Mubarak - der gestürzte Pharao ist tot
25. Februar 2020Das eigene Volk sah in ihm einen farblosen Autokraten. So farblos, dass die Ägypter Mohammed Husni Mubarak kaum Spitznamen verpassten. Sie nannten ihn den Pharao, weil er - so schien es - für immer Ägypten regieren würde. Mubarak war auch "La vache qui rit", die Kuh, die lacht.
In einer kleinen Stadt im Nil-Delta, in der Provinz Menoufia, nördlich von Kairo, wurde Husni Mubarak am 4. Mai 1928 geboren. Hier verbrachte er auch seine Kindheit und Jugend, bevor er mit dem Eintritt in die Armee den Grundstein für seine spätere politische Karriere legte. Der Kampfjetpilot stieg in den Streitkräften schnell auf - bis zum Oberbefehlshaber der ägyptischen Luftstreitkräfte.
Für den Westen: Garant für Stabilität in Nahost
Stets loyal zu Präsident Anwar as-Sadat, belohnte der ihn mit dem Posten des Vizepräsidenten. Stillschweigend saß Mubarak damals stets neben Sadat und lächelte, so wie die rote Kuh, die auf dem Käse klebt. An einen Präsidenten Mubarak glaubte damals niemand, sagt Amr Ismael, Politikwissenschaftler der Universität Kairo: "Sadat hat Mubarak damals ausgewählt, weil er dachte, dass er keine Ambitionen hat und er in ihm einen treuen Gefolgsmann sah."
Doch mit dem Mord an Präsident Sadat nach dem Friedensschluss mit Israel schlug die Stunde seines Gefolgsmanns. Fast 30 Jahre konnte Mubarak die Macht am Nil festhalten, die ihm im Oktober 1981 nach dem Attentat auf Sadat zugefallen war. Es gelang dem neuen Machthaber Ägypten wieder mit seinen arabischen Nachbarn zu versöhnen und zugleich einvernehmliche Beziehungen zu Israel zu unterhalten. Der Westen schätzte den Präsidenten für diesen Pragmatismus und sah in ihm den Garanten der Stabilität in der Region. "Mubarak hat aus Ägypten ein stabiles Land gemacht", sagt Amr Ismael. "Unter ihm gab es keine Kriege und auch keine ideologische Richtungsänderung."
Für Stabilität in der Region und Frieden mit Israel erhielt Ägypten von den USA umfangreiche finanzielle Unterstützung. Das eigene Volk unterstützte die Aussöhnung mit Israel aber nicht. Im Gegenteil: Viele Ägypter sehen sich bis heute als Verbündete der "arabischen Brüder" - als Verbündete der Palästinenser.
Ein Meister der Korruption
Wirtschaftlich hatte Mubarak Ägypten unter dem Druck der USA geöffnet, vor allem der Tourismus-Sektor konnte sich rasant entwickeln: Pyramidenbesuche, Kreuzfahrten, Urlaub am Meer. An der breiten Masse ging dieser Aufschwung allerdings vorbei – es waren vor allem Mubaraks Familie und seine Freunde, die sich bereicherten. "Er lehrte die Ägypter die Korruption", sagt Amr Ismael, "er machte sie gar zu einer Tugend."
Zu viel Geld in privaten Taschen, zu wenig in den öffentlichen Kassen. Mubarak baute ein marodes Gesundheitssystem und ein katastrophales Bildungssystem auf. Für die Jugend der rasant wachsenden Bevölkerung gab es weder Jobs noch Perspektiven. Die demokratische Teilhabe blieb ihr wie dem ganzen Volk unter Mubarak versagt, seinem System fehlten jegliche demokratische Züge.
In den Jahren von Mubaraks Herrschaft wurden Wahlen gefälscht und Ägypten zu einem Polizeistaat mit systematischer Folter ausgebaut. Die Opposition verschwand im Gefängnis, gegen Islamisten ging er mit besonders harter Hand vor. Nur den Muslimbrüdern gewährte er gewisse Freiräume. Auch, um seinen Partnern im Westen zu zeigen: entweder ich oder die Islamisten.
Ein fremder Präsident
Über sein privates Umfeld drangen nur selten Informationen an die Öffentlichkeit. Es gab Zeiten in denen er viel Squash gespielt haben soll, Zeiten in denen er Anzüge mit Husni-Mubarak-Nadelstreifen aus Italien einkaufte. Doch den Ägyptern blieb er ein fremder Präsident und fremd war ihm auch sein eigenes Volk, meint Amr Ismael von der Universität Kairo. "Geliebt wurde er in Ägypten nie richtig. Er hat sich eingemauert und war weit weg von den Menschen auf der Straße."
Die Mauern waren so hoch, dass der stets anschlagsgefährdete Mubarak nicht einmal den wachsenden Widerstand im Militär und der eigenen Bevölkerung wahrnahm, als er Sohn Gamal zu seinem Nachfolger machen wollte. Auf die Forderungen der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz reagierte er zu spät. Die autoritäre Herrschaft und fehlende Mitspracherechte, aber auch grassierende Korruption, die darbende Wirtschaft und schleppende Reformen erregten Unmut in der Bevölkerung.
Menschen und Militär gegen Mubarak
2011 schrieben die Ägypter schließlich Geschichte indem sie den verhassten Despoten Mubarak verjagten - in den Tagen vor seinem Rücktritt kamen Hunderte Menschen bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften zu Tode. Schließlich trat Mubarak am 11. Februar 2011 zurück. Der Staatschef habe sich nach den Massenprotesten zu diesem Schritt entschieden, erklärte sein damaliger Vize Omar Suleiman. Ein Militärrat werde die Amtsgeschäfte übernehmen. Fast ein Jahr lang wurde ihm der Prozess vor Gericht gemacht, doch das Urteil fiel vergleichsweise milde aus: 25 Jahre Gefängnis. Angetreten hat Husni Mubarak diese Strafe nie. Im März 2017 sprach ihn zudem das oberste Gericht Ägyptens den Ex-Staatschef von dem Vorwurf frei, Mitschuld am Tod von mehr als 800 Demonstranten während der Aufstände gehabt zu haben und ließ ihn frei. Mubarak zeiget bis zuletzt keine Reue.
Seine letzten Wochen verbrachte der einstmals mächtigste Mann im Nahen Osten im Militärkrankenhaus in Kairo. Von dort aus konnte er auch beobachten, wie seine früheren Vertrauten versuchen, das "System Mubarak" in die neue Zeit zu retten. Der 2012
gewählte Islamist und Muslimbruder Mohammed Mursi wurde nach Massenprotesten 2013 vom Militär gestürzt. Seit 2014 regiert der autoritäre Armeechef Abdel Fattah al-Sisi das Land. Repressionen gegen Oppositionelle und die Medien werden von vielen als noch härter empfunden als unter Mubarak.
Husni Mubarak hinterlässt zwei Söhne und seine Frau Suzanne Mubarak. Am 25. Februar starb er im Alter von 91 Jahren - fast zehn Jahre nach den Aufständen in Ägypten.