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"Israel diktiert den Palästinensern die Bedingungen"

Das Gespräch führte Naser Shrouf25. März 2006

Israels neue Partei Kadima ist nach Einschätzung von Azmi Bischara, Vorsitzender der arabischen Partei Nationale Demokratische Versammlung, nicht bereit, die Rechte der Palästinenser anzuerkennen.

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Azmi BischaraBild: dpa

DW-WORLD.DE: In Israel hat sich mit der neu gegründeten Kadima-Partei die politische Landschaft radikal geändert hat. Was meinen Sie dazu?

Azmi Bischara: Es gibt keine Zweifel daran, dass sich die politische Landschaft in Israel durch die Gründung von Kadima geändert hat. Denn dadurch wurde eine neue rechts gerichtete Partei gegründet. Die alte Rechtspartei Likud findet sich nun in der Opposition. Der Wunsch, sich von den Palästinensern demografisch und ohne faire Lösung abzulösen, verbindet die neue Kadima mit der linken Arbeitspartei. Beide Parteien glauben daran, dass unter den jetzigen Umständen keine Lösung für den Konflikt mit den Palästinensern möglich ist. Demzufolge ist die Weltlage für Israel geeignet, den Palästinensern seine Bedingungen zu diktieren. Dies sind überwiegend die Argumente, die im hiesigen Wahlkampf zu hören sind.

Bringt die Gründung und Kandidatur von Kadima die arabischen Parteien dazu, ihre Wahlstrategie und -programme zu ändern?

Wir sind auf jeden Fall aufmerksamer geworden. Die Tatsache, dass der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon wegen des Abzugs aus Gaza am Ende seines politischen Lebens als Mann des Friedens betrachtet wird, macht unsere Arbeit nicht leichter. Dadurch wird der Kadima-Partei eine gewisse Legitimation verliehen. In den letzten fünf Monaten haben wir unser Bestes getan, das wahre Gesicht von Kadima zu enthüllen und zu zeigen, dass diese Partei nicht bereit ist, die Rechte der Palästinenser anzuerkennen.

Eine große Anzahl israelischer Politiker aus allen politischen Spektren hat sich in Kadima zusammen gefunden und auf ein Programm geeinigt. Warum geschieht das nicht bei den arabischen Parteien in Israel, dass sie als eine Partei mit einem Programm antreten, auch wenn sie unterschiedliche Prinzipien vertreten?

Die Nationale Demokratische Versammlung, die ich vertrete, unternahm 1995 ähnliche Schritte, als sie versuchte, die nationalen zersplitterten Kräfte zu vereinen. Kadima brauchte sich nicht um eine Einigung verschiedener Parteien zu bemühen. Es sind Politiker, denen die internationalen Umstände und die Bush-Administration helfen, den Palästinensern ihre Vorstellungen für die Lösung des Konfliktes zu diktieren. Sie wollten diese Möglichkeit noch unter der Führung von Scharon ausnutzen, um die Grenzen des Staates Israel einseitig festzulegen.

Wie unterscheiden sich die Programme der arabischen Parteien voneinander?

In Israel gibt es zahlreiche kleine Parteien. Im Gegensatz dazu gibt es nur drei arabische Parteien. In Wirklichkeit reflektieren sie die politischen Richtungen, die zurzeit in den arabischen Ländern dominieren. Diese Parteien sind: die konventionelle konservative Bewegung, nämlich die Vereinigte Arabische Liste, die nicht im engeren Sinne des Wortes als islamische Bewegung bezeichnet werden kann, dann gibt es die links eingestellte Demokratische Liste für Frieden und Gleichheit, die aus der israelischen kommunistischen Partei hervorgegangen ist, und schließlich meine Partei, die Nationale Demokratische Versammlung. Ich möchte noch auf etwas hinweisen: eine Union zwischen diesen drei Parteien wird die Zahl der Mandate in der Knesset nicht erhöhen, wie viele Menschen glauben. Dennoch streben wir eine Union an, nicht wegen der Zahl der Mandate, sondern zwecks der Organisierung der 1,2 Millionen Araber in Israel.

Was sind die Kernpunkte der Wahlprogramme der arabischen Parteien? Haben sie eine gemeinsame politische Botschaft?

Wir konzentrieren uns im Wahlkampf nicht auf unsere bekannten Einstellungen zur Lösung des Konfliktes mit den Palästinensern. Das heißt aber nicht, dass wir uns ihnen entfremden. Wir betonen ausdrücklich unsere Haltung, aber die Massen wollen unsere Lösung zu ihren tagtäglichen Problemen hören. Demzufolge finden wir es sehr wichtig, die arabische Präsenz in der Knesset, dem israelischen Parlament, zu erhöhen. Wir verlangen die Handlungsfähigkeit, Rationalität und Modernisierung der israelischen Knesset, damit die Fragen des arabischen Staatsbürgers auch diskutiert und behandelt werden. Die Verdrängung der Araber an den Rand des politischen und wirtschaftlichen Lebens führte zu ihrer Entkräftung und verursachte andere Probleme, mit denen wir uns völlig beschäftigen wollen und müssen. Wir versuchen, den Leuten zu erklären, dass die beste Methode zur Lösung und Behandlung dieser Probleme darin besteht, dass sie sich im Parlament durch arabische und nicht israelische Parteien vertreten lassen.

Die radikale Palästinenserorganisation Hamas ist jetzt an der Macht. Wie sehen Sie ihre kurzfristige Wirkung auf den Verlauf der israelischen Wahlen und auf die Zukunft der Region?

Meiner Meinung nach hat der Wahlsieg von Hamas keine Wirkung auf die israelischen Wahlen; nicht wegen der Angst vieler Beobachter davor, dass Hamas die israelische Gesellschaft nach rechts verdrängen wird; nein, Kadima hat ohnehin Rechtstendenzen. Die Likud-Partei wurde durch den Wahlsieg von Hamas nicht stärker. Ich glaube, der Sieg von Hamas beeinflusst die Wahlen nicht, weil eine Sichtweise der Dinge sich in der israelischen Gesellschaft schon etabliert hat, gleichgültig wer auf der palästinensischen Seite regiert.

Dr. Azmi Bischara ist Vorsitzender der arabischen Partei Nationale Demokratische Versammlung. Seine Partei verfügt zurzeit über drei Mandate in der Knesset, dem israelischen Parlament, und könnte laut Umfragen nach der Wahl auf vier Mandate kommen. Bischara hat in Deutschland in Philosophie promoviert und gilt heute als einer der wichtigsten Vordenker in der arabischen Welt.