Ignoriert und tabuisiert
10. Juli 2008Die Nuklearversuche seien sauber, unschädlich gewesen, heißt es noch immer von offizieller Seite. Doch mittlerweile sind ehemalige Mitwirkende an den Atomtests an die Öffentlichkeit gegangen. Sie erklären, bei ihren Einsatz auf der Atombasis radioaktiv verstrahlt und verseucht worden zu sein. 150.000 Personen haben insgesamt an den Nukleartests gearbeitet, 6.000 unter ihnen klagen heute über schwere gesundheitliche Folgen. Und bemühen sich, den Schleier des militärischen Geheimnisses zu lüften.
Die Krankheiten kommen erst nach und nach
Die Leidensgeschichte von Florence Bourel ist recht typisch für manchen, der auf einer der beiden französischen Atomtestbasen tätig war. Bourel arbeitete 1982 für insgesamt sechseinhalb Monate auf dem Mururoa-Atoll. Bei einer Bombenzündung war die damals 22-Jährige allerdings nie zugegen. Doch als sie nach Hause zurückkam, stieg ihr Blutdruck. Seit mehr als 20 Jahren muss sie deswegen nun Medikamente nehmen. "Ich habe mehrere Fehlgeburten hinter mir und war eine Zeitlang steril", erzählt Florence Bourel. Auch ihre älteste Tochter, die zwei Jahre nach ihrer Rückkehr aus Mururoa zur Welt kam, sei krank. Bourel selbst erkankte 2002 auch an Schilddrüsenkrebs.
Auf Mururoa hat Bourel, wie alle anderen, häufig in der Lagune gebadet, dort, wo die Atombomben hochgingen. Verboten war lediglich, Fisch aus der Lagune zu essen oder auch Kokosnüsse, die vom Baum gefallen waren. Erst der Schilddrüsenkrebs brachte Bourel auf den Gedanken, sie könne radioaktiv verstrahlt sein. Die Verantwortlichen verneinen dies bis heute energisch. Bourel jedoch kennt mittlerweile viele Schicksalsgenossen.
Harter Kampf um offizielle Anerkennung
Das hat sie auch Aven zu verdanken. So haben die selbsternannten Veteranen der Atomtests ihren Verein betitelt, den sie 2001 gründeten. 2.500 Mitglieder zählt er heute, darunter zahllose ehemalige Wehrpflichtige. Alle waren im Einsatz auf einer der beiden französischen Atomtestbasen, alle sind sehr krank, keiner wurde als Strahlenopfer anerkannt. Der Staat mauert. Die Atomtestveteranen machen Kampagne unter dem Leitwort: Wahrheit und Gerechtigkeit. Sie verlangen, dass die Regierung eingesteht, dass es Strahlenopfer gibt. Außerdem soll ein Unterstützungsfonds eingerichtet werden, so wie in den Vereinigten Staaten. Während die Medien immer mehr Pannen, Fehlverhalten und irrsinnige politische Entscheidungen während der Atomversuche ans Licht bringen, kämpft der Anwalt des Vereins gerichtlich um Entschädigung.
Michel Verger, Vize-Präsident von Aven, meint, dass der Verein seit der Gründung schon ein Stück voran gekommen ist. "Bevor wir uns zusammengeschlossen haben, sind einige Veteranen gerichtlich durch alle Instanzen gegangen und wurden mit ihren Entschädigungsforderungen abgewiesen. Nun hat unser Anwalt in 25 Fällen positive Urteile erstritten", erzählt Verger. Allerdings habe dann das Verteidigungsministerium regelmäßig Widerspruch eingelegt, bis hin zum Berufungsgericht. "Das zeigt, wie sich die Verantwortlichen ereifern, um bloß nicht anzuerkennen, dass unsere Krankheiten strahlenabhängig und berufsbedingt sind", schlussfolgert Verger.
Unterstützung seitens einiger Politiker
Seit 2003 existiert eine interministerielle Untersuchungskommission. Ihre Aufgabe ist es, zu prüfen, ob die Atomtestveteranen Recht haben mit ihren Forderungen. Bis Ende 2005 sollte diese Kommission offizielle Empfehlungen vorlegen, wie mit eventuellen Opfern zu verfahren sei. Doch darauf warten die Veteranen bis heute. Politisch allerdings trägt ihre Lobbyarbeit Früchte. Nachdem mehrere Gesetzesvorschläge für einen Unterstützerfond abgeschmettert wurden, hat jetzt die Ex-Senatorin Hélène Luc Kollegen aus allen Fraktionen in Nationalversammlung und Senat zusammen trommeln können, um ein Gesetz zur Entschädigung der Opfer durch zu bringen.
Denn eine solch parteiübergreifende Initiative sei sehr selten, aber nun gerechtfertigt, meint Hélène Luc. "Seit vierzig Jahren hat die französische Regierung nie das Geringste unternommen, um die gesundheitlichen Folgen aus dem radioaktiven Fallout der Bombenversuche für die Militärs und die Zivilpersonen, die daran beteiligt waren, anzuerkennen." Das müsse sich ändern, verlangen auch andere Politiker und haben deshalb einsam mit dem Verein Aven eine Unterschriftenaktion gestartet. Die Listen wollen sie im Spätherbst dem Staatspräsidenten übergeben mit der Hoffnung, dass der Staat, 13 Jahre nach dem Aus der realen Atomversuche, sich endlich seiner Verantwortung stellt.