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Ein Jahr Modi in Indien

Gabriel Dominguez/mgr23. Mai 2015

Vor einem Jahr wurde Narendra Modi neuer indischer Premier. Er gewann die Wahl vor allem mit dem Versprechen, er werde Indiens Wirtschaft wiederbeleben. Doch was hat er erreicht? Die DW analysiert.

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Narendra Modi bei der Vereidigung am 26.5.2014. (Foto: Reuters)
Narendra Modi bei seiner Vereidigung im Mai 2014Bild: Reuters

Die Erwartungen an den neuen indischen Premier waren riesig. Kein Wunder: zwölf Jahre lang hatten Modi und seine hindunationalistische Bharatiya-Janata-Partei (BJP) im westindischen Staat Gujarat das Wirtschaftswachstum vorangetrieben. Dann gewannen sie die nationalen Wahlen und Modi das Mandat, die kriselnde Wirtschaft Indiens zu retten - so wie er es zuvor auf regionaler Ebene getan hatte. Und ganz so, wie er es im Wahlkampf versprochen hatte.

Jetzt, ein Jahr später, stellen Analysten dem Premier ein eher durchschnittliches Zeugnis aus. Zwar sagen die meisten, er habe sich besser geschlagen als die vorherige Regierung. Jedoch kritisieren viele, dass er sein Versprechen bei weitem nicht gehalten hat: frischen Wind für Regierung und Unternehmen.

Modi mit Bundeskanzlerin Merkel auf der Hannover Messe 2015. (Foto: Reuters)
Eines von 19 besuchten Ländern: Modi mit Bundeskanzlerin Merkel auf der Hannover Messe 2015Bild: Reuters/W. Rattay

Modis Argument: 8,5 Prozent

Für Modi spricht: Er hat versucht, die indische Wirtschaftspolitik mehr auf die Unternehmen auszurichten. So enthält sein erster vollständiger Haushalt aus dem Februar Mehrausgaben für Infrastruktur, ein umfassendes Sozialsystem und eine bisher nie dagewesene Umsatzsteuersenkung von 25 Prozent in den nächsten vier Jahren. Ökonomen feierten all das als Schritte in die richtige Richtung.

Außerdem wurden Gesetze verabschiedet, die es der Regierung erlauben, Bergbau-Lizenzen zu versteigern. Das hat den Weg geebnet für einen effizienteren und liberalisierten Bergbau-Sektor. Auch dank vieler weiterer unternehmensfreundlicher Maßnahmen könnte die Wirtschaft im kommenden Fiskaljahr daher um bis zu 8,5 Prozent wachsen - und Indien zur am schnellsten wachsenden Großwirtschaft machen, während sich die Entwicklung in China verlangsamt.

Zwar könnte aus Sicht von Industrie und Märkten noch deutlich mehr passieren. Grundsätzlich sind die Wirtschaftsbosse in Indien aber zufrieden mit Modis Handeln. Eine Befragung von Forbes India und BMR Advisors zeigt, dass unter den älteren Branchenführern eine überwältigende Mehrheit daran glaubt, dass die Politik der Regierung die Wirtschaft wachsen lassen wird.

Modis Strukturreform: Unternehmen im Fokus. (Foto: DW)
Unternehmerfreundlich: Modis Regierung hat sich der Stärkung der Privatwirtschaft verschriebenBild: picture alliance/Yvan Travert/akg-images

Gesetze zum Grunderwerb erzürnen die Bauern

Doch den Reformen standen in den vergangenen Monaten auch zahlreiche Hindernisse im Weg. Großen Streit gab es etwa über geplante Änderungen des Gesetzes zum Grunderwerb. Sie zielten darauf ab, dass Industrieunternehmen leichter Land kaufen können. In Indien waren diese Änderungen heftig umstritten. Kritik übten vor allem die Bauern und die Opposition, die sich gegen Modis Pläne zusammenschlossen.

