nationalen Einheit münden sollte.
Der Präsident der Liga, Amr Mussa, plädierte dafür, die israelischen Luftangriffe vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, ungeachtet eines möglichen Vetos von einem der fünf ständigen Mitglieder.
Aber auch die arabischen Staaten mussten sich von ihm Kritik anhören: "Alle Welt schaut darauf, wie sich die Auseinandersetzungen unter den Arabern in unerträglicher Weise hochschaukeln. Wir müssen uns zusammenfinden und jeder muss aufhören, noch extra Öl ins Feuer zu gießen".
Frankreich bot sich an, seine Rolle als Vermittler im Nahen Osten auch nach Ende der EU-Ratspräsidentschaft am Mittwoch weiter ausüben. Präsident Nicolas Sarkozy will am Donnerstag (01.01.2009) in Paris die israelische Außenministerin Zipi Livni treffen und am Montag selbst nach Israel reisen.
Proteste und abgesagte Silvesterfeiern
In den USA demonstrierten am Dienstag mehr als 1000 Menschen gegen die israelischen Luftangriffe. In Dearborn, einem Vorort von Detroit, trugen die vor allem arabischstämmigen Teilnehmer der Protestaktion einen selbst gebauten Sarg mit den Bildern getöteter und verletzter Kinder. Auch aus New York, Los Angeles, Tampa und Fort Lauderdale in Florida sowie aus Flint in Michigan wurden Protestaktionen gemeldet.
Konzertveranstalter in Dubai und Ägypten sagten ihre für die Silvesternacht geplanten Feiern ab. Der Herrscher von Dubai, Scheich Mohammed bin Raschid al-Maktum, untersagte am Mittwoch sogar offiziell Silvesterfeiern. Die Zeitung "Gulf News" berichtet in ihrer Online-Ausgabe, der Herrscher habe angeordnet, in den Hotels der Tourismus-Metropole dürfe nicht gefeiert werden, während das israelische Militär die Palästinenser töte.
Auch in Saudi-Arabien soll es zu Protesten gekommen sein. Das Innenminsterium widersprach jedoch entsprechenden Berichten, die Polizei habe eine Protestkundgebung in der Stadt Katif im Osten des Königreichs gewaltsam aufgelöst. Das Ministerium hatte am Dienstag einen Antrag liberaler Intellektueller abgelehnt, die eine Solidaritätsdemonstration für die Palästinenser im Gazastreifen organisieren wollten. In Saudi-Arabien sind Demonstrationen verboten. (hy)