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PolitikAsien

Iran schränkt Atomüberwachung weiter ein

10. Juni 2022

Die iranische Regierung schränkt die Kooperation mit der Atombehörde IAEA weiter ein. Die Rettung des Atomdeals von 2015 wird dadurch zunehmend schwieriger.

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Atomanlage im Iran
Iranische Anlage zur Uran-Konversion (Vorstufe zur Anreicherung) bei IsfahanBild: Getty Images

"Nein, wir gehen keinen Schritt zurück! Diese wirkungslose Resolution wird unsere Position nicht ändern", erklärte Irans Präsident Ebrahim Raisi am Donnerstagnachmittag während einer Reise in die Provinzen des Landes. Er bezog sich auf die Resolution des Gouverneursrates der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA, die dieser am Vorabend verabschiedet hatte. Darin wird der Iran wegen mangelnder Kooperation mit der Atombehörde kritisiert und zur "vollständigen Erfüllung seiner rechtsverbindlichen Verpflichtungen" aufgefordert. Der Iran müsse mit der IAEA "vollumfänglich zusammenarbeiten, um ausstehende Fragen unverzüglich zu klären", heißt es in der von den USA und den drei EU-Staaten Deutschland, Großbritannien und Frankreich eingebrachten Resolution. Für die Resolution stimmten 30 der 35 Mitglieder, nur Russland und China votierten dagegen.

Raisis Rede erinnert viele Iraner an den Ex-Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad. Der hatte mit seiner unversöhnlichen Haltung in der Auseinandersetzung um das umstrittene Atomprogramm Irans und mit Drohungen gegen Israel zwischen 2005 und 2013 das Land in die internationale Isolation geführt.

"Mehr Zweifel und größere Unsicherheit" 

Nun setzt Iran anscheinend erneut auf Konfrontation. Dabei hatte Präsident Raisi vor seiner Wahl vor einem Jahr versprochen, sich für eine Rückkehr zur internationalen Atomvereinbarung von 2015 einzusetzen und in den Beziehungen zum Ausland auf Diplomatie zu setzen. Tatsächlich aber kommen eher feindselige Signale aus Teheran, das die Zusammenarbeit mit der IAEA weiter einschränkt. Als Reaktion auf die irankritische Resolution kündigte Teheran unter anderem die Entfernung von 27 Überwachungskameras der IAEA an seinen Atomanlagen an.

Der Iran entferne damit "im Wesentlichen alle zusätzlichen Überwachungsgeräte, die im Rahmen der internationalen Vereinbarung (JCPoA) von 2015 installiert wurden", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Donnerstag am Sitz der UN-Behörde in Wien. Die internationalen Verhandlungen zur Rettung des Atomabkommens mit dem Iran stünden still, bei der Klärung offener Fragen zum iranischen Atomprogramm habe es keine Fortschritte gegeben. Nach der Entfernung der Kameras würden zwar noch etwas mehr als 40 solcher Geräte im Iran in Betrieb bleiben. Teheran erzeuge jedoch "weniger Transparenz, mehr Zweifel und größere Unsicherheit", so Grossi.

Rafael Mariano Grossi | IAEA Generaldirektor
IAEA-Chef Rafael Grossi zeigt Überwachungssysteme, die im Iran installiert wurdenBild: Askin Kiyagan/AA/picture alliance

Diese Einschätzung teilt Oliver Meier vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg. "Die iranische Ankündigung, 27 Überwachungskameras der IAEA und andere Überwachungstechnologie zu entfernen, sind sehr beunruhigend", sagt er gegenüber der DW. "Die Möglichkeiten der IAEA zur Überwachung des Atomprogramms werden damit auf den Stand von vor 2015 zurückgeworfen. Es dürfte schwierig werden, die Verifikationsmöglichkeiten, die im Ramen des JCPoA etabliert wurden, wiederherzustellen."