Milan Vaishnav von der Carnegie Endowment for International Peace weist außerdem darauf hin, dass die BJP zwar in so vielen Bundesstaaten wie noch nie herrscht, aber die Mehrzahl der Regionen weiterhin in der Hand der Congress-Partei oder verschiedener regionaler politischer Organisationen ist.

Ein weiteres Problem sieht Vaishnav in der übermäßigen Zentralisierung der Entscheidungsgewalt im Büro des Premiers. Das habe viele Ministerien verärgert und in der Folge die Zusammenarbeit behindert. Obwohl die Regierung also das einmalige Mandat hatte, die indische Wirtschaft zu reformieren, sei es nur sehr langsam und schrittchenweise vorangegangen, sagt Vaishnav: "Die Bilanz nach einem Jahr zeigt, dass Modi dem Hype des Wahlkampfes oder seiner pathetischen Rhetorik bei weitem nicht gerecht wird."

Weltweit unterwegs in Sachen Wirtschaft

International sieht die Lage etwas anders aus: Hier hat sich Modi darauf konzentriert, die indischen Auslandsbeziehungen zu stärken, den Handel anzukurbeln und Auslandsinvestitionen einzuwerben. Seine Reisen führten ihn in die Hauptstädte der Welt, innerhalb seines ersten Amtsjahres besuchte Modi 19 Länder.

Indien als dynamisches, wachstumsstarkes Land darstellen - da habe Modi hervorragende Arbeit geleistet, meint Rajiv Biswas, Chefökonom für den asiatisch-pazifischen Raum beim Analyse-Unternehmen IHS. "Seine Reisen zu Wirtschaftsmächten wie USA, China, Japan und Deutschland waren sehr erfolgreich", urteilt Biswas im DW-Interview. "Er hat dabei Regierungsvertreter sowie Chefs führender Firmen getroffen und war stets begleitet von einer großen indischen Wirtschaftsdelegation."

Modi mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping. (Foto: Reuters)
Deals für 20 Milliarden: Modi mit Chinas Staatspräsident Xi JinpingBild: Reuters/K. Kyung-Hoon

Auch die Ergebnisse stimmen: So wurden mehrere große Handels- und Investitionsabkommen geschlossen, zuletzt etwa bei seinem Besuch in China. Wirtschaftsverträge und Absichtserklärungen im Wert von 22 Milliarden US-Dollar (19,8 Milliarden Euro) unterzeichneten Modi und Chinas Regierungschef Li Keqiang in Peking.

Er signalisiert: "Indien ist zurück"

"Modi hat mit viel Schwung die Welt bereist, um den Regierungen, Investoren und der indischen Diaspora zu signalisieren: 'Indien ist zurück' und wieder bereit, Geschäfte zu machen. In dem Sinne passt seine Vision einer Außenpolitik zur wirtschaftlichen Agenda im Land", sagt Vaishnav.

Im Herzen dieser Politik liege Modis "Make in India"-Kampagne, erklärt Smruti Pattanaik, Wissenschaftler am Institute for Defense Studies and Analyses (IDSA) in Neu Delhi. Indem er Indien als Produktionsstandort präsentiere, hoffe der Premier, ausländische Investitionen anzulocken, den Transfer von Technologien zu erleichtern und Arbeitsplätze im Land zu schaffen.

Wie effektiv Modis außenpolitischer Ansatz jedoch sein wird, hängt stark von der Innenpolitik ab und davon, ob es dem Premier tatsächlich gelingt, die Wirtschaft seines Landes zu reformieren. "Es gibt dieses Sprichwort: 'Die beste Außenpolitik in Indien ist es, nachhaltig acht Prozent Wachstum zu schaffen.'”, sagt Analyst Vaishnav. "Dem stimme ich komplett zu." Denn dann würden Investitionen ins Land strömen und das Wachstum schaffen, für das Modi gewäht wurde - und das er seinen Wählern versprochen hat.