Solarboom beschleunigt Energiewende weltweit
14. Juni 2023In diesem Jahr kamen über 106.000 Menschen aus 166 Ländern zur IntersolarEurope in München, ein neues Rekord. 65.000 waren es im letzten Jahr.
"Wir sehen einen Rekordzuwachs der Photovoltaik in Deutschland und weltweit wieder enormes Interesse an der solaren Energie in Europa. Auch der traurige Anlass des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise hat dazu geführt, dass hier die Nachfrage durch die Decke geht." sagt Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft.
"Wir haben nun viel Rückenwind, vieles wird vereinfacht, es gibt eine Aufbruchstimmung nach vorne", erklärt Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Leiter von Europas führendem Solarforschungsinstitut Fraunhofer ISE. Er betont die positiv veränderte Situation in der Branche durch die derzeitige deutsche Regierungspolitik.
Die Messe bietet dieses Jahr auf 40 Prozent mehr Ausstellungsfläche vielfältige Einblicke in die neuesten Entwicklungen: Solarmodule für Häuser, Garage, Fabrikdach, Balkon oder Camping, transparente Anlagen auf hohen Gestängen für die Landwirtschaft, damit Landwirte auch darunter ernten können, Spezialgestelle für Solarparks auf Müllkippen, schwimmende Module für Wasserflächen oder Anlagen in der Wüste mit großen Batteriespeichern für kontinuierliche Stromversorgung.
"Es ist super voll hier, die Leute interessieren sich sehr für unsere Produkte", sagt eine Ausstellerin aus Spanien. Ihre Firma konzipiert Solar-Großanlagen, jetzt nutzt sie ihre Pause, um sich selbst umzuschauen. "Ich habe eben einen Stand mit Wasserstofftechnik gesehen und einen mit neuster Batterietechnik. Ich könnte hier wirklich die drei Tage herumlaufen und mir alles anschauen."
Es gibt viele internationale Besucher, auch aus Asien, den USA und afrikanischen Ländern. "Ich bekomme hier viele Kontakte und Ideen", so eine Besucherin aus Äthiopien, "das ist wichtig für meine Arbeit zuhause".
"Ich bin hier um den europäischen Markt zu studieren für den Absatz unserer Produkte", erzählt ein chinesischer Messegast. China ist derzeit der mit Abstand größte Exporteur für Solarmodule, doch auch andere Länder wollen beim Solarboom mitmischen.
Solarstrom wird immer günstiger
Die Energiewelt ist im radikalen Umbruch. Strom aus Windkraft und Photovoltaik kostet laut der US-Investmentbank Lazard in den USA inzwischen nur noch halb so viel wie aus Kohle und nur noch ein Drittel im Vergleich zur Atomkraft. Und weil Module immer effizienter und in größerer Menge produziert werden, werden die Preise für Solarstrom immer günstiger.
Die Produktion von Strom mit großen Solarkraftwerken in sonnenreichen Regionen kostet derzeit 2 bis 3 Eurocent pro Kilowattstunde, bald werde sie noch günstiger, "unter einen Eurocent pro Kilowattstunde", das prognostiziert der führende Solarökonom Prof. Christian Breyer von der LUT in Finnland.
Diese Entwicklung verdränge zunehmend den Strom aus Kohle und Uran und mache auch die Produktion von grünem Wasserstoff attraktiv, betont Breyer gegenüber der DW.
Solarboom nimmt weltweit Fahrt auf
Der auf der Intersolar vorgestellte Global Market Outlook For Solar Power, eine Bestandsaufnahme der weltweiten Solarentwicklung, zeigt den steigenden Ausbau der Photovoltaik weltweit. 2022 wurden Anlagen mit einer Kapazität von 239 Gigawatt (Vorjahr 186 GW) neu errichtet. Damit waren es bis Jahresende 1177 GW weltweit (siehe Grafik). Zum Vergleich: Die Leistung eines großen Kohlekraftwerks liegt bei rund 0,7 GW, ein AKW liefert etwa ein GW.
In den nächsten fünf Jahren prognostiziert der Solar-Outlook einen starken Anstieg. Bei einem mittleren Szenario wird sich die global installierte Leistung demnach bis 2027 im Vergleich zu heute auf rund 3531 GW verdreifachen. Breyer und andere Experten gehen davon aus, dass sich bis 2030 die globale installierte Photovoltaik-Leistung auf rund 7500 GW erhöht. Der Anteil von Solarkraft an der globalen Stromerzeugung werde dann "voraussichtlich bei 30 Prozent sein", so Breyer.
China ist Solar-Weltmeister bei Ausbau und Export
Derzeit treibt vor allem China den globalen Solarausbau voran. Dort sind schon heute 402 GW installiert, in den nächsten fünf Jahren sollen laut dem Solar Outlook rund 873 GW dazukommen. In den USA werden laut Outlook in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich rund 253 GW zugebaut, in Indien 145 GW und in Deutschland 88 GW.
Führend ist China derzeit auch bei der Produktion von Solarzellen und Modulen. Rund 80 Prozent aller Komponenten für Solarmodule weltweit werden laut der Internationaler Energieagentur (IEA) heute in China produziert und laut aktuellem Bericht von Hans-Josef Fell, Präsident der Energiewatch Group, will das Land die Kapazität weiter stark ausbauen. Dann könnte China jährlich Module mit einer Gesamtkapazität von 1000 GW produzieren und damit einen Großteil der globalen Nachfrage bedienen.
Europa will eigene Solarindustrie wieder ankurbeln
Neue Fabriken für die Produktion von Solarzellen und Modulen sollen jetzt auch wieder in Europa entstehen. EU-Politiker und europäische Hersteller gründeten deshalb im Dezember 2022 eine PV-Industrie Alliance. Ab 2025 sollen demnach in Europas Fabriken PV-Module mit einer Leistung von 30 GW jährlich hergestellt werden. Mehr als 100.000 Solar-Jobs sollen dabei allein in der Produktion entstehen.
Eine eigene Solarindustrie will auch die indische Regierung aufbauen. Dieses Jahr sollen Module mit einer Kapazität von 23 GW dort produziert werden und 100 GW im Jahr 2027. Indien hatte laut dem Outlook bis Ende 2022 bereits Solarparks und Dachanlagen mit einer Erzeugungskapazität von 64 GW installiert, bis 2030 sollen es 300 GW werden.
Solarstrom soll wichtigste Energiequelle werden
Künftig soll die Stromerzeugung mittels Sonnenenergie zur wichtigsten Energie werden. Laut LUT-Studie liegt der günstigste Mix für die globale Versorgung mit Strom, Wärme und Energie (Strom und Kraftstoff) für den Verkehr bei rund 70 Prozent Solarenergie, gefolgt von Windkraft (18 %), Biomasse (5 %) und Wasserkraft (3 %).
Rund 60.000 Gigawatt installierte Solarkraft werden für solch ein Energiesystem weltweit gebraucht, erklärt Solarforscher Prof Eicke Weber gegenüber der DW . Er ist überzeugt, dass sich diese Energie auch aus wirtschaftlichen Gründen weltweit durchsetzen wird.
Ob die globale Umstellung jedoch noch schnell genug gelinge, um auch die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, bleibe offen, betont Weber in einem aktuellen Podcast zur Zukunft der Solarenergie.