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Impfskeptiker auf dem Vormarsch?

Clara Walther24. Februar 2015

Nicht nur die Deutschen diskutieren über eine Masern-Impfpflicht, auch in den USA sorgt das Thema für Diskussionsstoff. Welche psychologischen Faktoren oder Impfmythen sind es, die unsere Entscheidung beinflussen?

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Mutter mit Säugling beim Kinderarzt (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/Joker

Impfpflicht oder nicht? Nicht nur in der Politik sorgt diese Frage für eine emotionale Debatte. Denn bei den Eltern, die eine Entscheidung treffen müssen, geht es um die Gesundheit ihrer Kinder. Und um ihr Recht auf Selbstbestimmung. Die Psychologin Cornelia Betsch rät trotzdem zur Sachlichkeit - und zu einer Entideologisierung der Diskussion. "Wichtig ist auch festzustellen, dass nicht jeder, der sein Kind nicht impfen lässt, ein Impfgegner ist", sagt sie. Häufig seien ganz banale Gründe schuld daran, dass der Impfschutz fehle. Zum Beispiel eine schlechte Alltagsorganisation in den Familien.

Krankheit als Schicksal

Cornelia Betsch forscht seit einigen Jahren zu der Fragestellung, welche Faktoren das Impfverhalten von Eltern beeinflussen. Ängste spielen da zum Beispiel eine Rolle, aber auch eine Fehlwahrnehmung von Risiken - etwa, wenn Eltern sich im Internet über die Risiken und Vorteile einer Impfung informieren. "Wenn da geschrieben steht, Impfen ist sicher, dann ist das schön. Aber es erreicht uns vielleicht nicht so, als wenn zu lesen ist, das ist ein Risiko. Denn es ist evolutionsbiologisch für uns sinnvoll, hellhörig zu werden, wenn uns jemand auf Gefahrenquellen hinweist", erklärt Betsch. Außerdem hätten Eltern große Angst davor, ihrem Kind durch eine eigene Handlung zu schaden. "Beim Impfen ist es ja so, dass ich aktiv werden muss. Und wenn wir die Wahl haben zu handeln - oder nicht zu handeln - dann entscheiden wir uns eben oft auch fürs Nichthandeln. Wenn das Kind dann krank wird, ist es eben Schicksal - dann muss ich mich als Elternteil dafür aber nicht selbst verantwortlich fühlen."

Als Trittbrettfahrer vom Herdenschutz profitieren

Es sind aber nicht nur Ängste und Wahrnehmungsverzerrungen, die die Entscheidung für oder gegen eine Impfung beeinflussen. Nach Ansicht von Betsch spielen auch ganz rationale Erwägungen eine Rolle: Zum Beispiel, dass "alle anderen" ihre Kinder ja sowieso impfen lassen - und das eigene Kind deshalb gar nicht gefährdet ist.

"So erspart man sich den Weg zum Arzt und mögliche Nebenwirkungen und genießt trotzdem den sogenannten Herdenschutz, also den Schutz, den alle anderen um mich herum aufgebaut haben", erklärt Betsch die Gedanken solcher Eltern. "Auf diese Weise wird man Trittbrettfahrer und muss keinen eigenen Beitrag leisten."

Kinderstiefel in einem Regal (Foto: dpa)
Trittbrettfahrer spekulieren auf den Impfschutz der AnderenBild: picture-alliance/dpa

Doch was die Trittbrettfahrer nicht bedenken: Wenn viele so handeln, bricht der Herdenschutz schnell zusammen. 95 Prozent der Bevölkerung müssen geschützt sein, damit das hochaggressive Masernvirus sich nicht ausbreiten kann. 2012 lag die Gesamt-Impfquote für die erste und zweite Masernimpfung in Deutschland allerdings nur bei 92,4 Prozent. Und so bricht die Epidemie immer dann aus, wenn genug Empfängliche da sind, die das Virus weitertragen.

Impfmüdigkeit nicht nur in Deutschland

Die Impfmüdigkeit ist kein rein deutsches Phänomen. Und auch wenn Eltern weltweit sehr ähnliche Sorgen um ihre Kinder haben, scheint es doch landestypische Impfmythen zu geben. So berufen sich Impfskeptiker in England und den USA bis heute auf eine Studie des britischen Gastroenterologen Andrew Wakefield. Er glaubte, einen Zusammenhang zwischen der Masernimpfung und später auftretendem Autismus festgestellt zu haben. Seine Studie ist längst widerlegt - doch auch in der aktuellen Impf-Debatte in den USA ließ der Republikaner Rand Paul verlauten, er habe von "Zusammenhängen zwischen der Masernimpfung und geistigen Behinderungen gehört".

Infografik Masern USA 2001-2015 Deutsch (Grafik: DW)

In Deutschland gibt es zwar zahlreiche Gruppen, die Impfungen ablehnen - doch in der Öffentlichkeit werden sie als Einheit kaum wahrgenommen. Anders ist das zurzeit in den USA. "Anti-Vaxxer" nennt sich die Bewegung - basierend auf dem englischen Wort "Vaccine" (Impfstoff). Mediale Aufmerksamkeit erhalten ihre Anhänger in diesen Wochen vor allem aufgrund der zahlreichen Neuinfektionen. Seit dem Jahr 2000 galten Masern in den USA als besiegt. Doch seit die Krankheit im Dezember erstmals wieder auftrat, sind hunderte Patienten mit Masern diagnostiziert worden.

Verfolgt man die öffentliche Debatte, scheinen amerikanische Impfgegner das bewusst in Kauf zu nehmen: Konservative verweisen auf ihre Selbstbestimmung gegenüber dem Staat. Religiöse Kritiker beanstanden, die Impfmittel seien aus Zellen abgetriebener Föten entwickelt worden und ihre Nutzung sei daher nicht mit ihrem Glauben zu vereinbaren. Andere argumentieren mit einer pauschalen Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse.