Island hat die Wahl
27. April 2013Undank ist der Politiker Lohn, diese Redewendung dürfte Islands Regierungsmitgliedern häufig durch den Kopf gehen. Bei der Parlamentswahl am heutigen Samstag steht die Mitte-Links-Koalition nach übereinstimmenden Umfragen vor der Halbierung ihrer Stimmenzahl, obwohl ihr sogar die heimische Konkurrenz ein freundliches Zeugnis für vier Jahre Krisenmanagement nach dem Bankenkollaps 2008 ausstellt.
"Uns hat der Blick nach vorn gefehlt", gesteht der sozialdemokratische Spitzenkandidat Árni Páll Árnason schon vorab verblüffend ein, dass ein Desaster für seine Partei und den linksgrünen Partner unausweichlich scheint. Beide hatten 2009 die Mehrheit erobert, als ganz Europa von der faktisch bankrotten Atlantikinsel-Republik sprach wie zuletzt von Zypern.
Der aus Altersgründen nicht mehr kandidierenden Regierungschefin Jóhanna Sigurdardóttir (70) bescheinigte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) ein überaus erfolgreiches Krisenmanagement über vier Jahre: Islands Tourismus boomt, die Fischerei floriert, der Staatshaushalt ist fast schon wieder ausgeglichen und die Arbeitslosigkeit unter fünf Prozent gesunken.
Vorwurf: Soziale Ungerechtigkeit
Als Grund für die voraussichtliche Wahlniederlage der rot-grünen Regierungskoalition gilt die nach Meinung vieler Bürger ungerechte Verteilung der Krisenlasten seit dem Kollaps der Banken auf der Insel 2008. Es gibt riesige Verbitterung über die soziale Ungerechtigkeit bei der Krisenbewältigung", sagt Sigmundur Davíd Gunnlaugsson von der liberalen Fortschrittspartei. Die Forderung des Oppositionspolitikers nach einem Schuldennachlass für im Krisengefolge hoch verschuldete Privathaushalte erwies sich als Wahlkampfknüller.
Mit derzeit 26 Prozent in der jüngsten Umfrage für die Zeitung "Fréttabladid" könnte der 38-Jährige nächster Regierungschef in Reykjavik werden und eine Koalition mit der konservativen Unabhängigkeitspartei bilden. Diese traditionell größte Partei Islands holte im Endspurt mächtig auf, liegt derzeit bei 24 Prozent und wird vielleicht am Ende mit ihrem Spitzenmann Bjarni Benediktsson noch das Spitzenamt in der Regierung zurückerobern.
EU-Beitrittsverhandlungen vor dem Aus
Die Unabhängigkeitspartei hatte das Amt 2009 als politisch hauptverantwortlich für das Banken-Desaster abgeben müssen. Der damalige Partei- und Regierungschef Geir Haarde ist dafür rechtskräftig verurteilt. Als sicher gilt eine bürgerliche Mehrheit im neuen isländischen Parlament "Althing" in der Hauptstadt Reykjavik. Nach einem Wahlsieg dürften die Europaskeptiker die seit 2010 laufenden Beitrittsverhandlungen mit der EU auf Eis legen.
Als einzige der bisher führenden Parteien treten die Sozialdemokraten für die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit Brüssel ein. "Da ist die Luft raus. In den nächsten zehn Jahren wird das wohl nichts mehr", sagte der Sozialdemokrat Árnason. Stimmberechtigt sind bei der Wahl 235 000 Bürger der Inselrepublik. Das Ergebnis wird am Sonntagmorgen erwartet.
GD/haz (dpa, afp)