INGA-Staudamm: trügerische Hoffnung für die Bevölkerung des Kongo
5. März 2014Elektrizität - und vor allem ihr Fehlen - ist im Kongo ein ständiges Ärgernis. "In Kinshasa leiden wir sehr unter dem schlechten Zugang zum Strom", sagt ein Bewohner der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo der Deutschen Welle. In Kinshasa sei die Lage kaum besser als im Rest des riesigen afrikanischen Landes: Nahrungsmittel verdürben, weil es keine Möglichkeit zum Kühlen gebe, erzählt der Mann. Diebe hätten im Schutz der Dunkelheit in unbeleuchteten Häusern und Straßen leichtes Spiel, so die Klage vieler Kongolesen, von denen nicht einmal jeder zehnte überhaupt Zugang zum Stromnetz hat.
Viele setzen ihre Hoffnung auf ein Großprojekt, das 400 Kilometer westlich von Kinshasa entstehen soll - den Inga-III-Staudamm. Es ist ein gigantisches Wasserkraftprojekt, das die kongolesische Regierung nahe der Kongo-Flussmündung plant. Zwölf Milliarden Dollar soll der Damm kosten. Ein Drittel der Summe will die Regierung in Kinshasa selbst bestreiten - und würde sich den Staudamm damit ein halbes Jahresbudget kosten lassen. Die Weltbank sowie eine Reihe von nationalen und internationalen Unternehmen sollen den Rest übernehmen.
Das Wasserkraftwerk, das 4800 Megawatt Strom produzieren soll, hat Symbolcharakter für das schwach entwickelte zentralafrikanische Land. Außer endlich verlässlich Strom für die Bewohner Kinshasas zu liefern, könnte Inga III auch die Umwelt schützen, sagt Nene Mainzana vom kongolesischen Zentrum für innovative Technologien und nachhaltige Entwicklung (CTIDD). "Inga könnte eine kongolesische Antwort im Bereich der erneuerbaren Energien sein", sagt sie der DW. "Man könnte alle Kongolesen mit Strom versorgen und gleichzeitig etwas gegen die Abholzung kongolesischer Wälder tun."
Ein Kraftwerk für ganz Afrika
Dass der Damm einmal alle Kongolesen mit Strom versorgen wird, daran glauben Kritiker allerdings nicht. Afrikanische Regierungen sähen große Infrastrukturprojekte meist vor allem als Prestigeobjekte, sagt Rudo Sanyanga aus dem Afrika-Büro der Nichtregierungsorganisation International Rivers im südafrikanischen Pretoria. Tatsächlich ist ein Großteil des Energieertrags von Inga III schon fest verplant - und zwar nicht für die kongolesische Bevölkerung. Im vergangenen Jahr sagte die südafrikanische Regierung zu, dem Kraftwerk 2500 Megawatt - also gut die Hälfte der Gesamtleistung - abzunehmen. Weitere 1300 Megawatt sollen in die Rohstoffförderung in der kongolesischen Bergbauregion Katanga fließen.
Die kongolesische Regierung ist dagegen überzeugt, dass diese Lösung am besten für die Entwicklung der Region ist. "Das wichtigste ist, dass das Projekt voran kommt und dass hier alle an einem Strang ziehen", sagt Kongos Premierminister Matata Ponyo und bemüht blumige Metaphern. Der "Weg des Wachstums" könne so zu einem "Boulevard für ganz Afrika" werden. Aber Rudo Sanyanga bleibt skeptisch. "Es hat sich immer wieder gezeigt, dass derartige Großprojekte vor allem in Staaten mit schwacher Verwaltung nur die Korruption anheizen", sagt sie der Deutschen Welle. Der Nutzen für die breite Bevölkerung bleibe oft aus. "Meist profitiert nur eine kleine Elite, die gut vernetzt ist."
Wer zahlt und wer profitiert?
Beispiele für solche Fehlentwicklungen sind auch die bisherigen Wasserkraftwerke nahe der Kongo-Mündung. Die Staudämme INGA I und INGA II, die in den 1970er und 80er Jahren der damalige Präsident Mobutu Sese Seko bauen ließ, sind insgesamt für eine Leistung von gut 1700 Megawatt ausgelegt. Doch weil die Stauseen verschlammt sind, produzieren sie zurzeit nur einen Bruchteil des möglichen Stroms. Mithilfe der Weltbank sollten sie wiederhergestellt werden. "Einige der Weltbankmittel sind spurlos verschwunden", sagt Sanyanga von International Rivers. Das habe schließlich dazu geführt, dass die nationale Elektrizitätsgesellschaft, die an der Umsetzung beteiligt ist, mehrere ihrer Direktoren absetzte. "Das Projekt ist immer noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu werden", sagt Sanyanga. Dabei sei es schon seit Jahren überfällig.
Die kongolesische Organisation CTIDD pocht daher für das neue Projekt auf Transparenz. Die lokalen Gemeinschaften müssten miteinbezogen werden, fordert Nene Mainzana. "Die Projektleitung und die Investoren müssen konkret sichtbar machen: Was ist der Nutzen für die Bevölkerung? Wie nachhaltig ist das Projekt?" Bislang ist aber unklar, wer sich - außer der Regierung in Kinshasa - an den Baukosten beteiligen wird.
Die Weltbank wollte im Februar entscheiden, ob sie das Wasserkraftwerk mit 73 Millionen US-Dollar bezuschusst. Das Geld sollte in Form eines Darlehens aus dem Weltbank-Programm für die ärmsten Länder, der Internationalen Entwicklungsorganisation, gezahlt werden. In letzter Minute verschoben die Weltbankdirektoren ihre Entscheidung auf unbestimmt.
Für zivilgesellschaftliche Beobachter ist das kein gutes Zeichen. Denn die fürchten, dass die Weltbank die Finanzierung für INGA III grundlegend umstellen könnte. Geplant sei, das Projekt nun über die Internationale Finanzgesellschaft (IFC) abzuwickeln, will International Rivers aus internen Quellen erfahren haben. IFC ist die Weltbanktochter zur Förderung der Privatwirtschaft. Als private Investoren seien chinesische Unternehmen im Gespräch, berichteten verschiedene Medien. Die Weltbank war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Einer armen Bevölkerung Zugang zu Strom zu verschaffen, sei mit den kommerziellen Interessen von Privatinvestoren kaum vereinbar, gibt International Rivers zu bedenken. "Die IFC hat keine bindenden Absicherungsmaßnahmen wie andere Weltbankorganisationen", sagt Rudo Sanyanga. Das heißt, es seien weder Transparenz noch Bürgerbeteiligung garantiert. Auch mit einer Entschädigung für die Zwangsumsiedlung tausender Bürger sei dann nicht mehr zu rechnen.