Uber zieht an den Yellow Cabs vorbei
23. Oktober 2017Duncan hat gerade einen Fahrgast am New Yorker John F. Kennedy Flughafen aufgelesen und ist jetzt auf dem Weg nach Brooklyn. Der Kaffee in seinem Becher ist kalt. Der Taxifahrer hat drei Stunden auf seinen Gast gewartet. Während die beiden durch Brooklyn fahren, deutet Duncan auf die Straße. Über die Bushwick Avenue rollt ein schwarzer Neuwagen nach dem anderen. Ihre Nummernschilder beginnen alle mit einem T, und darunter steht TLC - Taxi und Limousinen Kommission. "Das sind alles Uber", sagt Duncan. Duncans Yellow Cab bleibt über ganze Blocks das einzige gelbe Taxi.
Uber und Co. haben New York mit ihrem Fahr-Angebot via App regelrecht überrollt. Die Yellow Cabs, die berühmten New Yorker Taxis, können nicht mehr mithalten. Firmen wie Uber haben sie lange bedrängt und nun das erste Mal überholt: Im Juli sind in New York City Menschen öfter in ein Uber gestiegen als in ein Taxi. Uber hat am Tag durchschnittlich etwa 290.000 Fahrten gemacht, die Yellow Cabs 12.000 Fahrten pro Tag weniger. Die "App-Cabs" hatten leichtes Spiel, sagt Bhairavi Desai. Sie hat die New Yorker Gewerkschaft für Taxifahrer gegründet.
Uber und Lyft haben leichtes Spiel
Uber und Lyft sind kaum reguliert in New York. Die TLC hat acht unterschiedliche Sektoren definiert, sie sind unterschiedlich streng reguliert. Die App-Cabs wie Uber fallen unter die sogenannten Black Cars. Der Sektor stammt noch aus der Zeit, in der Manager sich von Limousinen durch die Gegend kutschieren ließen. Die gelben Taxis konnte man nicht vorbestellen, die Limos schon. Die Stadt wollte, dass sich dieser Sektor selbst reguliert. Dementsprechend wenig ist der Sektor reguliert. Die Anbieter können so Alter und Art des Autos wählen, vor allem aber den Fahrpreis.
Die klassischen gelben Taxis sind deutlich strenger reguliert. Um den Wettbewerb zu schützen, gibt es eine feste Anzahl an sogenannten Medaillons. Das ist eine Plakette, die ein Fahrer kaufen und am Taxi anbringen muss, wenn er in New York ein Yellow Cab fahren will. Oft teilen sich mehrere Fahrer ein Medaillon, also ein Yellow Cab und fahren abwechselnd. Deswegen gibt es immer mehr lizenzierte Fahrer als Yellow Cabs. Momentan sind es gut 13.500 Yellow Cabs, gut 13.500 Plaketten also. Die New Yorker Taxi und Limousinen Kommission gibt sie aus.
Der Wertverfall der Taxilizenzen
Lange Zeit kostete ein Medaillon mehr als eine Millionen Dollar und galt als todsicheres Investment. Doch seit Ubers Markteintritt in 2011 haben sie dramatisch an Wert verloren. Das hat viele Fahrer in den Ruin gestürzt. Sie verschuldeten sich hoch, um ein Medaillon kaufen zu können. "Und dann wachst du auf und 70 Prozent deines Ersparten sind einfach weg”, sagt Duncan. Inzwischen ist der Wert der Medaillons auf 130.000 bis 400.000 Dollar gefallen. Im Internet versuchen Fahrer, ihre Medaillons für möglichst viel Geld zu verkaufen - chancenlos. Uber nimmt den Taxifahrern also nicht nur die Kunden weg, sondern macht ihre Investition auch noch wertlos.
Die Zahl der lizenzierten Fahrer ist bereits zurückgegangen, von gut 40.000 in 2014 auf rund 38.000 ein Jahr später. Dafür ist die Anzahl der Fahrer von Black Cars wie Uber und Lyft innerhalb einen Jahres um 17.000 Personen angestiegen. Damit ist Uber eine Gefahr für besser bezahlte Vollzeitjobs, sagt Gewerkschaftschefin Desai. Sie setzten den Preis so niedrig an, dass keiner mithalten könne. "Das alles tragen sie auf dem Rücken der Fahrer aus”, sagt Desai.
