Wie weiblich sind die Oscars?
4. März 2018Lesen Sie diesen Artikel auf Englisch.
Es rumort in Hollywood. #MeToo und "Time's Up" haben dringliche Debatten um die Geschlechtergleichheit in der Filmbranche aufgeworfen. Bei der 90. Ausgabe der Oscars, deren Geschichte immerhin 1929 begann, ist nun erstmals eine Frau in der Kategorie Kamera nominiert: Rachel Morrison. Die US-Amerikanerin hat in dem Familiendrama "Mudbound", das von Alltag und Rassendiskriminierung in den Südstaaten der USA nach dem Zweiten Weltkrieg handelt, die Kamera geführt. Die Regisseurin des Films, Dee Rees, ist als erste schwarze Frau in der Kategorie "Adaptiertes Drehbuch" nominiert - gemeinsam mit Drehbuchautor Virgil Williams.
Zusammen mit Greta Gerwigs Nominierung als beste Regisseurin für "Lady Bird" (übrigens eine Geschichte über eine unangepasste junge Frau, die versucht, aus ihren bescheidenen Verhältnissen auszubrechen) könnte dies zuversichtlich stimmen, dass sich mit den Debatten über Macht- und Geschlechterverhältnisse in Hollywood und der Filmbranche generell etwas bewegt hat. Wer sich die Nominierten allerdings insgesamt anschaut, wird enttäuscht. In den USA - aus denen die meisten Oscar-Filme kommen - sind rund 51 Prozent der Bevölkerung weiblich; bei den Oscar-Nominierten 2018 sind es lediglich rund 23 Prozent. Ausgenommen davon sind die Darsteller-Preise, bei denen Männer und Frauen zu gleichen Teilen nominiert sind.
Wenn man diese also nicht mitzählt, bleiben insgesamt 46 Frauen, die sich Hoffnung auf einen Oscar machen können. Einige Sparten kommen dieses Jahr sogar komplett ohne Frauen aus: So sucht man weibliche Filmschaffende beispielsweise unter den Nominierten für visuelle Effekte, Filmmusik und Tonschnitt vergeblich.
Dieses Missverhältnis ist allerdings keine Spezialität der Oscars. Denn sie bilden nur die Beschäftigung von Frauen im amerikanischen Filmgeschäft ab. Und die sind dort deutlich unterrepräsentiert. Das zeigt eine aktuelle Studie des "Center fort he Study of Women in Television and Film" der Universität San Diego in Kalifornien: Schaut man sich darin den Anteil von Männern und Frauen hinter den Kulissen der Top 250 Filmproduktionen in den letzten 20 Jahren an, hat sich deren Verhältnis kaum verändert: Konstant blieb der Anteil der Männer über diesen langen Zeitraum bei rund 80 Prozent.
Filmbranche auch in Deutschland männlich dominiert
Geschlechtergerechtigkeit vor und hinter der Kamera - das fordert in Deutschland die Initiative "Pro Quote Film", um Machtmissbrauch in der Branche und Stereotype in Filmen zu verhindern. Dass dies in Deutschland nötig ist, zeigen unter anderem Zahlen, mit denen das Aktionsbündnis kürzlich an die Öffentlichkeit trat: Demnach würden in der Bundesrepublik nur etwa die Hälfte aller Frauen, die an Filmhochschulen ausgebildet werden, auch in ihrem Beruf arbeiten. Bei mehr als 1000 untersuchten Filmen aus den Jahren 2011 bis 2015 sei der Filmton zu über 90 Prozent in Männerhand gewesen, die Kamera zu rund 85 Prozent.
Dass sich ein Umdenken durchaus lohnen kann - nicht nur für die Gesellschaft insgesamt, sondern auch an den Kinokassen, zeigt sich bereits beim Thema ethnische Vielfalt: Das legt eine Studie der University of California nahe. Sie untersuchte unter anderem US-amerikanische Kinofilme aus dem Jahr 2016 und fand heraus, dass Filme, deren Casts zu rund einem Drittel aus Nicht-Weißen bestand, besser beim Publikum in den USA ankamen als diejenigen mit einem ethnisch homogenen Cast.
#OscarsSoWhite hat Veränderungen gebracht
Der Protest, der sich um den Hashtag #OscarsSoWhite entzündete, nachdem weder 2015 noch 2016 in den Darsteller-Kategorien der Oscars "People of Color" nominiert wurden, zeigte bei den letzten Oscars erste Erfolge: Die Hälfte der Gewinner in den Darsteller-Kategorien war schwarz; zum besten Film wurde "Moonlight", ein Drama über einen homosexuellen Afroamerikaner, gekürt. Dieses Jahr sind von den zwanzig als beste Haupt- und Nebendarsteller Nominierten vier schwarz.
Dass die Vielfalt bei den Oscars zugenommen hat, liegt nicht zuletzt an der Reform der aus etwa 8500 Mitgliedern bestehenden Akademie, die über die Vergabe der goldenen Statuetten entscheidet. Ein Großteil der knapp 1500 Filmschaffenden, die in den vergangenen zwei Jahren als Neu-Mitglieder eingeladen wurden, sind Schwarze und Frauen.
Dass Kamerafrau Rachel Morrison jetzt eine der begehrten Trophäen erhalten könnte, ist möglicherweise auch eine Folge dieser Neuerungen. Morrison selbst rät ihren Mitstreiterinnen zu Geduld und Hartnäckigkeit. Und vielleicht könne man bald damit aufhören, zu unterscheiden, ob eine Kamerafrau oder ein Kameramann gewinne, wenn es genauso viele Frauen wie Männer in dem Metier gibt, hofft sie.