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IAA Mobility: Markt im Umbruch - Deutsche Autos abgehängt?

Henrik Böhme aus München
5. September 2023

In München hat Bundeskanzler Olaf Scholz die IAA Mobility eröffnet. Der Automobilmarkt wird neu aufgeteilt. Die deutschen Hersteller stehen massiv unter Druck.

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Messestand von BYD bei IAA Mobility
Chinesische Hersteller - hier der Messestand von BYD - setzen die deutschen Autobauer unter DruckBild: Leonhard Simon/REUTERS

Immerhin: Es sind mehr Aussteller als bei der Münchener IAA-Premiere vor zwei Jahren, nämlich 750 aus 38 Ländern. Und Dank des perfekten Spätsommer-Wetters in den kommenden Tagen werden auch mit Sicherheit mehr Besucher zur IAA Mobility (wie die Internationale Automobil-Ausstellung IAA jetzt heißt) kommen, vor allem in der Innenstadt. Dort haben die Veranstalter wieder sogenannte Open Spaces installiert. Auf bekannten Plätzen und Straßen der bayerischen Millionenmetropole sollen Menschen und Mobilität aufeinander treffen. Man rechnet mit bis zu 700.000 Besuchern.

Ein überdimensionalen Porsche-Modell steht als Teil der IAA auf dem Wittelsbacherplatz
Einer der Open Spaces, hier am Wittelsbacherplatz mit einem überdimensionalen Porsche-ModellBild: Christoph Schmidt/dpa/picture alliance

Dominant sind die deutschen Autohersteller wie VW, BMW oder Mercedes Benz, die zwischen Hofgarten, Marienplatz und dem Wittelsbacherplatz große Bühnen aufgebaut haben und auch das ein oder andere Auto zeigen. Aber weil die Messe eben keine Autoshow mehr sein will, zeigen dort auch Energieversorger, Nahverkehrsunternehmen oder Fahrradhersteller Präsenz. Sogar eine vier Kilometer lange Fahrrad-Teststrecke durch den berühmten Englischen Garten wurde eingerichtet.

Deutsche Dominanz gebrochen

Auf dem Münchner Messegelände selbst, vor den Toren der Stadt, war zumindest am Montag, dem sogenannten Pressetag, eher Tristesse angesagt. Jetzt, mit der Eröffnung der Messe, füllen die Fachbesucher die Hallen. Sie müssen dabei nicht viel laufen, denn nicht einmal ein Drittel der Messehallen ist belegt, und die Stände der Autohersteller haben rein gar nichts mehr mit dem Pomp der vergangenen Jahrzehnte zu tun, als Volkswagen oder Mercedes in Frankfurt am Main ganze Hallen belegten. Der Volkswagen-Stand hier in München misst gerade mal 50 mal 30 Meter. Nicht viel größer ist der Stand des chinesischen Newcomers BYD. Der Auftritt der Chinesen war mit viel Spannung erwartet worden, bietet er doch einen Vorgeschmack auf das, was die Branche gerade bewegt: Die Neuaufteilung des Weltmarktes.

Wolfgang Porsche, Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche und Volkswagen-Großaktionär auf der IAA Mobility in München
Hat ein waches Auge auf den VW-Konzern: Wolfgang Porsche, VW-Großaktionär, Aufsichtsrat und Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche auf der IAA Mobilty 2023. Er sagt: "Es muss über alles nachgedacht werden." Bild: Henrik Böhme/DW

Es waren in den vergangenen Jahrzehnten die deutschen Autobauer und ihre Zulieferer, die diesen Markt beherrschten. Ihre Modelle setzten die Maßstäbe. Das Aufkommen der Elektroautos haben die meisten lange Zeit weggelächelt. Immer effizientere Verbrennungsmotoren ließen viele im Glauben, das werde immer so weitergehen. Nun aber ist die Branche weltweit längst von einer gigantischen Transformationswelle erfasst. Elektroantrieb und Digitalisierung bieten neuen Wettbewerbern eine einzigartige Chance, in die Phalanx der Deutschen einzubrechen. Tesla ist das eine Beispiel. Nun kommen die Chinesen dazu.

