Irak: Konflikt unter Moslems eskaliert
30. Dezember 2013Bei der Räumung des wichtigsten Protestlagers sunnitischer Regierungsgegner im Irak sind mindestens zehn Menschen getötet und etwa 30 weitere verletzt worden. Bei den Opfern des Polizeieinsatzes in Ramadi handele es sich um Aktivisten, sagte ein Arzt im Krankenhaus der 380 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt. Nach Polizeiangaben griffen die Ausschreitungen auf die Nachbarstadt Falludscha über.
In einer ersten Reaktion auf das Blutvergießen erklärten 44 Abgeordnete des Parlaments ihren Rücktritt. In einer Erklärung im Fernsehen forderten sie den Rückzug von Polizei und Armee und die Freilassung des sunnitischen Abgeordneten Ahmed al-Alwani.
Sunniten gegen die Staatsmacht
Rund um das Lager in Ramadi in der Sunniten-Provinz Anbar war es zu Zusammenstößen von Bewaffneten mit Polizisten gekommen (Artikelfoto). Hubschrauber feuerten in die Menge, Demonstranten setzten mindestens zwei Polizeiautos in Brand. Der Polizeichef der Provinz sagte dem staatlichen Fernsehsender Irakija, auf dem Gelände seien zwei Autobomben sowie weitere Sprengsätze gefunden worden.
Die gewaltsamen Zusammenstöße drohen die Wut der sunnitischen Minderheit auf die von Schiiten geführte Regierung weiter anzufachen. Islamische Geistliche in Ramadi riefen zum "Heiligen Krieg" auf.
Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte das Protestcamp vor wenigen Tagen als "Hauptquartier der Al-Kaida-Führung" verunglimpft. Er rief die Demonstranten auf, den Platz so schnell wie möglich zu räumen.
In der Nachbarstadt Falludscha kam es ebenfalls zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Militante Aktivisten zündeten mehrere Militärfahrzeuge an, wie ein Polizeisprecher sagte.
Brandherd Ramadi
Bereits am Samstag war es in Ramadi zu Unruhen mit Todesopfern gekommen, nachdem Sicherheitskräfte das Haus des sunnitischen Parlamentariers al-Alwani durchsucht und den Politiker festgenommen hatten. Bei Zusammenstößen wurden der Bruder des Abgeordneten, fünf Wachleute und ein Polizist getötet.
Die Proteste in Ramadi hatten Ende vergangenen Jahres begonnen, als Leibwächter des damaligen Finanzministers und einflussreichen sunnitischen Politikers Rafa al-Essawi wegen Terrorverdachts festgenommen wurden. Kritiker werteten dies als weiteres Beispiel der Unterdrückung der sunnitischen Bevölkerung durch die schiitisch dominierte Führung.
Die Zahl der Gewalttaten im Irak nahm in diesem Jahr stark zu. Ein wesentlicher Grund für die Spannungen im Land ist der Unmut der sunnitischen Bevölkerungsgruppe, die sich durch die Regierung diskriminiert und unterdrückt fühlt. Seit Jahresbeginn wurden im Irak nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP mehr als 6750 Menschen getötet.
SC/det (afpf, dpa, APE)