"Iran begibt sich auf gefährlichen Pfad"

Die Führung Irans fühlt sich von der IAEA ungerecht behandelt. Ihre Resolution sei "unausgewogen", lässt das Außenministerium in Teheran verlauten. "Unsere Zusammenarbeit mit der IAEA wird nicht wertgeschätzt", heißt es weiter. Tatsächlich jedoch weigert sich der Iran bislang, einige wichtige Fragen der IAEA zu beantworten. Zum Beispiel: Woher stammen die radioaktiven Spuren in verschiedenen Orten, die vom Iran nicht als Standort nuklearer Aktivitäten deklariert wurden?

Oliver Meier verweist darauf, dass in der Resolution des IAEA-Gouverneursrats nur in zurückhaltender Weise auf eine Aufklärung der vergangenen militärischen Atomaktivitäten gedrängt werde. Dass der Iran sich dennoch entschieden habe, Überwachungstechnologie der IAEA abzubauen, sein ein Indiz dafür, dass Teheran das Interesse an einer Rückkehr zum JCPoA verliere. "Dieser Vertrauensverlust dürfte schwer aufzufangen sein, wenn Iran seine Entscheidung nicht kurzfristig korrigiert."

Oliver Meier, Stiftung Wissenschaft und Politik
Friedensforscher Meier: Iran hat offenbar Interesse an Rettung des Atomdeals verlorenBild: Stiftung Wissenschaft und Politik

Teheran betont stets, Nukleartechnologie nur für friedliche Zwecke nutzen zu wollen. Angereichertes Uran wird unter anderem als Brennstoff in Kernreaktoren verwendet. Iran hat aktuell 43 Kilogramm Uran bis zu einem Reinheitsgrad von 60 Prozent angereichert. Für Atomwaffen ist ein Niveau von etwa 90 Prozent erforderlich. "Auch ohne JCPoA bleibt Iran Mitglied des Atomwaffensperrvertrags (NPT, Non-Proliferation Treaty) und der Atomwaffenbesitz damit verboten", erklärt Meier. "Die unter dem NPT vorgeschriebenen Kontrollen allein sind allerdings nicht ausreichend, um Vertrauen in die friedlichen Absichten hinter Irans Atomprogramm wiederherzustellen. Damit begibt sich Iran auf einen gefährlichen Pfad, denn Israel und die USA dürften eine solche verminderte Transparenz des iranischen Atomprogramms nicht hinnehmen, wenn gleichzeitig die Anzahl der in Betrieb befindlichen modernen Zentrifugen massiv erhöht wird", so die Warnung des Friedensforschers. Die IAEA hatte kurz vor der Sitzung des Gouverneursrates bestätigt, dass der Iran mit der Installierung moderner Zentrifugen zur Urananreicherung fortfährt.  

Sanktionen gegen Revolutionsgarden

"Der Iran muss mit der IAEA zusammenarbeiten und technisch glaubwürdige Informationen als Antwort auf die Fragen der IAEA vorlegen", forderte US-Außenminister Antony Blinken am Mittwoch. Blinken verwies darauf, dass es bei der Resolution um die Verpflichtungen Teherans im Atomwaffensperrvertrag gehe, nicht um das Abkommen von 2015. Die Vereinigten Staaten setzten sich weiterhin für eine beiderseitige Rückkehr zur vollständigen Umsetzung der Vereinbarung von 2015 ein. Die Verhandlungen könnten aber nur abgeschlossen werden, wenn der Iran seine zusätzlichen Forderungen fallen lasse, die mit dem Abkommen nichts zu tun hätten.

Teheran fordert, dass US-Sanktionen gegen die politisch und wirtschaftlich mächtigen iranischen Revolutionsgarden aufgehoben werden und dass die Einstufung als Terrorgruppe durch den früheren US-Präsidenten Donald Trump rückgängig gemacht wird. Washington will jedoch weiter Druck auf die Garden ausüben, die in verschiedene Konflikte wie beispielsweise in Syrien, im Irak und im Jemen verwickelt sind.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben den Iran vor weiteren Schritten gewarnt, die eine Wiederbelebung des Atomabkommens gefährden könnten. Teheran müsse die "nukleare Eskalation" einstellen und "dringend die auf dem Tisch liegende Vereinbarung" zur Rettung der Vereinbarung annehmen, erklärten die Außenministerien der drei Länder am Donnerstag.