Tiefseebergbau: Die Jagd nach Metallen am Meeresboden
5. August 2024Rund einen Monat lang verhandelten Vertreter aus aller Welt über die Zukunft des Tiefseebergbaus in Jamaika. Dort sitzt die Internationale Meeresbodenbehörde ISA, die an einem Regelwerk für den Abbau der Rohstoffe im Meer arbeitet. Noch sind viele Fragen offen.
Was ist der aktuelle Stand beim Tiefseebergbau?
Bis 2025 will die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) eigentlich verbindliche Regeln für den Tiefseebergbau festgelegen, denn ohne kann der Abbau unter Wasser nicht starten. Die Beratungen über die Vereinbarungen laufen schon mehrere Jahre. Doch bei der jüngsten Verhandlungsrunde im ISA-Rat in Jamaika Ende Juli wurde klar, dass vieles im Regelwerk noch strittig ist, darunter die Frage, wie Umweltschäden vermieden werden und die Überwachung unter Wasser geregelt werden sollen.
Mehrere Staaten, darunter Deutschland, Brasilien und der Inselstaat Palau fordern, solange keine Regeln für den Tiefseebergbau zu verabschieden, bis die Umweltfolgen genauer erforscht sind. China - zusammen mit Nauru, Norwegen und Japan - dagegen drängt auf schnelle Einigung, um mit dem Abbau bald beginnen zu können. Doch das könnte dauern.
Denn inzwischen machen sich 32 der 169 in der ISA vertretenen Länder für eine Pause, ein Moratorium oder sogar ein Verbot für den Tiefseebergbau stark. Das fordern auch Umweltverbände und viele Wissenschaftler.
Trotz der Bedenken hat der kanadische Konzern The Metals Company (TMC) jedoch angekündigt, noch dieses Jahr einen Antrag für den kommerzielle Abbau in der Tiefsee bei der ISA zu stellen.
Wer profitiert vom Tiefseebergbau?
Beim Tiefseebergbau geht es vor allem um den Abbau von Manganknollen und andere Mineralien vom Boden der sogenannten Hohen See. Diese umfasst etwa die Hälfte der Weltmeere.
Diese Gebiete sind als "gemeinsames Erbe der Menschheit" klassifiziert, die Rohstoffe dort gehören keinem einzelnen Staat, sondern allen Menschen. Für die Verwaltung und Überwachung von Bergbau in diesem Gebiet ist gemäß dem UN-Seerechtsübereinkommen die ISA zuständig.
Viele Länder und Unternehmen sind am kommerziellen Abbau in der Tiefe interessiert. Bisher hat die ISA 31 Lizenzen zur Erkundung von bestimmten Gebieten erteilt. Fünf davon gingen an chinesische Firmen. Aber auch viele andere Länder, wie Deutschland, Indien und Russland sind an Erkundungen beteiligt.
Das Seerechtsabkommen sieht vor, dass Gewinne aus dem Tiefseebergbau in der Hohen See gerecht mit anderen Staaten geteilt werden soll. Kritiker wie die Deep Sea Conservation Coalitionsind jedoch skeptisch.
Metalle in 6000 Meter Tiefe
Besonders interessiert sind Unternehmen an sogenannten polymetallischen Knollen, auch Manganknollen genannt. Sie entstehen über Millionen Jahre durch Sediment-Ablagerungen.
Die Knollen sind etwa so groß wie Kartoffeln und enthalten Rohstoffe wie Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel – Rohstoffe, die für die Herstellung von Batterien etwa für Elektroautos gebraucht werden. Durch die Energiewende wird sich der Bedarf an diesen Rohstoffen laut Berechnungen der Internationalen Energie Agentur (IEA) bis 2040 verdoppeln.
Große Mengen Manganknollen liegen auf dem Meeresboden in 4000 bis 6000 Metern Tiefe in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im östlichen Pazifik zwischen Hawaii und Mexiko. Sie könnten durch Absaugen mit automatischen Saugrobotern gehoben und über kilometerlange Schläuche an die Oberfläche gezogen werden.
Auch der Meeresboden in anderen Teilen des Pazifiks, im Indischen Ozean und im Atlantik ist reich an Mineralien. Dort sind außer den Manganknollen auch polymetallische Sulfide (Massivsulfide) und kobalthaltige Krusten an Unterwasser-Bergen für den Bergbau interessant. Besonders die sehr harten kobalthaltigen Krusten sind allerdings schwerer vom Meeresboden aufzubrechen.
Was ist das Problem für die Ökosysteme der Tiefsee?
