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Normalität in Kairo

Matthias Sailer7. Juli 2013

In Kairo hat die Gewalt aufgehört. Doch neue Demonstrationen sind bereits angekündigt. In der Zwischenzeit huldigen die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz dem Militär und schimpfen auf die Muslimbrüder.

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Demonstration auf dem Tahrir-Platz (Foto: dpa)
Bild: dpa

Nach dem Gewaltausbruch zwischen Pro-Mursi Demonstranten und Nicht-Islamisten ist auf Kairos Straßen zumindest für den Moment wieder Ruhe eingekehrt. An einigen zentralen Verkehrsknotenpunkten gibt es zwar verstärkte Polizei- oder Armeepräsenz. Doch die meisten Cafés und Geschäfte sind geöffnet, als wäre nichts passiert: Familien gehen auf den Gehsteigen spazieren und junge Pärchen laufen den Nil entlang.

Nur auf dem Tahrir-Platz sind sie wieder da, diejenigen, die in den vergangenen Tagen die blutigen Kämpfe mit den Anhängern der Muslimbrüder an vorderster Front ausgefochten haben. Es sind vor allem ärmere Jugendliche. Menschen aus der oberen Mittelklasse sind hier weniger zu sehen.

Bestürzung über Gewalt

Die Reaktionen auf die Gewalt sind gemischt. Einige sehen sie als ein vorübergehendes Phänomen, das nach ein oder zwei Wochen wieder verschwinden wird. Doch andere haben Angst vor neuen, heftigen Konfrontationen. "Ich war sehr traurig und bestürzt über das, was gestern passiert ist", sagt die 33-jährige Abier. "Ich glaube, die Ägypter werden sich jetzt wie in einem Bürgerkrieg bekämpfen. Es war furchtbar."

Viele hoffen nun, dass Polizei und Militär die gewaltbereiten Islamisten unter Kontrolle bekommen werden. Doch ohne Wiedereingliederung in das zukünftige politische System dürften sich so manche Islamisten radikalisieren. Dialogversuche des neuen Präsidenten an die Muslimbruderschaft sind bislang erfolglos gewesen geblieben.

Von der Rednerbühne des Tahrir-Platz kommen ohnehin vor allem Angriffe auf die Islamisten. Ein Sprecher forderte das Publikum auf, jedes Mitglied der Bruderschaft im Freundes- und Familienkreis daran zu hindern, nach Kairo zu kommen. Die Demonstrationen der Muslimbrüder verdanken ihre Größe nämlich vor allem den vielen Mitgliedern, die aus den Provinzen anreisen.

Demonstration auf dem Tahrir-Platz (Foto: dpa)
Viele Menschen auf dem Tahrir-Platz feiern Ägypten und das MilitärBild: dpa

Anti-Amerikanismus und Nationalismus

Neben den Angriffen auf die Islamisten ist es vor allem grenzenloser Nationalismus gepaart mit Anti-Amerikanismus, der die Menschen auf dem Tahrir bewegt. "Ich möchte nicht, dass sich Ausländer in ägyptische Angelegenheiten einmischen", sagt zum Beispiel Ahmed. "Vor allem die USA. Die sollten mit den Ägyptern fair umgehen. Dessen sollten sie sich bewusst sein."

Ununterbrochen werden auf dem Platz Lieder gespielt, in denen das geliebte Ägypten besungen wird. Die Demonstranten singen euphorisch mit - meist mit ägyptischer Fahne in der Hand. Auch "Gott ist groß"-Rufe sind zu hören. Sie sollen deutlich machen, dass die Muslimbruderschaft nicht für den Islam steht.

Blindes Vertrauen in das Militär

Neuer Verkaufsschlager auf dem Platz, an dem die ägyptische Revolution begann, ist das Portrait des amtierenden Verteidigungsministers Abdel Fattah Al-Sisi. 10 Cent kostet es, ein für jeden erschwinglicher Preis. Das Militär ist für viele der Demonstranten fast zu einer Art Religion geworden.

Zweifel an der Aufrichtigkeit der Militärs haben da keinen Platz. Warum hat die Armee am Vortag nicht eingegriffen und eine Nilbrücke gesperrt, als die Islamisten zum Tahrir-Platz vorrückten? Magdy, ein Informatiker, weicht aus: "Es ist richtig, dass das Militär erst spät kam. Aber die Armee ist überall in Ägypten verteilt, sie kann nicht überall da sein, wo sie gerade gebraucht wird. Aber die Leute haben sich selbst verteidigt."

Doch bei aller Verehrung für das Militär: Die meisten Demonstranten erwarten nun demokratische Wahlen. Und die meisten wollen die Islamisten daran teilnehmen lassen. Doch das wird nur passieren, wenn die Gewalt in den nächsten Tagen nicht wieder zurückkehrt. Die nächsten Großdemonstrationen sind schon angekündigt.