Mehr Arbeit, weniger Geld
Als Konsequenz nimmt Duncan möglichst viele Fahrten an. Seine Arbeitstage sind von zehn auf bis zu 18 Stunden gestiegen. Trotzdem ist sein Einkommen von gut 60.000 Dollar auf 32.000 Dollar gefallen - das Medianeinkommen in New York lag laut Statistikamt in 2016 bei etwa 45.000 Dollar. Der 26-Jährige musste immerhin kein Medaillon kaufen, sondern mietet eines von einer Taxifirma. Seine Mietkosten für Auto und Medaillon belaufen sich auf 140 Dollar am Tag, ohne Sprit. "Ich komme gerade so über die Runden", sagt Duncan.
Uber senke den Standard für alle Fahrer und starte damit eine Abwärtsspirale, sagt Desai. Viele der Uber-Fahrer müssen ebenfalls Vollzeit fahren, sagt Desai, oft für mehrere Apps gleichzeitig. Uber hingegen sagt, der Großteil der Fahrer sei Teilzeit unterwegs, als Nebenverdienst. Deswegen beschäftigt Uber sie als unabhängige Auftragnehmer, sie sind weder renten- noch krankenversichert über Uber. Duncan hat deshalb sogar Mitleid mit seinen Kollegen bei Uber und Lyft: "Wir alle kämpfen den gleichen Kampf, wenn auch für unterschiedliche Seiten."
Die Macht liegt beim Verbraucher
Uber streitet das ab. Auf Anfrage von dw.com antwortet man, Uber würde vor allem Gegenden mit Fahrern versorgen, die vorher nie richtig von Yellow Cabs angefahren worden seien, weil sie zu weit außerhalb lägen. 50 Prozent der Uberfahrten würden außerhalb von Manhattan starten, während 92 Prozent der Fahrten von Yellow Cabs in Manhattan starteten. Die Yellow Cabs hätten ganze Stadtviertel ignoriert, deswegen würde man ihnen kein Geschäft wegnehmen.
Duncan wünscht sich mehr Initiative von den Fahrgästen. Wenn die mit dem Handy in der Hand aus dem Flughafen laufen, den Blick auf den Bildschirm gerichtet, dann will er ihnen zurufen: "Ich bin doch hier, warum wartet ihr auf euer Uber!" Es hat in Vergangenheit bereits Boykotte gegeben, allerdings von Seiten der Verbraucher. Denn bei besonders großer Nachfrage erhöht Uber den Kilometerpreis, den der Kunde zahlt. Erst Anfang des Jahres hat eine Untersuchung von britischen Datenforschern ergeben, dass die New Yorker Yellow Cabs im Schnitt einen Dollar und vierzig Cent günstiger sind als ein Uber-Wagen, wenn es um kürzere Distanzen geht.
Boykotte und Verfahren können Uber nichts anhaben
Die New Yorker Taxi-Branche hat bereits mehrfach geklagt, aber bislang darf Uber unbescholten in New York fahren. Die Taxi und Limousinen Kommission weist darauf hin, dass Uber genauso reguliert sei, wie andere Black Cars. Duncan hofft nun, dass die Stadt New York ein Limit auf neue Uber-Zulassungen legt.
Der Druck auf die Taxibranche in New York hat auch dazu geführt, dass Taxifahrer die Seite gewechselt haben und heute für Uber und Co. unterwegs sind. Selbst Duncan muss sagt: Uber ist bequem. Der Fahrgast muss nicht im Regen warten, es gibt klare Preise vor Antritt der Fahrt. Duncan aber ist stolz auf sein gelbes Taxi. Für ihn kommt ein Wechsel nicht in Frage. Er sagt, er würde eher in einem Fast Food Restaurant arbeiten als für Uber zu fahren. "Ich bleibe den Yellow Cabs treu, ich werde kämpfen!"