Manganknollen und Mineralkrusten in der Tiefsee sind keine toten Steine, sondern ein wichtiger Lebensraum für viele Meeresbewohner. Mehr als 5000 teils kaum erforschte Artenleben laut Forschern allein in der Clarion-Clipperton-Zone. Dabei sind die Bedingungen in mehr als 4000 Metern Tiefe denkbar schwierig: Der Wasserdruck ist hundertmal höher als an Land, es gibt kein Sonnenlicht und nur wenige Nahrungsquellen.
Darum sind die Ökosysteme am Tiefseeboden mit ihren an die extremen Lebensbedingungen angepassten Arten auch sehr empfindlich. Wenn Saugroboter über riesige Flächen rollen, um Manganknollen zu finden, werden dabei der Boden zerstört und zahlreiche Meereslebewesen eingesaugt. Lärm-, Lichtverschmutzung und weitreichende aufgewirbelte Sedimentwolken könnten auch kilometerweit entfernte Ökosysteme beeinträchtigen. Zudem könnte der Fischfang über den Abbaugebieten dauerhaft geschädigt werden.
Doch noch ist kaum ein Prozent der Tiefseegebiete überhaupt erforscht. Eine im Juli veröffentlichte Studieetwa weist darauf hin, dass die Mineralien in Manganknollen in der Tiefsee ganz ohne Sonnenlicht durch Elektrolyse Sauerstoff erzeugen könnten.
Bisher wurde angenommen, dass das in der Natur nur durch Photosynthese geschieht. Weitere Untersuchungen dazu sind nötig. Meeresforscher warnen, dass es fatale Folgen auf Biodiversität und bisher wenige bekannte Prozesse im Meer haben würde, mit dem Bergbau zu beginnen, ohne ausreichende Erkenntnisse über mögliche Folgen zu haben. Die Forschung dazu könnte mindestens 10 bis 15 Jahre oder länger dauern, auch weil die Regionen so schwer zu erreichen sind.
Lohnt sich der Metall-Abbau in tausenden Meter Tiefe überhaupt?
Länder wie China versprechen sich hohe Gewinne und unabhängige Rohstoffquellen. Sie gehen von einem jahrzehntelangen Abbau für die Industrie und die Energiewende aus.
Die Unternehmen sagen, dass Tiefseebergbau weniger klimaschädlich sei als an Land und keine Menschenrechtsverletzungen geschehen würden.
Eine von Greenpeace beauftragte Studie des Öko-Institutsergab jedoch, dass für die Energiewende gar keine Rohstoffe aus Manganknollen gebraucht würden. Beispielsweise werden inzwischen neue Batterietechniken wie etwa Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren entwickelt.
Kritiker wenden auch ein, dass die Kosten und technischen Risiken des kommerziellen Abbaus unterschätzt würden. Die Technik ist bisher nicht ausgereift. Der enorme Wasserdruck auf Saugroboter und andere Maschinen in 4000 bis 6000 Metern Tiefe wäre extrem hoch, das macht auch Reparatur und Wartung schwierig.
Eine wachsende Reihe großer Konzerne, darunter SAP, BMW, Volkswagen, Google und Samsung SDI haben sich bereits verpflichtet, keine Tiefsee-Rohstoffe zu verwenden und den Abbau nicht zu unterstützen. Mehrere Versicherungsunternehmen wie Swiss Re haben angekündigt, solche Projekte nicht zu versichern. Auch das könnte der Profitabilität schaden.
Wann könnte der Abbau im Meer starten?
Bisher werden die potentiellen Abbaugebiete nur erkundet. Lizenzen für den Abbau gibt es noch nicht. The Metals Company will aber noch dieses Jahr einen Antrag für den kommerziellen Tiefseebergbau bei der ISA stellen. Mit ihrer Tochterfirma im Inselstaat Nauru will TCM ab 2026 in der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik aktiv werden. Ob und wann die ISA den Antrag genehmigen könnte, ist noch nicht klar.
Unabhängig davon will Norwegen mit Tiefsee-Bergbau so bald wie möglich im Nordatlantik zwischen Grönland und Spitzbergen starten. Das hatte das Parlament des Landes im Januar beschlossen. Das 281.200 Quadratkilometer umfassende Gebiet, etwa so so groß wie das Vereinigte Königreich, liegt in etwa 1500 Meter Tiefe auf dem Kontinentalschelf. Der Ozeanboden dort gehört zu Norwegen, die ISA ist daher nicht zuständig. Nächstes Jahr sollen Erkundungslizenzen vergeben werden, ab 2030 soll der Bergbau starten.
Dagegen klagt derzeit der Umweltverband WWFvor Gericht. Wissenschaftler warnen vor nicht mehr umkehrbaren Beeinträchtigungen für das arktische Ökosysteme und den Fischfang. Auch Japan plant Tiefseebergbau in seinem nationalen Hoheitsgebiet.
Redaktion: Sarah Steffen