„Wir brauchen Bildung, Bildung, Bildung“
3. Juni 2016Eine Ausweisung sei in vielen Fällen schwierig, die Herkunftsländer würden die Menschen „nicht zurücknehmen“. Zudem sei ein Drittel der Intensivtäter minderjährig. Es gebe „eindeutig Parallelstrukturen“, ihr Bezirk sei aber nicht das Molenbeek von Deutschland.
In Berlin-Neukölln leben über 300.000 Menschen aus 150 Nationen, der Stadtteil ist Schwerpunkt der arabischsprachigen Community. Die Menschen hätten sich in ihrer Parallelwelt „eingerichtet, in der eigenen Community klarzukommen, nicht Deutsch sprechen zu müssen, den eigenen Arzt, die eigenen Geschäfte zu haben“. Unterschiedliche Kulturkreise in einer Stadt seien „per se nicht verwerflich“. Schwierig werde es, wenn sich die Menschen „nicht mehr unserer demokratischen Grundordnung verpflichtet fühlen“.
Flüchtlingsunterkünfte als „neues Geschäftsfeld"
Giffey bestätigte, dass sich „die Geschäftsfelder der kriminellen Strukturen“ verändert hätten. Neben Prostitution, Glücksspiel und Menschenhandel gehe es heute auch um Immobilien, um die „Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften“. Dies sei zwar in der Regel nicht illegal, sie sehe aber die Gefahr, dass vor allem minderjährige Flüchtlinge ohne Orientierung „in solche Strukturen geraten und dann abgleiten“, so die SPD-Politikerin.
Man müsse versuchen, die jungen Menschen „so schnell wie möglich in die Schule zu bringen“. Giffey verwies auf über 60 Willkommensklassen im Bezirk. Die Jugendlichen bräuchten eine Perspektive, „damit sie in Ausbildung und Arbeit kommen, in normale Wohnverhältnisse. Das muss schneller gehen und dafür brauchen wir Unterstützung, personell und finanziell“, so Giffey im Interview der Woche im deutschen Auslandssender. Das Entscheidende sei „Bildung, Bildung und nochmals Bildung“.
„Es gibt Grundsätze, die nicht verhandelbar sind“
Die Bürgermeisterin bestätigte auch, dass in Neukölln „drei Moscheen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen“. Giffey verwies zugleich auf die bestehende „intensive Zusammenarbeit“ von Bezirksamt, Polizei, Integrationsbeauftragter und Migrantenvereinen. „Das wichtigste ist ja, dass wir wissen, was dort passiert.“
Giffey sagte, sie setze auf Dialog, sehe in der Vielfalt auch Chance und Potenzial. Neukölln sei ein Szenebezirk, „vergleichbar mit anderen Vierteln in der Welt, die sich auch entwickelt haben“. Man dürfe in der Integrationspolitik nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. „Es geht darum, Parallelgesellschaften zu verhindern, früh anzusetzen.“ Zugleich brauche man „einen starken Staat, der sagt: Es gibt Grenzen. Und es gibt eine Verfassung. Und es gibt Grundsätze für uns, die nicht verhandelbar sind.“
Lesen Sie zum Thema Integration auch den Gastbeitrag von Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen, in der neuen Ausgabe des DW-Magazins „Weltzeit“:
https://issuu.com/deutsche-welle/docs/weltzeit_2_2016/14