"Iran will seine Verhandlungsmasse herstellen"
9. Mai 2019Deutsche Welle: Ein Jahr nach dem US-Ausstieg aus dem Atomabkommen will der Iran einige seiner Verpflichtungen aussetzen. Warum jetzt?
Ali Fathollah-Nejad: Dieser graduelle Rückzug aus dem Atom-Deal ist das Ergebnis nach der sicherheitspolitischen Debatte der letzten Monate. Solche Überlegungen gab es verstärkt, nachdem der Iran die Effektivität der US-Sanktionen sehr deutlich gespürt hat. Jetzt vor dem Hintergrund der neuen Entwicklungen hat der Iran diesen ersten Schritt eingeleitet.
Was soll mit dieser Entscheidung erreicht werden?
Das Ziel ist, Druck auf die anderen Unterzeichnerstaaten, vor allen Europäer, auszuüben. Der Iran will, dass sie sich gegen die USA durchsetzen.
Kann Europa dem Iran entgegenkommen?
Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Ich sehe nicht, wie die Probleme, so wie es sich die Iraner sich wünschen, gelöst werden können, besonders in Bezug auf das Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten (INSTEX).
Sind weitere Verhandlungen möglich?
Früher oder später wird es zu Verhandlungen kommen müssen, zwischen dem Iran und den USA/dem Westen. Bis dahin soll die Verhandlungsmasse für den Iran wiederhergestellt werden - in dem Sinne, dass der Iran wieder sein Atomprogramm zum Teil aufnimmt und andere Staaten erst dadurch einsehen, vielleicht doch Kompromisse machen zu müssen.
Ein fortgeschrittenes Atomprogramm hatte vor Jahren dazu geführt, dass die USA ihre Forderung, überhaupt keine Urananreicherung im Iran zuzulassen, aufgaben und somit den Weg für weitere Gespräche ebneten.
Was kann Europa nun machen?
Die Europäer können in Bezug auf INSTEX nicht viel machen. Die US-Sanktionen sind diesmal im Gegensatz zu vor zehn Jahren viel stärker. Und das wird sich in nächster Zeit nicht ändern, zumal die USA wohl kaum Kompromiss bei dieser Frage gegenüber den Europäern machen werden.
Dr. Ali Fathollah-Nejad ist Politologe und seit 2017 Gastwissenschaftler am Brookings Doha Center. Vorher war er Iran-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Das Interview führt Shabnam von Hein.