BYD mit Kampfansage

Da ist erwähntes Unternehmen BYD (das steht für Build Your Dreams). Der Auftritt in München ist extrem selbstbewusst und vor Kraft strotzend. Kein Wunder: Mit mehr als 1,8 Millionen verkauften Elektroautos im vergangenen Jahr (siehe Infografik) ist man weltweit die Nummer Eins und hat Tesla vom Thron gestoßen, in diesem Jahr sollen es 2,5 Millionen sein. Michael Shu, der Europachef, rattert die Erfolgsbilanz herunter: In nur elf Monaten habe man in 15 europäischen Ländern Fuß gefasst, in Deutschland gibt es schon 17 Niederlassungen. Gleich sechs Modelle hat man zur Europapremiere im Gepäck, darunter den Kleinwagen Dolphin mit einem Einstiegspreis von unter 30.000 Euro. Für das nächstgrößere Modell, den SEAL, machte Shu hier in München den Preis bekannt: Er wird in Vollausstattung für unter 45.000 Euro an den Start gehen. Das sorgte schon für ein Raunen, denn das ist eine echte Kampfansage an Tesla und Volkswagen.

Heckpartie eines Autos der Marke Dolphin vom chinesischen Hersteller BYD
Preisbrecher: Ein Auto der Marke Dolphin vom chinesischen Hersteller BYDBild: BYD

Klar, noch verkaufen die Wolfsburger hierzulande deutlich mehr E-Autos als die Chinesen, doch das kann sich schnell ändern. VW konterte die chinesische Attacke mit der Ankündigung, in zwei Jahren selbst Modelle auf den Markt zu bringen, deren Einstiegspreise bei 25.000 Euro liegen sollen. Gefragt, ob er sich wegen der neuen Konkurrenten Sorgen mache, sagte VW-Konzernchef Oliver Blume: "Angst ist ein falscher Ratgeber", Volkswagen besinne sich auf seine Stärken und werde selbstbewusst dagegenhalten. "Ich denke, wir haben riesige Chancen. Wir haben große Erfahrung, wir wissen, wie man Autos baut", betonte Blume.

Die Schlacht ums Auto wird in China entschieden

Für den Bundeskanzler ist klar: "Auch außerhalb Deutschlands werden gute Autos entwickelt und gebaut. Zugleich steht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autobranche außer Frage", so Olaf Scholz in seiner Rede zur Eröffnung der Messe. Dennoch sind die Deutschen im Rückstand bei den neuen Technologien, BYD beispielsweise baut deutlich effizientere Batterien ohne Kobalt und Nickel. VW ist da noch im Entwicklungsstadium und setzt in China auf zahlreiche Kooperationen, um auf dem für VW überlebenswichtigen Markt nicht den Anschluss zu verlieren. Und auch in Sachen Software sind es die Deutschen, die hinterherhecheln.

Bundeskanzler Scholz bei seiner Rede zur Eröffnung der IAA Mobility 2023 in München
Bundeskanzler Scholz bei seiner Rede zur Eröffnung der IAA Mobility 2023 in München Bild: ANGELIKA WARMUTH/REUTERS

So ist hier in München, trotz einer Messe im Miniaturformat, doch der Startschuss für ein spannendes Rennen zu beobachten. Philipp Kemmler, Europa-Kommunikationschef des chinesischen Autoherstellers Great Wall Motor, sagte es im Gespräch mit der DW so: "Wenn Du es in Deutschland schaffst, dann schaffst Du es überall." Der Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach glaubt ebenfalls, "dass die Chinesen mit ihren Autos in den nächsten Jahren einen großen Fußabdruck in Europa und Deutschland hinterlassen werden". 

Ein Konzeptfahrzeug von BMW auf der IAA Mobility Messe 2023 in München
Die "Neue Klasse" von BMW soll ab 2025 die komplett neugestaltete, eigenständige Elektro-Plattform der Bayern werdenBild: Henrik Böhme/DW

Die deutschen Hersteller, das zumindest zeigt sich in München wie in einem Brennglas, haben sich auf eine Aufholjagd begeben. Sie präsentieren komplett neue Plattformen - wie BMW mit der Neuen Klasse oder Mercedes Benz mit der MMA genannten elektrischen Antriebsplattform. Dennoch fühlt sich die Branche in Deutschland ausgebremst, bemängelt hohe Energiekosten, überbordende Bürokratie und eine "industriekritische Haltung". Ihre kritische Einstellung zur Autobranche insgesamt machten in München Klimaaktivisten mit ersten Protestaktionen deutlich. Da wird in den kommenden Tagen noch einiges mehr kommen, soviel ist sicher. Die Polizei ist auf größere Störaktionen vorbereitet. Und selbst in den Messehallen ist drastisch mehr Sicherheitspersonal unterwegs, als man das von früheren Veranstaltungen kannte.

Deutschland Auto-Messe IAA Mobility Greenpeace Protest
Das Auto ist unser aller Untergang, sagen die Aktivisten von Greenpeace vor dem Haupteingang der Messe MünchenBild: Matthias Schrader/AP Photo/picture alliance
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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58
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