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Interethnische Spannungen

24. Juni 2010

Die Meinungen, wie es um die interethnischen Beziehungen in Mazedonien steht, gehen auseinander. Einer Studie des Europarats zufolge sind die Spannungen besorgniserregend. Mazedonische Experten widersprechen.

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Straßenszene im mehrheitlich von Albanern bewohnten Tetovo
Albaner - wie hier in Tetovo - stellen die größte Minderheit in MazedonienBild: Petar Stojanovski

Im Rahmen der EU-Annäherung Mazedoniens hat die bei Europarat angesiedelte Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) eine Studie herausgegeben. Demnach besteht "eine besorgniserregende Tendenz zur ethnischen Teilung und Intoleranz zwischen Mazedoniern und Albanern". In der mazedonischen Öffentlichkeit werden die Ergebnisse der Studie als zu pessimistisch betrachtet. Man müsse differenzieren zwischen der Meinung der normalen Bevölkerung und der der Politiker. Die Bevölkerung vertrage sich untereinander im Alltag, die Politiker jedoch schürten aus Selbstzweck die ethnische Intoleranz.

Positiver Trend

South East European University Tetovo 2.jpg As for the rights to publish this photos with my name on them, here I confirm that DEUTSCHE WELLE HAS THE RIGHTS TO PUBLISH ALL THE PHOTOS SENT FROM MYSELF PETR STOJANOVSKI, WITH NO TIME LIMIT. Best regards, Petr Stojanovski,
Mulitkulti auf dem Lehrplan der Südosteuropa UniversitätBild: Petar Stojanovski

Diesen Eindruck der mazedonischen Bevölkerung bestätigt auch eine Umfrage der privaten Südosteuropa Universität im mehrheitlich von Albanern bewohnten Tetovo. Dafür wurden im September 2009 mehr als tausend Angehörige aller ethnischen Gruppen in Mazedonien befragt. Laut Umfrageergebnis gibt es einen positiven Trend: Die interethnischen Spannungen unter den ethnischen Gemeinschaften in Mazedonien sinken. Ferner hätten interethnische Freundschaften zugenommen und die Vorurteile gegen Angehörige anderer Ethnien seien im Vergleich zu vorherigen Umfrageergebnisse gesunken.

Die private Südosteuropa Universität führt regelmäßig Umfragen dieser Art durch. Sie hat sich der Völkerverständigung verschrieben und bietet Studiengänge in mehreren Sprachen für alle Ethnien an.

Gegenseitiger Respekt

Mirjana Maleska ist Politologin und war im Expertenteam, das die Studie ausgearbeitet hat. Sie sagt, die Umfrage habe gezeigt, dass die meisten Befragten Freunde außerhalb ihrer eigenen Ethnie hätten. Auch würden sie in Geschäften von Angehörigen anderer Ethnien ohne Vorbehalte einkaufen. In einigen Gegenden mit mehrheitlich albanischer Bevölkerung gab ein Drittel der Befragten an, Geschäftsbeziehungen mit Angehörigen anderer Ethnien zu unterhalten. Bashkim Bakiu, Experte für interethnische Beziehungen, teilt die Meinung von Maleska, die den Bericht der ECRI für zu negativ hält. "Die Lage ist in der Realität nicht so negativ, weil sich Mazedonier und Albaner mit Respekt begegnen. In ethnisch gemischten Gegenden, wo die Menschen zusammenleben, gibt es keine Polarisierung. Die gibt es vielleicht dort, wo es keinerlei Berührungspunkte zwischen Albanern und Mazedoniern gibt", so Bakiu.

Gemeinsame Idole

Porträt von Mutter Tereza (Foto: Picture Alliance)
Mutter Tereza mit VorbildfunktionBild: picture-alliance / united archives

Ganz anders verhalte es sich mit den interethnischen Beziehungen aus Sicht der politischen Elite im Land, meint Maleska. Bakiu bekräftigt: Erst die Hetzkampagnen, die auf der albanischen und mazedonischen Seite sowohl auf kommunaler als auch auf landesweiter Ebene vorkämen, die Gesellschaft teilten. "Die politischen Parteien und die politischen Entscheidungsträger setzen ihre politische Mittel bewusst ein, um die ethnischen Gruppen zu provozieren oder Angehörige anderer Ethnischen auszugrenzen", so Bakiu.

In Mazedonien habe es bislang nur wenige Politiker gegeben, die gewissenhaft mit der Frage der interethnischen Toleranz und Koexistenz umgegangen seien, meint auch Zhidas Daskalovski, der ebenfalls an der Ausarbeitung der mazedonischen Studie mitgewirkt hat. Ihm zufolge ist es in einer multiethnischen Gesellschaft erforderlich, gemeinsame Werte und Ideale zu entwickeln, um eine homogene nationale Einheit zu schaffen. "Wir brauchen Idole wie Mutter Teresa", so sein Credo. Mit dieser in Skopje geborenen Albanerin würden sich alle im Lande identifizieren. Und solche Figuren trügen erheblich dazu bei, die ethnischen Gemeinschaften zusammenzuschweißen.

Internationale Gemeinschaft gefragt

Mirjana Maleska fordert zudem die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bei Mazedoniens euro-atlantischer Integration, der Aufnahme in NATO und EU. Sie erhofft sich dadurch eine deutliche Besserung der ökonomischen Lage im Land, denn die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit wirke sich negativ auf das Zusammenleben der Ethnien aus. Die gegenseitigen Anfeindungen der politischen Parteien würden interethnische Spannungen schüren. Und auch da fordert Maleska von der internationalen Gemeinschaft einzugreifen: "Die internationale Gemeinschaft muss der politischen Elite verdeutlichen, dass sie weder Nationalismus noch Hassreden duldet - unabhängig davon, von welcher Seite die Angriffe kommen." Sie setzt damit auf den Druck, den die internationale Gemeinschaft auf Mazedonien ausüben kann in der Hoffnung, dass die euro-atlantische Integration des Landes mit Auflagen verknüpft wird - wie der Besserung der interethnischen Beziehungen.

Autoren: Sime Nedevski / Mirjana Dikic

Redaktion: Mareike Röwekamp