Iran lässt ein Hintertürchen offen
7. Januar 2020Die jüngste Ankündigung des Irans, die Zahl von Zentrifugen über die erlaubte Grenze hinaus zu erhöhen und somit die Uran-Anreicherung voranzutreiben, kam wenige Tage nachdem die USA den iranischen General Ghassem Soleimani durch eine Drohne tötete.
Der Iran hatte mit Rache und massiven Vergeltungsschlägen gedroht. Von diesem Hintergrund wirke die iranische Ankündigung "überraschend vorsichtig", sagt Oliver Meier vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg: "Es standen ganz andere Schritte im Raum, die Iran hätte unternehmen können. Iran bleibt im Abkommen und ist nicht formal ausgetreten, anders als die USA. Iran hat nicht, wie einige befürchtet hatten, explizit angekündigt, auf 20 Prozent Urananreicherung zu gehen. Iran hat nicht explizit angekündigt, sich im Bereich Schwerwasserplutonium nicht weiter an die Bestimmungen des Abkommens zu halten. (Der Schwerwasserreaktor Arak musste laut JCPOA stillgelegt werden, da dort waffenfähiges Plutonium hergestellt werden konnte – Red.) Deshalb ist es eher überraschend, was alles nicht in der Erklärung der Regierung steht."
Diplomatische Mittel und Wege
Hinzu kommt, dass sich Teheran Hintertüren für eine diplomatische Lösung offenlässt. Die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA werde weitergeführt, so die iranische Regierung. Ferner sei man jederzeit bereit, voll und ganz zum Atomabkommen zurückzukehren, sobald letzteres vertragsgerecht umgesetzt und die US-Sanktionen aufgehoben würden.
Ein wichtiges Instrument in diesem Zusammenhang könnte der Konfliktbeilegungsmechanismus sein, der im Atomabkommen vorgesehen ist, und den die EU möglicherweise aktivieren wird. Abrüstungsexperte Oliver Meier sieht darin eine Chance: "Es ist eine Möglichkeit, tatsächlich darüber zu reden, wie man diese Eskalationsspirale zurückdreht und die Verletzungen heilt. Deshalb sind die Meldungen vom Ende dieses Abkommens zu früh."
Aber welche Rolle würden die USA im Falle einer Aktivierung des erwähnten Mechanismus spielen? Oliver Meier sagt hier ganz klar: "Die verbliebenen Parteien müssen deutlich sagen, dass die USA keinerlei Rechte haben, an diesem Mechanismus teilzunehmen und diesen zu beeinflussen."
Wichtige Rolle der IAEA
Angesichts der weiterhin erfolgenden engen Kontrolle durch die IAEA sei es für den Iran äußerst schwierig, einen schnellen Weg zur Atomwaffe zu finden, sagt auch Behrooz Bayat, ehemaliger Berater der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien. Auch das sogenannte Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das der IAEA praktisch unbegrenzte Kontrollbefugnisse einräumt, sei vom Iran bisher nicht in Frage gestellt worden. Fazit: Der Iran ist vom Bau von Nuklearwaffen noch weit entfernt, so Bayat gegenüber der DW. Inwieweit die Führung in Teheran die angekündigte Ausweitung der Kapazitäten seiner Zentrifugen wahr machen kann und was dies in der Realität bedeute, müsse man abwarten, so der Nuklearexperte.
Insbesondere eine Erhöhung der Uranreicherung auf 20 Prozent, wie von einigen im Iran diskutiert, wäre besorgniserregend, erläutert Oliver Meier. "Denn Anreicherung ist kein linearer Prozess. Wenn man Uran auf 20 Prozent anreichert, hat man bereits 90 Prozent der Arbeitsschritte erledigt, um waffenfähiges Spaltmaterial zu bekommen. Und dann dürften die Sorgen wachsen, dass Iran mit seinem Atomprogramm nicht nur friedliche Zwecke verfolgt. Für die Europäer würde es schwerer, weiter hinter dem Atomabkommen zu stehen."
EU: "Lösung mit allen Beteiligten"
Die EU hat die Ankündigung der iranischen Regierung zum weiteren Rückzug aus dem internationalen Atomabkommen zwar "zutiefst bedauert", dennoch die Hoffnung nicht gänzlich verloren. Angesichts der aktuellen Lage sei die "vollständige Umsetzung" der Vereinbarung "durch alle jetzt wichtiger denn je für die regionale Stabilität und die globale Sicherheit", schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag auf Twitter. Er wolle mit allen Beteiligten an einer Lösung arbeiten.